Fragen zur Erziehung und Entwicklung Ihrer Kinder und zum Familienalltag? Die Fachleute unserer Kinder- und Jugendhilfezentren (kjz) beraten Sie gern.
Zum kjz-BeratungsangebotWie gehen andere berufstätige Eltern mit emotionalen Momenten um?
Veröffentlicht am von Martina Friedli
Eigentlich ginge alles auf, Familie und Arbeit sind gut aufeinander abgestimmt. Wäre da bloss nicht dieser innere Druck. Das Kind weint beim Abschied, der Kopf ist nicht bei der Arbeit, ein schlechtes Gewissen spielt mit – Eltern erzählen, wie sie mit diesen Gefühlen umgehen.
Arbeit und Familie sind vereinbar, aber nicht immer komplett stressfrei. Und in manchen Momenten mag auch alles einmal schlicht nicht machbar wirken. Da wüsste man manchmal gerne, wie das andere machen. In dieser Serie geben berufstätige Eltern Einblick in ihre Lösungen. Vielleicht sind die einen oder anderen Ansätze neu und eine Überlegung wert? Zumindest zeigen sie eines: Auch andere sind gezwungen, Lösungen zu finden.
Tschüss Kind, auch wenn du weinst
Nicht immer fällt der Abschied von zuhause leicht, insbesondere wenn Eltern weinende Kinder zurücklassen müssen. Wie geht Ihr damit um?
Je kürzer der Abschied, desto einfacher: Wenn die Kinder klein sind, geht man echt mit einem schlechten Gewissen los. Dabei habe ich gelernt – je länger man den Abschied gestaltet, desto schwieriger wird er. Deshalb: Augen zu und durch. (Informationsspezialist)
Auch sich selbst Zeit geben: Wir haben gerade eine schwierige Zeit. Unsere Tochter will nicht zur Schule gehen. Sie hat oft Bauchweh und weint viel am Morgen. Das ist dann schon hart, sie weinend in der Schule abliefern zu müssen. Mir hilft es, wenn ich den Weg von der Schule zurück nach Hause zu einem grossen Spaziergang ausdehne. So kann ich mich danach einfacher auf die Arbeit konzentrieren. Mein Arbeitgeber kommt mir zum Glück soweit entgegen, dass ich mehr im Homeoffice arbeiten kann. Das schafft mir Zeit für diesen Spaziergang anstelle des Arbeitsweges. (Kaufmännische Angestellte)
Ein Anruf beruhigt: Gibt es Tränen beim Abschied, rufen wir jeweils etwas später die Tagesmutter an. Zu hören, dass sich die Kinder schnell beruhigt haben und nun intensiv spielen, ist da schon sehr hilfreich. (Journalist)
Kalender macht Familienzeit sichtbar: Bei uns hängt am Kühlschrank eine Wochenübersicht mit Fotos, die aufzeigt, welcher Tag gerade ist und wann der nächste Mami- oder Papa-Tag ist. So sehen die Kinder, dass sie ganz viele Tage mit der Familie verbringen und können sich darauf freuen. Das macht die Abschiede an den Tagen dazwischen einfacher. (Kommunikationsspezialistin)
Genaue Informationen: Wir möchten, dass die Kinder immer wissen, wann wir wieder für sie da sind. Deshalb sagen wir ihnen beim Abschied in der Kita stets, wann genau wir sie abholen. Und das halten wir auch ein. (Ökonom)
Kurze Dauer bewusst machen: Wenn das Kind beim Abgeben in der Kita weint, ist das schon hart. Oft tausche ich mich dann kurz mit meinem Partner aus. Es hilft zu wissen, dass ich mit diesem Gefühl nicht alleine bin und dass es selten lange dauert. Abends beim Abholen ist unser Sohn oft noch ganz vertieft in sein Spiel und will manchmal gar nicht aufhören. Dann ist der morgendliche Abschied für beide schon wieder Vergangenheit. (Unternehmensberaterin)
Herzzerreissend, aber zum Glück eine Phase: Es gab Zeiten, da hatte unsere Tochter grosse Mühe, klammerte sich fast an uns und weinte – für alle eine herzzerreissende Situation. Einen Trick, um die Übergabe zu erleichtern, konnten wir leider nicht finden. (Medizinische Praxisassistentin)
Schlechtes Gewissen
Kommt mein Kind zu kurz? Können wir das unserem Umfeld zumuten? Schnell ist bei solchen Gedanken ein schlechtes Gewissen da. Wie ist das bei Euch?
Auch die Berufstätigkeit ist wichtig: Am Anfang war es schon manchmal hart, unseren Sohn in der Krippe abzugeben. Und auch jetzt frage ich mich manchmal, ob das so richtig ist, vor allem wenn die Übergabe nicht so gut klappt. Wir wissen aber, wie wichtig für uns die Arbeit ist, wie bedeutsam gelegentliche Zeit für uns selbst ist und dass wir auch viel qualitative Zeit miteinander als Familie und an unseren jeweiligen Mami- und Papi-Tagen verbringen. Deshalb habe ich inzwischen selten ein schlechtes Gewissen. (Unternehmensberaterin)
Früh abholen und darüber reden: Für mich ist es ein schlimmer Gedanke, dass mein Kind als letztes abgeholt wird. Deshalb beginnt immer einer von uns früh mit der Arbeit, um unsere Tochter zeitig abholen zu können. Der andere bringt sie am Morgen hin und arbeitet dafür am Abend etwas länger. Zudem hilft es mir, über diese Gefühle zu sprechen und mich mit anderen Eltern auszutauschen. (Kommunikationsspezialistin)
Gemeinsame Momente umso wichtiger: Unsere Grossfamilie mit fünf Kindern und zwei berufstätigen Eltern funktioniert nur dank Grosseltern. Vor allem meine Schwiegermutter ist fast täglich im Einsatz – auch wenn Kinder krank sind oder kurzfristig Termine anstehen. Zum Glück liebt sie als ehemalige Kinderkrankenschwester Kinder und ist als Pensionierte sehr flexibel. Mittlerweile sehe ich meine Kinder häufig nur noch kurz am Abend. Ein schlechtes Gewissen habe ich eigentlich nicht. Meine drei Teenager (13, 15, 18) haben ja auch keines, wenn sie ständig unterwegs sind. Umso wichtiger sind mir aber die gemeinsamen Momente, wie das tägliche Familiennachtessen, das Wörtchen-Abfragen und Aufgaben-Machen oder Unternehmungen an den Wochenenden und in den Ferien. (Soziologe)
Zwiespalt vor allem bei Alltagsaufgaben: Manchmal habe ich tatsächlich ein schlechtes Gewissen, wenn mein Kind in der Kita ist. Vor allem dann, wenn ich zuhause Dinge erledigen muss, wie den Haushalt. Ich denke dann, ich müsste doch jetzt Zeit haben und da sein für unser Kind. Wenn unsere Tochter aber bei den Grosseltern ist, komme ich nicht ins Grübeln. Dann weiss ich, dass sie gut aufgehoben ist und sich im familiären Umfeld befindet. (Medizinische Praxisassistentin)
Schlechtes Gewissen beim Schummeln in der Not: Meine Frau plagt sich mehr mit dem schlechten Gewissen herum. Ich kenne das weniger, da die Betreuungspersonen unsere Kinder gut kennen und wir das Angebot auch nie überbeanspruchen. Am grössten ist das schlechte Gewissen, wenn wir die Kinder in der Not «gedopt» in die Kita bringen und hoffen müssen, dass es niemand merkt. (Informationsspezialist)
Kopf beim Kind – ich vermisse meine Familie
Selbst wenn organisatorisch alles gut vereinbar ist, mischen manchmal Gefühle mit. Was macht Ihr dann?
Gefühle – ja und nein: Ja, ich vermisse mein Kind manchmal, wenn ich am Arbeiten bin oder auch wenn ich ein Wochenende mit Freundinnen verbringe. Dann schreibe ich eine Nachricht und frage nach einem Foto oder wie es so geht. Ich bin Mami, auch wenn ich anderweitig unterwegs bin. Ich kenne aber auch das Gegenteil und kann abschalten, sodass ich vor lauter Arbeit oder «Unterwegssein» kaum an mein Kind denke. (Unternehmensberaterin)
Telefon oder Familienchat: Fällt mir das Loslassen einmal schwer, rufe ich am Mittag oder Nachmittag kurz zuhause an. Heute sind die Kinder grösser, da tauschen wir uns im Familienchat aus. (Informationsspezialist)