kjz-Sprechstunde

«Ich habe Angst, dass unsere Söhne (12 und 8) gemobbt werden, weil wir russischer Herkunft sind.»

Mütter und Väter wissen am besten, was gut ist für ihr Kind. Doch ab und zu sind sie auch bei gröss­ter Eltern­liebe froh um ein biss­chen Unter­stüt­zung. Bei allen Fragen rund um Familie und Erzie­hung weiss das Exper­ten-Team unserer kjz-Sprech­stunde Rat. Kompe­tent, anonym und unkom­pli­ziert. Was immer Sie bewegt – wir sind für Sie da!


Liebes kjz
Ich habe Angst, dass meine Söhne (12 und 8) in der Schule gemobbt werden, weil wir russi­sche Wurzeln haben. Mein Mann ist im Land aufge­wach­sen, wir haben einen russi­schen Fami­li­en­na­men. Meine Söhne sagen mir zwar, dass sie nicht gemobbt werden. Aber beim jünge­ren Sohn habe ich gehört, wie sie ihn auf dem Schul­weg mit unserem Fami­li­en­na­men rufen, und der ältere beschäf­tigt sich stark mit dem Krieg und wirkt immer bedrück­ter. Wir sind nicht pro Russ­land, aber wir können unsere Herkunft nun mal nicht verleug­nen. Was soll ich ihnen sagen, wie sie sich in der Schule verhal­ten sollen? Ich bin sehr froh um eine Antwort.
Familie T.

Liebe Familie T.

Ich verstehe Ihre Sorge gut. Je länger der Krieg andau­ert, umso mehr kann es ein verbrei­te­tes Thema in der Gesell­schaft sein – auch unter Kindern. Ich möchte Sie deshalb bestär­ken, dass Sie Ihre Sorge ernst nehmen und wenn nötig auch schnell handeln.

Es ist wichtig, dass Sie und Ihr Mann Ihre Werte vor den Kindern offen vorle­ben und eine klare Haltung einneh­men. Ihrer Frage entnehme ich, dass Sie und Ihre Familie gegen den Krieg in der Ukraine sind. Wenn Sie sich als Eltern klar posi­tio­nie­ren, können auch Ihre Söhne dies tun. Auf einen verba­len Angriff kann eine denk­bare Reak­tion Ihrer Söhne beispiels­weise folgende sein: «Meine Familie ist wie deine Familie gegen den Krieg. Wir wollen auch, dass er aufhört.»

Weiter empfehle ich Ihnen, bei Ihren Kindern abzu­ho­len, was sie sich wünschen und was ihnen helfen könnte. Wenn Ihre Kinder nicht möchten, dass Sie aktiv werden, möchte ich Sie trotz­dem dazu ermu­ti­gen: Nehmen Sie Kontakt mit der Schule auf. Auch wenn es Ihren Söhnen unan­ge­nehm sein sollte. Indem Sie handeln, über­neh­men Sie Verant­wor­tung und signa­li­sie­ren, dass das Thema für das gesell­schaft­li­che Zusam­men­le­ben wichtig ist.

Mobbing kann nicht alleine ange­gan­gen werden, da viele – Täter und Täte­rin­nen, Opfer, Mitlau­fende, Zuse­hende – betei­ligt sind. Es betrifft deshalb die ganze Klasse, manch­mal das ganze Schul­haus. Mobbing muss in Zusam­men­ar­beit ange­gan­gen werden und es ist die Pflicht jeder Schule, genau hinzu­se­hen, zu reagie­ren und zu handeln. Schulen gehen jedoch unter­schied­lich mit dem Thema um. Wenden Sie sich zunächst an die Klas­sen­lehr­per­son. Zeigt diese keine Bereit­schaft zur Zusam­men­ar­beit, wenden Sie sich an die Schul­so­zi­al­ar­beit. Sie dürfen das. Sie tun dies nicht nur für Ihre Söhne sondern für alle Schüler und Schü­le­rin­nen. Niemand soll Angst haben müssen. Es ist wichtig, früh einzu­grei­fen.

Rund um die aktu­el­len Gescheh­nisse können sich auch Schul­stun­den zum Thema bewäh­ren, in denen ukrai­ni­sche und russi­sche Eltern von ihren Herkunfts­län­dern erzäh­len. Viel­leicht können Sie sich für so etwas zur Verfü­gung stellen?

Fühlen Sie sich zu wenig unter­stützt, wenden Sie sich an den Schul­psy­cho­lo­gi­schen Dienst des Kantons Zürich. Im Weite­ren gibt es die Zürcher Anlauf­stelle Rassis­mus ZüRAS, an die Sie sich für kosten­lose Unter­stüt­zung wenden können. Auch das kjz Ihrer Region wird Ihnen gerne weiter­hel­fen. Zögern Sie nicht, sich zu melden.

Ein gutes Merk­blatt zum Thema Mobbing hat die Stadt Winter­thur zusam­men­ge­stellt. Weitere Tipps für Eltern finden Sie bei Pro Juven­tute.

Für Gesprä­che mit Ihren Kindern zum Thema Krieg bieten Pro Juven­tute, UNICEF, die Kinder­nach­rich­ten vom Schwei­zer Fern­se­hen oder der Kinder­ka­nal von ARD und ZDF hilf­rei­ches Mate­rial.

Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie die notwen­dige Stärke auf diesem Weg.

Simone Gruen-Müller (Erzie­hungs­be­ra­te­rin) und das kjz-Team

Haben Sie eine Frage?

Haben Sie eine Frage zur Erzie­hung, zum Zusam­men­le­ben in der aktu­el­len Situa­tion oder ganz allge­mein zum Fami­li­en­le­ben? Das kjz-Team beant­wor­tet regel­mäs­sig Fragen in der «kjz-Sprech­stunde».