10 Jahre Netz2

Case Management unterstützt Jugendliche, die durch alle Netze gefallen sind

Seit zehn Jahren betreuen Case Mana­ge­rin­nen und Case Manager im Rahmen des Ange­bots Netz2 Jugend­li­che mit soge­nann­ten Mehr­fach-Proble­ma­ti­ken auf dem Weg zu einem Sek-II-Abschluss. Das Team um Leiter Matthias Fusze­necker hat dabei Pionier­ar­beit geleis­tet und Netz2 zu einem erfolg­rei­chen Angebot entwi­ckelt, das enorm nach­ge­fragt wird. 

Ehrli­che Begeis­te­rung und Befrie­di­gung klingen in Matthias Fusze­neckers Stimme mit, wenn er sagt: «Wir sind ja bei Netz2 alle irgend­wie Pioniere, die das Angebot und unser Konzept selbst aufge­baut haben. Alle haben das genauso mitge­stal­tet, wie wir es für sinn­voll halten. Finde mal eine Arbeits­stelle, die du von Grund auf aufbauen und immer mitge­stal­ten kannst, damit du deinen Klien­tin­nen und Klien­ten best­mög­li­che Unter­stüt­zung anbie­ten kannst.» Und dabei ist die Arbeit die er da beschreibt ganz sicher kein Zucker­schle­cken. Fusze­necker leitet das Netz2, ein Angebot das Kantons Zürich, in dem Jugend­li­che mit so genann­ten Mehr­fach-Proble­ma­ti­ken aus schein­bar ausweg­lo­sen Situa­tio­nen zu einem Sek-II-Abschluss, also einem Lehr­ab­schluss oder der Matu­ri­tät, beglei­tet werden sollen.

Die jungen Menschen, mit denen Fusze­necker und zehn weitere Case Mana­ge­rin­nen und Manager beim Amt für Jugend und Berufs­be­ra­tung und dem Lauf­bahn­zen­trum Zürich arbei­ten, kommen mit den unter­schied­lichs­ten Proble­men zu Netz2. Das können körper­li­che oder psychi­sche Gesund­heits­pro­bleme sein, dysfunk­tio­nale Fami­li­en­si­tua­tio­nen, prekäre Wohn­si­tua­tio­nen, Über­for­de­rung in der Schule oder im Sozi­al­le­ben oder Sucht­mit­tel­ge­schich­ten – und das immer gleich in verschie­de­nen Kombi­na­tio­nen ange­häuft. «Wir sind alles Opti­mis­ten und absolut über­zeugt von der Arbeit, die wir machen», sagt Matthias Fusze­necker. Sie seien mit ihren Klien­tin­nen und Klien­ten vor allem am Anfang auf ganz kleine Schritt­chen fokus­siert, denn zu mehr seien die Jugend­li­chen gar nicht in der Lage, weil sie «in so insta­bi­len Zustän­den und verletz­lich sind».

Erfolg von Netz2 war abseh­bar

Der Netz2-Leiter weiss wovon er redet, hat er das Angebot vor über zehn Jahren doch von Grund auf mitkon­zi­piert und gestal­tet. Zunächst als Projekt des Bundes im Jahr 2008 als Teil eines Konjunk­tur­pro­gramms ins Leben gerufen, hat inzwi­schen der Kanton Zürich die Verant­wor­tung und Finan­zie­rung über­nom­men. Dass das Angebot von Netz2 aber ein Erfolg werden würde, war sofort abseh­bar. Das Thema Case Manage­ment in der Berufs­be­ra­tung sei damals schon länger rumge­geis­tert, erin­nert sich Fusze­necker, und als die ersten Case Mana­ge­rin­nen und Manager im August 2010 ange­fan­gen haben und sich bei verschie­de­nen Stellen und Schulen vorstel­len gegan­gen sind, hätten sie buch­stäb­lich «offene Türen einge­rannt».

500 bis 1000 Jugend­li­che könnten pro Jahr für Netz2 in Frage kommen, schätzte man damals. Tatsäch­lich reichen die Kapa­zi­tä­ten von Netz2 für durch­schnitt­lich rund 75 neue Fälle pro Jahr. Mit einer 100-Prozent-Stelle kann eine Case Mana­ge­rin­nen maximal 30 Jugend­li­che paral­lel betreuen. «Die Annahme vor dem Start lautet 100 Jugend­li­che pro 100 Stel­len­pro­zent», sagt Fusze­necker. Das sei aber ziem­lich schnell revi­diert worden. 830 Jugend­li­che sind es tatsäch­lich, die in zehn Jahren vom Netz2-Angebot profi­tiert haben. Rund ein Drittel davon (237) hat die Betreu­ung früh­zei­tig abge­bro­chen. 175 Jugend­li­che befin­den sich aktuell in Betreu­ung und 419, etwas mehr als die Hälfte aller Fälle, wurde erfolg­reich abge­schlos­sen.

Abbrü­che sind keine Nieder­la­gen

Abge­schlos­sen werden Fälle dann, wenn sie das Ziel Sek-II-Abschluss erreicht haben, oder wenn die Jugend­li­chen in einem so stabi­len Umfeld einge­bun­den und auf dem Weg zum Abschluss sind, dass sie den Weg auch ohne Netz2-Betreu­ung beschrei­ten können, erklärt Matthias Fusze­necker. Im Durch­schnitt befin­den sich Jugend­li­che, die erfolg­reich durch Netz2 gehen, 970 Tage in Betreu­ung. Und auch Fälle, die in einem Abbruch enden, dauern im Schnitt 535 Tage, also mehr als andert­halb Jahre. Aber auch diese Jugend­li­chen profi­tie­ren nach­hal­tig von der Betreu­ung und Zusam­men­ar­beit mit ihren Case Mana­ge­rin­nen und Mana­gern. «Die Jugend­li­chen nehmen unser Angebot frei­wil­lig in Anspruch, das heisst, am Anfang muss ihre Bereit­schaft, sich auf uns einzu­las­sen, vorhan­den sein», sagt der Netz2-Leiter dazu. Die Zusam­men­ar­beit sei dann sehr inten­siv und zunächst schaue man darauf, die grund­le­gende Lebens­si­tua­tion zu verbes­sern. Dazu gehöre etwa das Eröff­nen eines Bank­kon­tos, das Klären der Wohn­si­tua­tion, der Gang auf alle invol­vier­ten Ämter oder die Anmel­dung bei der IV. «Selbst wenn also ein Jugend­li­cher nach einer gewis­sen Zeit beschliesst, dass er oder sie unser Angebot nicht mehr will, so bleibt das, was wir bis dahin zusam­men erar­bei­tet haben meis­tens bestehen, und das bedeu­tet für diese Jugend­li­chen bereits einen grossen Fort­schritt.»

Auf die nächs­ten zehn Jahre blickt Fusze­necker auf jeden Fall – wie es der Natur des Case Mana­gers ja offen­bar entspricht – opti­mis­tisch. In wenigen Jahren soll Netz2 unter einem gemein­sa­men Dach arbei­ten, ganz physisch. Denn jetzt sitzen die acht Case Mana­ge­rin­nen und Manager des AJB über den Kanton verteilt, in ihrer Funk­tion mehr oder weniger auf sich alleine gestellt, in ihren Büros. «Der persön­li­che, fach­li­che Austausch kommt da, trotz regel­mäs­si­ger Team­mee­tings, Inter­vi­sio­nen und einer jähr­li­chen Retraite, zu kurz», findet der Netz2-Leiter. Zudem glaubt er, dass die Zusam­men­ar­beit mit den zahl­rei­chen verschie­de­nen Stellen im Kanton in den nächs­ten Jahren einfa­cher wird, «weil wir in den letzten Jahren viel gute Aufbau- und Vernet­zungs­ar­beit geleis­tet haben. Inzwi­schen kennen viele Fach­stel­len unser Angebot und schät­zen die Zusam­men­ar­beit mit den Netz2-Mitar­bei­ten­den.»