Auf dem Weg zu einer evidenzbasierten Jugendhilfe
Evidenzbasierte Methoden werden oft nicht angewandt, dass zeigen unsere Erfahrungen aus den Niederlanden. Wie kommt das? Drei Erkenntnisse haben uns geholfen dies zu verstehen.
Erstens, geht es beim evidenzbasierten Arbeiten nicht um «alles oder nichts». In der Methodenentwicklung gibt es verschiedene Niveaus, auf denen wir Wesentliches lernen können, darüber was Jugendlichen und ihren Familien hilft. Beim Niederländischen Jugendinstitut haben wir, um dies zu verdeutlichen, die sogenannte «Effektivitätsleiter» entwickelt. Ein Stufenmodell, das es erlaubt, den Erkenntnisstand systematisch abzubilden und gezielt zu erweitern. Es ist nämlich ein Trugschluss evidenzbasiertes Arbeiten einfach gleichzusetzen mit dem Einsatz von Methoden, die sich im statistischen Sinne als effektiv bewiesen haben, durch streng kontrollierte wissenschaftliche Vergleiche zwischen Interventions- und Kontrollgruppe. Unsere Erfahrung mit der «Datenbank Effektive Jugendhilfe» zeigt, dass diese Art der Forschung erst etwas für ein weit fortgeschrittenes Stadium ist. Mehrere wertvolle Schritte der Methodenentwicklung gehen dem voraus, die oft nicht im Fokus der Wissenschaft stehen. So ist es grundlegend wichtig zu beschreiben, was man tut, für wen und mit welchen Zielen. Man muss theoretisch gut begründen warum man meint, dass das, was man tut, auch wirklich hilft. Im Anschluss gilt es schrittweise zu überprüfen, ob es Anzeichen dafür gibt, dass man auch tatsächlich auf dem guten Weg ist: «Sind sie zufrieden mit den Hilfen? Verändert sich ihre Situation? Erreichen wir die gesetzten Ziele? Wie viele brechen die Hilfe ab? Warum?» All diese Fragen können uns bereits wesentliche Einsichten liefern, in das was wirksam ist und somit zu Verbesserung von Hilfen beiträgt. Erkenntnisse auf diesen Niveaus der «Effektivitätsleiter» und den weiteren tragen wesentlich dazu bei, dass eine Intervention evidenzbasiert ist.
Zweitens ist der geringe Implementierungsgrad von evidenzbasierten Methoden nicht auf eine vermeintlich «widerspenstige Praxis» zurückzuführen, sondern hauptsächlich auf die Art und Weise, wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über den Gebrauch von Wissen denken. Nicht die präzise Anwendung von Methoden ist das Ziel, sondern die Verbesserung der Ergebnisse für Kinder und Jugendliche. Methoden müssen flexibel benutzt und angepasst werden, um sich mit der Praxis zu verbinden, um praktisch zu sein. Wertvoll ist dies dann, wenn man dokumentiert, was man von den Anpassungen gelernt hat und dies mit Kolleginnen und Kollegen teilt. Unser Fachwissen hat unterschiedliche Quellen: wissenschaftliche Forschung, Berufserfahrung von Fachpersonen und Erfahrungsexpertise von Klientinnen und Klienten. Verbinden wir diese in einem gemeinsamen Lernzyklus, dann entsteht ein in seinem Wesen produktiver Prozess.
Drittens, ist das Monitoring der Ergebnisse eine wichtige Aufgabe in diesem Lernzyklus: Qualitativ – Erzählen – durch das Erfragen von Erfahrungen und Geschichten, und quantitativ – Zählen – durch das Beziffern wahrgenommener Ergebnisse. Diese beiden Aktivitäten sind in Gesprächen über Erfahrungen und Kennwerte zu verbinden, die uns bei einer kontinuierlichen Lernbewegung helfen. Nicht die regelgetreue Implementierung einer Methode ist es unserer Erfahrung nach, was evidenzbasiertes Arbeit auszeichnet, sondern ein gemeinsamer schrittweiser Lernprozess, indem verschiedene Wissensquellen sich gegenseitig zu ergänzen wissen bei der Beantwortung der Frage: «Was hilft wann für wen?» In den Niederlanden gibt es dafür einige gute Beispiele, die wir an dieser Stelle nicht ausführen können. Aber neugierig machen wollen wir und einladen, zum internationalen Austausch darüber, wie wir die Ergebnisse der Hilfen für Kinder und Jugendliche kontinuierlich verbessern können.
Prof. Dr. Tom van Yperen, Niederländisches Jugendinstitut und Universität Groningen
Dr. Tim Tausendfreund, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften