Prof. Dr. Tom van Yperen, Niederländisches Jugendinstitut und Universität Groningen, Dr. Tim Tausendfreund, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften

Auf dem Weg zu einer evidenzbasierten Jugendhilfe

Evidenz­ba­sierte Metho­den werden oft nicht ange­wandt, dass zeigen unsere Erfah­run­gen aus den Nieder­lan­den. Wie kommt das? Drei Erkennt­nisse haben uns gehol­fen dies zu verste­hen.

Erstens, geht es beim evidenz­ba­sier­ten Arbei­ten nicht um «alles oder nichts». In der Metho­den­ent­wick­lung gibt es verschie­dene Niveaus, auf denen wir Wesent­li­ches lernen können, darüber was Jugend­li­chen und ihren Fami­lien hilft. Beim Nieder­län­di­schen Jugend­in­sti­tut haben wir, um dies zu verdeut­li­chen, die soge­nannte «Effek­ti­vi­täts­lei­ter» entwi­ckelt. Ein Stufen­mo­dell, das es erlaubt, den Erkennt­nis­stand syste­ma­tisch abzu­bil­den und gezielt zu erwei­tern. Es ist nämlich ein Trug­schluss evidenz­ba­sier­tes Arbei­ten einfach gleich­zu­set­zen mit dem Einsatz von Metho­den, die sich im statis­ti­schen Sinne als effek­tiv bewie­sen haben, durch streng kontrol­lierte wissen­schaft­li­che Verglei­che zwischen Inter­ven­ti­ons- und Kontroll­gruppe. Unsere Erfah­rung mit der «Daten­bank Effek­tive Jugend­hilfe» zeigt, dass diese Art der Forschung erst etwas für ein weit fort­ge­schrit­te­nes Stadium ist. Mehrere wert­volle Schritte der Metho­den­ent­wick­lung gehen dem voraus, die oft nicht im Fokus der Wissen­schaft stehen. So ist es grund­le­gend wichtig zu beschrei­ben, was man tut, für wen und mit welchen Zielen. Man muss theo­re­tisch gut begrün­den warum man meint, dass das, was man tut, auch wirk­lich hilft. Im Anschluss gilt es schritt­weise zu über­prü­fen, ob es Anzei­chen dafür gibt, dass man auch tatsäch­lich auf dem guten Weg ist: «Sind sie zufrie­den mit den Hilfen? Verän­dert sich ihre Situa­tion? Errei­chen wir die gesetz­ten Ziele? Wie viele brechen die Hilfe ab? Warum?» All diese Fragen können uns bereits wesent­li­che Einsich­ten liefern, in das was wirksam ist und somit zu Verbes­se­rung von Hilfen beiträgt. Erkennt­nisse auf diesen Niveaus der «Effek­ti­vi­täts­lei­ter» und den weite­ren tragen wesent­lich dazu bei, dass eine Inter­ven­tion evidenz­ba­siert ist.

Zwei­tens ist der geringe Imple­men­tie­rungs­grad von evidenz­ba­sier­ten Metho­den nicht auf eine vermeint­lich «wider­spens­tige Praxis» zurück­zu­füh­ren, sondern haupt­säch­lich auf die Art und Weise, wie Wissen­schaft­le­rin­nen und Wissen­schaft­ler über den Gebrauch von Wissen denken. Nicht die präzise Anwen­dung von Metho­den ist das Ziel, sondern die Verbes­se­rung der Ergeb­nisse für Kinder und Jugend­li­che. Metho­den müssen flexi­bel benutzt und ange­passt werden, um sich mit der Praxis zu verbin­den, um prak­tisch zu sein. Wert­voll ist dies dann, wenn man doku­men­tiert, was man von den Anpas­sun­gen gelernt hat und dies mit Kolle­gin­nen und Kolle­gen teilt. Unser Fach­wis­sen hat unter­schied­li­che Quellen: wissen­schaft­li­che Forschung, Berufs­er­fah­rung von Fach­per­so­nen und Erfah­rungs­exper­tise von Klien­tin­nen und Klien­ten. Verbin­den wir diese in einem gemein­sa­men Lern­zy­klus, dann entsteht ein in seinem Wesen produk­ti­ver Prozess.

Drit­tens, ist das Moni­to­ring der Ergeb­nisse eine wich­tige Aufgabe in diesem Lern­zy­klus: Quali­ta­tiv – Erzäh­len –  durch das Erfra­gen von Erfah­run­gen und Geschich­ten, und quan­ti­ta­tiv – Zählen – durch das Bezif­fern wahr­ge­nom­me­ner Ergeb­nisse. Diese beiden Akti­vi­tä­ten sind in Gesprä­chen über Erfah­run­gen und Kenn­werte zu verbin­den, die uns bei einer konti­nu­ier­li­chen Lern­be­we­gung helfen. Nicht die regel­ge­treue Imple­men­tie­rung einer Methode ist es unserer Erfah­rung nach, was evidenz­ba­sier­tes Arbeit auszeich­net, sondern ein gemein­sa­mer schritt­wei­ser Lern­pro­zess, indem verschie­dene Wissens­quel­len sich gegen­sei­tig zu ergän­zen wissen bei der Beant­wor­tung der Frage: «Was hilft wann für wen?» In den Nieder­lan­den gibt es dafür einige gute Beispiele, die wir an dieser Stelle nicht ausfüh­ren können. Aber neugie­rig machen wollen wir und einla­den, zum inter­na­tio­na­len Austausch darüber, wie wir die Ergeb­nisse der Hilfen für Kinder und Jugend­li­che konti­nu­ier­lich verbes­sern können.

Prof. Dr. Tom van Yperen, Nieder­län­di­sches Jugend­in­sti­tut und Univer­si­tät Groningen
Dr. Tim Tausend­freund, Zürcher Hoch­schule für Ange­wandte Wissen­schaf­ten