Tschüss Kind, auch wenn du weinst

Wie gehen andere berufstätige Eltern mit emotionalen Momenten um?

Eigent­lich ginge alles auf, Familie und Arbeit sind gut aufein­an­der abge­stimmt. Wäre da bloss nicht dieser innere Druck. Das Kind weint beim Abschied, der Kopf ist nicht bei der Arbeit, ein schlech­tes Gewis­sen spielt mit – Eltern erzäh­len, wie sie mit diesen Gefüh­len umgehen.


Arbeit und Familie sind verein­bar, aber nicht immer komplett stress­frei. Und in manchen Momen­ten mag auch alles einmal schlicht nicht machbar wirken. Da wüsste man manch­mal gerne, wie das andere machen. In dieser Serie geben berufs­tä­tige Eltern Einblick in ihre Lösun­gen. Viel­leicht sind die einen oder anderen Ansätze neu und eine Über­le­gung wert? Zumin­dest zeigen sie eines: Auch andere sind gezwun­gen, Lösun­gen zu finden.

Tschüss Kind, auch wenn du weinst

Nicht immer fällt der Abschied von zuhause leicht, insbe­son­dere wenn Eltern weinende Kinder zurück­las­sen müssen. Wie geht Ihr damit um?

Je kürzer der Abschied, desto einfa­cher: Wenn die Kinder klein sind, geht man echt mit einem schlech­ten Gewis­sen los. Dabei habe ich gelernt - je länger man den Abschied gestal­tet, desto schwie­ri­ger wird er. Deshalb: Augen zu und durch. (Infor­ma­ti­ons­spe­zia­list)

Auch sich selbst Zeit geben: Wir haben gerade eine schwie­rige Zeit. Unsere Tochter will nicht zur Schule gehen. Sie hat oft Bauch­weh und weint viel am Morgen. Das ist dann schon hart, sie weinend in der Schule ablie­fern zu müssen. Mir hilft es, wenn ich den Weg von der Schule zurück nach Hause zu einem grossen Spazier­gang ausdehne. So kann ich mich danach einfa­cher auf die Arbeit konzen­trie­ren. Mein Arbeit­ge­ber kommt mir zum Glück soweit entge­gen, dass ich mehr im Home­of­fice arbei­ten kann. Das schafft mir Zeit für diesen Spazier­gang anstelle des Arbeits­we­ges. (Kauf­män­ni­sche Ange­stellte)

Ein Anruf beru­higt: Gibt es Tränen beim Abschied, rufen wir jeweils etwas später die Tages­mut­ter an. Zu hören, dass sich die Kinder schnell beru­higt haben und nun inten­siv spielen, ist da schon sehr hilf­reich. (Jour­na­list)

Kalen­der macht Fami­li­en­zeit sicht­bar: Bei uns hängt am Kühl­schrank eine Wochen­über­sicht mit Fotos, die aufzeigt, welcher Tag gerade ist und wann der nächste Mami- oder Papa-Tag ist. So sehen die Kinder, dass sie ganz viele Tage mit der Familie verbrin­gen und können sich darauf freuen. Das macht die Abschiede an den Tagen dazwi­schen einfa­cher. (Kommu­ni­ka­ti­ons­spe­zia­lis­tin)

Genaue Infor­ma­tio­nen: Wir möchten, dass die Kinder immer wissen, wann wir wieder für sie da sind. Deshalb sagen wir ihnen beim Abschied in der Kita stets, wann genau wir sie abholen. Und das halten wir auch ein. (Ökonom)

Kurze Dauer bewusst machen: Wenn das Kind beim Abgeben in der Kita weint, ist das schon hart. Oft tausche ich mich dann kurz mit meinem Partner aus. Es hilft zu wissen, dass ich mit diesem Gefühl nicht alleine bin und dass es selten lange dauert. Abends beim Abholen ist unser Sohn oft noch ganz vertieft in sein Spiel und will manch­mal gar nicht aufhö­ren. Dann ist der morgend­li­che Abschied für beide schon wieder Vergan­gen­heit. (Unter­neh­mens­be­ra­te­rin)

Herz­zer­reis­send, aber zum Glück eine Phase: Es gab Zeiten, da hatte unsere Tochter grosse Mühe, klam­merte sich fast an uns und weinte – für alle eine herz­zer­reis­sende Situa­tion. Einen Trick, um die Über­gabe zu erleich­tern, konnten wir leider nicht finden. (Medi­zi­ni­sche Praxis­as­sis­ten­tin)

Schlech­tes Gewis­sen

Kommt mein Kind zu kurz? Können wir das unserem Umfeld zumuten? Schnell ist bei solchen Gedan­ken ein schlech­tes Gewis­sen da. Wie ist das bei Euch?

Auch die Berufs­tä­tig­keit ist wichtig: Am Anfang war es schon manch­mal hart, unseren Sohn in der Krippe abzu­ge­ben. Und auch jetzt frage ich mich manch­mal, ob das so richtig ist, vor allem wenn die Über­gabe nicht so gut klappt. Wir wissen aber, wie wichtig für uns die Arbeit ist, wie bedeut­sam gele­gent­li­che Zeit für uns selbst ist und dass wir auch viel quali­ta­tive Zeit mitein­an­der als Familie und an unseren jewei­li­gen Mami- und Papi-Tagen verbrin­gen. Deshalb habe ich inzwi­schen selten ein schlech­tes Gewis­sen. (Unter­neh­mens­be­ra­te­rin)

Früh abholen und darüber reden: Für mich ist es ein schlim­mer Gedanke, dass mein Kind als letztes abge­holt wird. Deshalb beginnt immer einer von uns früh mit der Arbeit, um unsere Tochter zeitig abholen zu können. Der andere bringt sie am Morgen hin und arbei­tet dafür am Abend etwas länger. Zudem hilft es mir, über diese Gefühle zu spre­chen und mich mit anderen Eltern auszu­tau­schen. (Kommu­ni­ka­ti­ons­spe­zia­lis­tin)

Gemein­same Momente umso wich­ti­ger: Unsere Gross­fa­mi­lie mit fünf Kindern und zwei berufs­tä­ti­gen Eltern funk­tio­niert nur dank Gross­el­tern. Vor allem meine Schwie­ger­mut­ter ist fast täglich im Einsatz – auch wenn Kinder krank sind oder kurz­fris­tig Termine anste­hen. Zum Glück liebt sie als ehema­lige Kinder­kran­ken­schwes­ter Kinder und ist als Pensio­nierte sehr flexi­bel. Mitt­ler­weile sehe ich meine Kinder häufig nur noch kurz am Abend. Ein schlech­tes Gewis­sen habe ich eigent­lich nicht. Meine drei Teen­ager (13, 15, 18) haben ja auch keines, wenn sie ständig unter­wegs sind. Umso wich­ti­ger sind mir aber die gemein­sa­men Momente, wie das tägli­che Fami­li­en­nacht­es­sen, das Wört­chen-Abfra­gen und Aufga­ben-Machen oder Unter­neh­mun­gen an den Wochen­en­den und in den Ferien. (Sozio­loge)

Zwie­spalt vor allem bei Alltags­auf­ga­ben: Manch­mal habe ich tatsäch­lich ein schlech­tes Gewis­sen, wenn mein Kind in der Kita ist. Vor allem dann, wenn ich zuhause Dinge erle­di­gen muss, wie den Haus­halt. Ich denke dann, ich müsste doch jetzt Zeit haben und da sein für unser Kind. Wenn unsere Tochter aber bei den Gross­el­tern ist, komme ich nicht ins Grübeln. Dann weiss ich, dass sie gut aufge­ho­ben ist und sich im fami­liä­ren Umfeld befin­det. (Medi­zi­ni­sche Praxis­as­sis­ten­tin)

Schlech­tes Gewis­sen beim Schum­meln in der Not: Meine Frau plagt sich mehr mit dem schlech­ten Gewis­sen herum. Ich kenne das weniger, da die Betreu­ungs­per­so­nen unsere Kinder gut kennen und wir das Angebot auch nie über­be­an­spru­chen. Am gröss­ten ist das schlechte Gewis­sen, wenn wir die Kinder in der Not «gedopt» in die Kita bringen und hoffen müssen, dass es niemand merkt. (Infor­ma­ti­ons­spe­zia­list)

Kopf beim Kind – ich vermisse meine Familie

Selbst wenn orga­ni­sa­to­risch alles gut verein­bar ist, mischen manch­mal Gefühle mit. Was macht Ihr dann?

Gefühle - ja und nein: Ja, ich vermisse mein Kind manch­mal, wenn ich am Arbei­ten bin oder auch wenn ich ein Wochen­ende mit Freun­din­nen verbringe. Dann schreibe ich eine Nach­richt und frage nach einem Foto oder wie es so geht. Ich bin Mami, auch wenn ich ander­wei­tig unter­wegs bin. Ich kenne aber auch das Gegen­teil und kann abschal­ten, sodass ich vor lauter Arbeit oder «Unter­wegs­sein» kaum an mein Kind denke. (Unter­neh­mens­be­ra­te­rin)

Telefon oder Fami­li­en­chat: Fällt mir das Loslas­sen einmal schwer, rufe ich am Mittag oder Nach­mit­tag kurz zuhause an. Heute sind die Kinder grösser, da tauschen wir uns im Fami­li­en­chat aus. (Infor­ma­ti­ons­spe­zia­list)