Nach dem Mutterschaftsurlaub – Das sagt die kjz-Expertin

Wie der Wechsel zurück an den Arbeitsplatz gelingt

Neigt sich der Mutter­schafts­ur­laub dem Ende zu, steht ein grosser Wechsel bevor: Weg von den vertrau­ten Fami­li­en­ta­gen hin zurück an den Arbeits­platz. Wie gelingt dieser Schritt, inklu­sive Abpum­pen, Abstil­len, Kita-Einge­wöh­nung und Co.? Mit dieser Frage wenden sich viele Mütter an Nadine Lampar­ter, Mütter- und Väter­be­ra­te­rin im kjz Düben­dorf.

Nadine Lampar­ter, wie erleben Eltern in Ihren Bera­tun­gen das Ende des Mutter­schafts­ur­laubs?
Der Wechsel beschäf­tigt viele Eltern stark und sie haben unzäh­lige Fragen. Bei den meisten dauert es einige Zeit, bis sie wieder richtig im Erwerbs­le­ben ange­kom­men sind. Hat sich vorher alles nur um das Kind gedreht, stehen plötz­lich wieder ganz andere Dinge im Fokus, das ist eine grosse Umstel­lung! Meist gelingt das aber nach einigen Wochen gut. Manche Mütter plagt regel­recht ein schlech­tes Gewis­sen, wenn sie sich gar auf das Arbeits­le­ben freuen – doch das dürfen sie! Wieder einmal über andere Themen zu disku­tie­ren, ist berei­chernd und der Erfolg im Beruf ist eine schöne Art von Selbst­be­stä­ti­gung. Ausser­dem bewir­ken die Stunden der Tren­nung oftmals, dass man sich wieder ganz neu und frisch auf das Kind einstel­len kann.

Was hilft, damit der Wechsel gelingt?
Wichtig ist eine frühe Planung: Möchte ich weiter­stil­len? Wenn ja, wo kann ich am Arbeits­ort abpum­pen? Wie möchten wir die Betreu­ung regeln? Welche Lösun­gen gibt es, wenn das Kind einmal krank ist? Was, wenn mein Kind keinen Schop­pen trinken will? Das sind alles wich­tige Fragen. Sind diese geklärt, gibt das Sicher­heit.

Wie können Sie Eltern in Ihren Bera­tun­gen unter­stüt­zen?
Wir schauen ihre Fragen mit ihnen an und suchen gemein­sam nach Lösun­gen. Beson­ders die Vorstel­lung, etwas rund um die Ernäh­rung könnte nicht klappen, löst bei vielen Müttern grosse Ängste aus. Kinder sind tatsäch­lich nicht planbar, gut möglich, dass nicht alles so abläuft, wie man sich das vorge­stellt hat. Aber es gibt für fast alles einen Weg! Viele Eltern sind froh, dass wir im ganzen Prozess für sie da sind – auch wenn etwas nicht so läuft, wie vorge­stellt.

Es gibt für fast alles einen Weg! Auch wenn etwas nicht so läuft, wie man sich das vorge­stellt hat.

Wie gelingt der Tren­nungs­schritt emotio­nal leich­ter?
Wichtig ist das Gefühl: Mein Kind ist in guten Händen. Eltern dürfen sich deshalb auch hier Zeit lassen, um eine Lösung zu finden, bei der ihr Bauch­ge­fühl stimmt. Sei das eine Kita, die ihnen entspricht, eine Tages­mut­ter, zu der sie Vertrauen haben, ein Fami­li­en­mit­glied oder Bekannte. Fällt es zu Beginn sehr schwer, die Unge­wiss­heit über das Wohl­be­fin­den des Kindes auszu­hal­ten, hilft es manch­mal, ihm etwas Vertrau­tes mitzu­ge­ben, ein soge­nann­tes Über­gangs­ob­jekt. Das kann beispiels­weise ein Bändeli oder ein Klei­dungs­stück sein, das nach einem riecht. Umge­kehrt können die Eltern zum Beispiel ein Foto vom Kind auf dem Büro­tisch aufstel­len.

Und wie gelingt die Verän­de­rung dem Kind leich­ter?
Entwick­lungs­be­dingt sind Kinder zwischen dem sechs­ten und zwölf­ten Lebens­mo­nat in einer Phase, in der ihnen der tiefe Schlaf manch­mal schwer­fällt. Einige meis­tern den Wechsel dennoch völlig problem­los, andere haben umso unru­hi­gere Nächte. Einige Kinder merken auch, dass eine Ände­rung bevor­steht, und reagie­ren darauf mit Stress, indem sie beispiels­weise nicht mehr Schop­pen trinken möchten. Für das Kind ist es deshalb hilf­reich, wenn die Einge­wöh­nung sorg­fäl­tig und mit genü­gend Zeit abläuft. Auch bei Säug­lin­gen. Diese zeigen je nachdem keinen offen­sicht­li­chen Tren­nungs­schmerz, doch auch bei ihnen ist eine sorg­fäl­tige Einge­wöh­nung entschei­dend und sie sollte nicht abge­kürzt werden, weil es «gut läuft». Rund um die Einge­wöh­nung dürfen Eltern bei ihrer jewei­li­gen Betreu­ungs­lö­sung ruhig Fragen stellen. Auch, wie die Möglich­kei­ten ausse­hen, wenn das Kind grosse Mühe haben sollte.

Und wenn der Kopf trotz­dem ständig um die Situa­tion zuhause kreist?
Da darf man auch ein biss­chen Nach­sicht mit sich selbst zeigen. Kommt man aus dem Mutter­schafts­ur­laub zurück, taucht man schliess­lich aus einer ganz anderen Welt auf. Kreisen die Gedan­ken stark um das Kind, kann es als Über­gang helfen, sich im Tages­ab­lauf kleine Infor­ma­ti­ons­in­seln einzu­bauen. So werden die Stunden der Unge­wiss­heit unter­bro­chen und die Konzen­tra­tion auf die Arbeit davor und danach mag leich­ter fallen.

Was verste­hen Sie unter Infor­ma­ti­ons­in­seln?
Beispiels­weise gibt die Tages­mut­ter oder Kita in den ersten zwei Wochen am Mittag per Text-, Sprach­nach­richt oder Telefon ein kurzes Feed­back. Oft erlebe ich, dass sich die Sorgen bald legen und Eltern nach ein paar Wochen erzäh­len, wie ihnen die Abwechs­lung bei der Arbeit wieder viel Spass macht. Lässt die Sorge gar nicht nach, lohnt es sich manch­mal, genau bei sich selbst hinzu­schauen und sich zu fragen: Warum mache ich mir solche Sorgen? Gibt es Dinge, die ich ändern kann? Viel­leicht ist die Betreu­ungs­form in diesem Fall nicht die rich­tige oder viel­leicht braucht es eine Alter­na­tive bei der Ernäh­rung, weil das Kind auswärts nicht so gut aus dem Schop­pen trinkt. Viel­leicht darf man aber auch einfach noch etwas mehr Sicher­heit bei der Vorstel­lung entwi­ckeln, dass sich andere auch gut um das eigene Kind kümmern.

Was hilft gegen das quälende Bild vom weinen­den Kind beim Abschied?
Dieser Moment ist tatsäch­lich oft belas­tend – obwohl der Moment für das Kind meist schon bald darauf wieder vorbei ist. Helfen kann es hier, beispiels­weise eine halbe Stunde später nach­zu­fra­gen, ob sich alles wieder beru­higt hat. So bleibt man nicht den ganzen Tag mit diesem Bild im Kopf zurück.

Wenn ich abstil­len möchte, bevor ich zurück zur Arbeit gehe. Wie gehe ich da vor?
Das ist von verschie­de­nen Fakto­ren abhän­gig: Wie alt ist das Kind, welcher Still­rhyth­mus hat sich einge­pen­delt, wie viel Mutter­milch bildet die Mutter, isst das Kind bereits Brei oder trinkt es Schop­pen? Grund­sätz­lich gibt es zwei Vari­an­ten – das Abstil­len mit und ohne Medi­ka­mente. Ich empfehle Müttern jeweils, sich mindes­tens 6 bis 8 Wochen vor dem beruf­li­chen Wieder­ein­stieg Gedan­ken dazu zu machen und beispiels­weise in einer persön­li­chen Bera­tung zu schauen, wo das Kind in seiner Entwick­lung steht und welches Vorge­hen für sie stimmt.

Was empfeh­len Sie rund um das Abpum­pen am Arbeits­platz?
Wichtig ist hierbei, früh­zei­tig mit den Vorge­setz­ten am Arbeits­ort das Gespräch zu suchen und Fragen zu klären. Wo und wann stille ich oder pumpe ich ab, wo und wie kann ich die Mutter­milch aufbe­wah­ren? Die Unter­stüt­zung der Vorge­setz­ten ist wichtig, um Stress zu vermei­den. Hilf­rei­che Angaben darüber, wie viel Zeit stil­len­den Müttern im ersten Lebens­jahr ihres Kindes recht­lich zur Verfü­gung steht, wie die Mutter­milch gela­gert werden sollte oder zur Ernäh­rung mit der Baby­fla­sche und vielem mehr haben wir von der Mütter- und Väter­be­ra­tung in unseren kjz-Ratge­bern zusam­men­ge­stellt.

Die Unter­stüt­zung der Vorge­setz­ten ist wichtig, um Stress zu vermei­den.

Was, wenn das Abpum­pen nicht so gelingt, wie gewünscht?
Das Abpum­pen mit dem konkre­ten Termin des Wieder­ein­stiegs vor Augen setzt Mütter oft unter grossen Druck. Doch nicht bei allen Müttern lässt sich der Milch­s­pen­de­re­flex beim Pumpen gleich gut auslö­sen – es kann sein, dass es nicht so funk­tio­niert, wie man sich das vorge­stellt hat. Beginnt man rund 4 bis 6 Wochen vor Arbeits­be­ginn, sich damit vertraut zu machen und auszu­pro­bie­ren, schafft das in der Regel Ruhe. Dennoch ist es möglich, dass es am Ende doch nicht so klappt, wie gedacht. Sei es, weil sich das Stillen am Morgen oder das Abpum­pen im Geschäft zu stress­reich anfühlt oder das Teil­stil­len nicht gelingt, da weniger Milch produ­ziert wird. Ein Plan B mit Baby­mil­chen oder Brei als Ergän­zung entspannt die Situa­tion oft und ist für das Kind eine gute Alter­na­tive.

Gibt es Tricks, um die Ruhe für das Abpum­pen am Arbeits­platz zu finden?
Wichtig ist es, einen Ort dafür zu haben, an dem man sich wohl­fühlt und nicht gestört wird. Hilf­reich können auch beru­hi­gende Rituale sein, beispiels­weise das Trinken von Tee, ein warmer Wickel, eine Brust­mas­sage vor dem Abpum­pen oder auch ein Foto des Kindes in der Nähe. Wobei das natür­lich theo­re­tisch toll klingt – die Umset­zung vor Ort ist aber leider nicht immer so einfach. Hier ermun­tere ich die Mütter jeweils dazu, jene Lösung zu finden, die sich für sie und ihr Kind am entspann­tes­ten anfühlt.

Nadine Lamparter arbeitet seit 2014 als Mütter- und Väterberaterin im kjz Dübendorf

Nadine Lampar­ter

Nadine Lamparter arbeitet seit 2014 als Mütter- und Väterberaterin im kjz Dübendorf und war davor Stellvertreterin in den kjz Horgen und Dietikon. Sie hat einen Abschluss als Pflegefachfrau FH und hat während mehrerer Jahre in den Kinderspitälern Zürich und Lausanne gearbeitet. 2021 schloss sie zusätzlich zum Nachdiplomstudium Mütter- und Väterberatung ein CAS in entwicklungspsychologischer Beratung ab.