Unterschiedliche Erziehungsstile

Aber Papa hat’s erlaubt!

Viele Mütter und Väter haben unter­schied­li­che Auffas­sun­gen von Erzie­hung. Das kann zu Span­nun­gen führen, was die Stim­mung in der Familie belas­tet. Aber müssen sich Eltern in Erzie­hungs­fra­gen immer einig sein? Darüber schreibt Eltern­bild­ner Martin Gessler.

Der Fami­li­en­all­tag verlangt den Eltern im Vier­tel­stun­den­takt Entschei­dun­gen ab. Sie können deshalb nicht stets glei­cher Meinung sein und reagie­ren je nach Situa­tion und Stim­mung unter­schied­lich. Schliess­lich sind Mütter und Väter Persön­lich­kei­ten mit unter­schied­li­chen Tempe­ra­men­ten, Lebens­ge­schich­ten und Prägun­gen. Da ist die Forde­rung nach steter Einig­keit in der Erzie­hung kaum realis­tisch und nicht förder­lich für die Kinder. 

Kinder profi­tie­ren von verschie­de­nen Erzie­hungs­ar­ten 

Wenn Mütter und Väter unter­schied­lich erzie­hen, lernen Kinder, dass es verschie­dene Arten gibt, zu spielen, getrös­tet oder ins Bett gebracht zu werden. Kinder profi­tie­ren von unter­schied­li­chen Erzie­hungs­auf­fas­sun­gen, weil diese sie lebens­tüch­tig machen. So lernen die Kinder, mit Diffe­ren­zen umzu­ge­hen und sich in verschie­de­nen Situa­tio­nen zurecht­zu­fin­den. Und vor allem erken­nen sie, dass es in Ordnung ist, unter­schied­li­cher Auffas­sung zu sein. Kinder leiden nur dann, wenn sie ständig in Ausein­an­der­set­zun­gen zwischen den Eltern hinein­ge­zo­gen werden, in denen die Meinung des einen Eltern­teils als «falsch» und die andere als «richtig» hinge­stellt wird. 

Verschie­dene Erzie­hungs­stile ergeben sich auch aus unter­schied­li­cher Nähe und Distanz zum Kind. Wer sich die meiste Zeit um die Kinder kümmert, muss in der Erzie­hung konse­quen­ter sein, um sich nicht in tägli­chen Diskus­sio­nen um die Fami­li­en­re­geln aufzu­rei­ben. Kommt der andere Eltern­teil nach Hause und wird von den Kindern stür­misch begrüsst, steht nicht das Einhal­ten von Regeln im Vorder­grund, sondern die Bezie­hungs­pflege: Spielen, Spass haben, Nähe spüren. So entwi­ckelt das Kind zu beiden Eltern­tei­len eine leben­dige Bezie­hung. 

Wer Unord­nung macht, muss aufräu­men 

Grund­sätz­lich können Kinder mit unter­schied­li­chen Regeln und Ritua­len gut umgehen. Dabei sind jedoch drei Dinge wichtig:

  1. Kinder müssen wissen, wer im Moment die Chefin oder der Chef ist und wessen Regeln gelten. Ansons­ten spielen sie die Eltern gegen­ein­an­der aus.
  2. Die Folgen des Handelns eines Eltern­teils sollte nicht vom anderen ausge­ba­det werden müssen: Wer beim Herum­to­ben mit den Kindern die Wohnung auf den Kopf stellt, der räumt (mit ihnen zusam­men) auf oder entfernt nach der über­schwäng­li­chen Spaghett­ata die Toma­ten­sauce von Tisch und Herd.
  3. Mütter und Väter müssen für ihren Teil der Erzie­hungs­ar­beit Wert­schät­zung erfah­ren – und dafür trägt die Part­ne­rin oder der Partner eine Mitver­ant­wor­tung. 

Martin Gessler

Martin Gessler arbeitet als Eltern- und Erwachsenenbildner bei der Geschäftsstelle Elternbildung im Amt für Jugend und Berufsberatung. Sein Arbeitsschwerpunkt ist die Entwicklung und Durchführung von Elternbildungskursen zu allgemeinen Erziehungsthemen und für Mütter und Väter in Trennung oder Scheidung.