Wissen rund um Bewegung, anschauliche Bewegungsideen sowie Bewegungsangebote des Kantons Zürich.
Zu den EmpfehlungenWie Sie Ihr Kind bei seiner Bewegungsentwicklung begleiten können
Kinder sind kleine Bewegungswunder. In kurzer Zeit durchlaufen sie beeindruckende Entwicklungen – vom Strampeln, zum Krabbeln, zum Stehen. Wie können Eltern sie auf diesem Weg begleiten? Zwei Mütter- und Väterberaterinnen im Gespräch
Beatrice Avduli und Liliane Erismann, wie kommt es zur rasanten Bewegungsentwicklung, kaum sind Kinder auf der Welt?
Beatrice Avduli: Wenn Kinder sich bereits als Baby genug bewegen können, läuft die Entwicklung von alleine ab. Dafür muss nichts gezielt geübt werden, Kinder tragen diese Veranlagung in sich. Auch bringen sie einen natürlichen Bewegungsdrang mit. Bei den einen ist dieser stark ausgeprägt – sie wollen unermüdlich überall hingelangen und stecken auch Frustrationen gut weg. Andere haben ein gemütlicheres Naturell. Wenn sie etwas nicht erreichen, suchen sie nach Alternativen in der Nähe oder quengeln vielleicht, bis Hilfe kommt. Temperament und Charakter spielen also mit, der Bewegungsdrang ist aber bei allen gesunden Kindern vorhanden. Bewegung kann auch nicht isoliert betrachtet werden, da spielt ganz viel zusammen.
Inwiefern?
Liliane Erismann: Über die Bewegung erwerben Kinder früh zahlreiche weitere Kompetenzen: Selbstwirksamkeit beim Greifen, räumliches Vorstellungsvermögen und Frustrationstoleranz beim Ausprobieren, Sprache und soziale Regeln, wenn sie sich auf andere zubewegen, und viele mehr. Daher ist Bewegung in der frühen Kindheit so wichtig. Der Bewegungsdrang nimmt stetig zu, bis er mit etwa sechs Jahren einen Höhepunkt erreicht und danach wieder zurückgeht.
Wie können Eltern ihr Kind bei der Bewegungsentwicklung begleiten?
BA: Bereits Babys wollen entdecken. Dazu greifen sie nach den Dingen in ihrem Umfeld. Anfänglich sind das noch unkoordinierte, zufällige Bewegungen. Mit der Zeit lernen sie, dass sie die Urheber ihres Tuns sind. Ihre Bewegungen werden koordinierter und jeder Erfolg motiviert zum Weitermachen, etwa auch zum Greifen nach Gegenständen ausserhalb ihrer Reichweite. Bei ihrer Entdeckungsfreude spielen die Eltern eine wichtige Rolle. Sie stärken ihr Kind in seiner natürlichen Motivation, indem sie sich mit ihm über all seine Errungenschaften freuen. Dabei sollten sie ihm diese nicht abnehmen oder vorschnell helfen. Vielmehr können sie beobachten, was schon klappt, sowie ihr Kind ermuntern, sich etwas zuzutrauen und weiterzumachen – mit bestärkenden Worten, Blickkontakt, freudiger Mimik und liebevoller Gestik. Ausserdem können sie eine anregende Umgebung schaffen, die zum Entdecken und Bewegen einlädt.
Begleitetes Spielen, Bewegen und Erforschen
Im Bewegungsraum kann ihr Kind frei spielen, sich im geschützten Rahmen bewegen und Neues entdecken. Als Eltern werden Sie durch Mütter- und Väterberaterinnen begleitet, Ihr Kind darin zu unterstützen. Ein kostenloses Angebot der kjz im Kanton Zürich.
Wie schaffen Eltern eine anregende Umgebung?
LE: Viele Eltern betten ihre Säuglinge gerne aufs Sofa zwischen Kissen, damit sie nicht herunterfallen können. Auch Babywippen oder Kindersitze sind praktische Alltagshelfer. So eingepackt können Babys aber zum Beispiel nicht lernen, sich vom Rücken auf den Bauch zu drehen. Die Umgebung sollte genügend Freiraum für den nächsten Entwicklungsschritt bieten. Für die Bewegungsentwicklung ist es unterstützend, wenn kleine Kinder so viel Zeit wie möglich auf dem Boden verbringen. Auch sollte die Umgebung entdeckenswert sein. Damit ist nicht eine möglichst grosse Auswahl an Spielsachen gemeint, im Gegenteil: Lieber weniger anbieten, dafür öfters austauschen. Wichtig ist auch, dass nicht alles direkt griffbereit liegt. Oft ist es erstaunlich, mit welcher Ausdauer Kinder einfachste Gegenstände erkunden, etwa Kellen, kleine Dosen, Kisten oder Handtaschen. Für Abwechslung sorgen zum Beispiel gut verschlossene PET-Flaschen gefüllt mit Steinchen oder Spielperlen.
Der Boden ist also die bewegungsförderlichste Lage für ein Baby?
BA: Eigentlich ja. Haben wir ein Kind bei uns auf dem Schoss oder tragen wir es, ist diese Position natürlich total spannend. Es erfährt sichere Nähe, hat aber den Überblick über das Geschehen und gleichzeitig die Hände zum Spielen frei. Sind Kinder oft in dieser Position, büsst der Boden an Attraktivität ein. Schliesslich braucht es da Rumpfstabilität und das bedeutet körperliche Anstrengung. Oft quengeln Babys dann schneller und die erste Reaktion ist, sie zu sich zu nehmen. Es hilft, wenn Eltern eine gute Balance finden, bei der verschiedene Positionen Platz haben und gleichwertig zum Zug kommen. Zur Orientierung gilt: Babys sollten möglichst nicht in Positionen gebracht werden, die sie mit eigener Muskelkraft noch nicht einnehmen können.
6 Anregungen rund um die Bewegungsentwicklung
- Ihr Kind erkundet gerne
Kinder möchten entdecken, indem sie zum Beispiel nach Dingen greifen. Gerade wenn etwas noch nicht auf Anhieb klappt, ist es für Eltern oft schwer, den kindlichen Frust auszuhalten. Selber ausprobieren ist aber wichtig. Sie ermuntern Ihr Kind, indem Sie ihm liebevoll Worte dafür geben, was es gerade versucht. Wenn Sie es mit Freude in Ihrer Stimme, Mimik und Gestik begleiten, machen alle Entdeckungen gleich noch mehr Spass – das verhilft oft zum fehlenden Quäntchen Durchhaltewillen. - Auftanken im sicheren Hafen
Bewegen heisst auch, sich von den Bezugspersonen zu entfernen. Ein Kind braucht dabei die Absicherung, dass es jederzeit zurückkommen kann – für eine versichernde Umarmung oder eine kurze Pause zur Verarbeitung des Neuentdeckten. Sobald Ihr Kind wieder Sicherheit hat, wird es weiterziehen. - Eine Ja-Umgebung fördert die Entdeckungsfreude
Eine Ja-Umgebung bedeutet: Ja, du darfst hier erkunden! Das kann Ihr Kind zum Beispiel, indem Sie ihm in Küche und Bad ein Kästli mit ungefährlichen «Darf-Sachen» einrichten, zum freien Ausräumen während Sie kochen oder duschen. Es hilft auch, heikle Gegenstände wie Zimmerpflanzen beiseitezustellen, Türen zu schliessen, scharfe Kanten weich abzudecken oder Steckdosen kindersicher zu verschliessen. - Ihr Kind ist gerne im Austausch
Kinder brauchen Aufmerksamkeit bei ihren Errungenschaften. Als Eltern können Sie diese nicht pausenlos bieten. Sie können aber auch beim Kochen, Waschen usw. im Austausch bleiben, etwa indem Sie Blickkontakt suchen oder liebevoll aus der Ferne beschreiben, was Ihr Kind gerade tut («Ah, du spielst mit der Kelle!»). Was immer hilft: Ohne Handy ist die Aufmerksamkeit ungestört. - Ihr Kind kann mehr ausprobieren, wenn es verschiedene Positionen einnehmen kann
Heute sind wir sehr mobil, auch mit noch kleinen Babys, sei es im Tragetuch oder Autositz. Besonders nach einer gewissen Zeit in eingeengter Position sollten Babys auf einem flachen Untergrund wieder selbst aktiv werden können. - Der Weg als gemeinsames Erlebnis
Im Alltag sind wir häufig unter Zeitdruck unterwegs und neigen dazu, die Kinder im Buggy zu transportieren. Kann sich Ihr Kind so oft wie möglich selbst bewegen und dabei sein eigenes Tempo einschlagen, dauert ein Weg zwar drei Mal so lange – so offenbaren sich aber Unmengen an Wunderbarem zum Entdecken!
Fragen zur Erziehung und Entwicklung Ihrer Kinder und zum Familienalltag? Die Fachleute unserer Kinder- und Jugendhilfezentren (kjz) beraten Sie gern.
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