Schreibaby – Eltern erzählen

«Das viele Schreien brachte uns an die Grenzen, beinahe auch ans Ende unserer Beziehung»

Alle Babys schreien gele­gent­lich. Einige schreien aber deut­lich öfters. So oft und während endlo­ser Stunden, dass es die Eltern bei aller Liebe komplett erschöp­fen kann. In zwei Erfah­rungs­be­rich­ten erzäh­len Betrof­fene, was das für sie bedeu­tete und was ihnen damals gehol­fen hätte.

Ein Erfah­rungs­be­richt von Clau­dine Laube*

Nie hätte ich gedacht, dass ein Kind so belas­tend sein kann. Verzwei­felt versuch­ten wir, Elsa* zu beru­hi­gen, doch es gelang uns einfach nicht. Hinzu kam, dass mein Mann damals geschäft­lich viel im Ausland war. Ich war oft mit Elsa alleine. Wenn er zurück­kam, war er müde, kam noch schnel­ler an seine Grenzen und hatte natür­lich auch keine Kraft mehr, mich zu unter­stüt­zen. Es gab immer Streit. Nach­träg­lich denke ich, dass unsere Bezie­hung schwer auf der Kippe stand.

Fragi­les Mutter­glück

Die Momente, in denen ich mein Baby genies­sen konnte, mich darüber freute, Mami gewor­den zu sein, waren selten. Vor der Geburt stellte ich mir etwa gemein­same Spazier­gänge unglaub­lich schön vor. Doch Elsa liess sich nicht gerne im Tuch tragen, stiess sich immer von mir weg und weinte.

Verzwei­felt versuch­ten wir, Elsa zu beru­hi­gen. Doch es gelang uns einfach nicht.

Zu Beginn kam ich nur ganz schlecht damit zurecht. Ich verstand es nicht. Ich, eine gelernte Pfle­ge­fach­frau, kann mein eigenes Kind nicht beru­hi­gen? Man vergleicht sich dann mit anderen, sieht, dass andere Babys nicht so viel weinen. Schnell sind da Gedan­ken wie «Ich mache es falsch» oder «Ich kanns nicht». Das geht einem nahe. 

Viele Ratschläge, wenig Hilfe

Längere Zeiten am Stück ohne Weinen gab es selten, abends weinte Elsa sicher zwei bis drei Stunden durch. Sie weinte auch weit über die ersten drei Monate hinaus. Zwar trank Elsa gerne an der Brust und so stillte ich sie möglichst oft, nahm selbst mit ihr an der Brust mein Abend­essen ein, um wenigs­tens eine Vier­tel­stunde am Tag für mich zu haben. Doch kaum ein Trick funk­tio­nierte länger­fris­tig. Auch den Nuggi nahm Elsa nicht. Die Rettung war schliess­lich ihr Daumen – Elsa hat heute zum Glück dennoch die schöns­ten Zähne in der Familie.

In dieser Zeit ist man sehr dünn­häu­tig. Dann kommen die vielen Ratschläge, obwohl man ja selber schon alles Erdenk­li­che auspro­biert hat. Einmal war ich so am Ende, dass ich mich an eine Fach­stelle wendete. Doch ich wurde nicht ernst genom­men. Weiter fragte ich kaum nach Hilfe. Hätte man mir Hilfe ange­bo­ten, ich hätte aber wohl kaum nein gesagt.

Schnell sind da Gedan­ken wie ‹Ich kanns nicht›. Das geht einem nahe. 

Gerade der Austausch mit anderen Betrof­fe­nen hätte mir rück­bli­ckend sicher gut getan. Ich dachte wirk­lich, ich wäre die Einzige mit einem so kompli­zier­ten Kind, stand unter Dauer­strom. Kochen, duschen, anzie­hen – ich machte alles im Eiltempo, in perma­nen­ter Erwar­tung, das Schreien gehe jeden Moment wieder los. Diese Dauer­an­span­nung ist rück­bli­ckend betrach­tet verrückt. Ich glaube daher auch, dass Elsa in dem Moment ruhiger wurde, in dem auch ich mehr entspan­nen konnte. So wurde das Weinen mit sechs Monaten langsam weniger.

Schwie­rige Zeiten kann man wett­ma­chen

Aggres­sio­nen gegen­über meinem Kind hatte ich zum Glück nie. Ich fühlte nur einen so furcht­bar grossen Stress. Die Bezie­hung zum Kind war aber schon belas­tet. Ich glaube aber, davon darf man sich nicht fertig machen lassen. Später kann man das wieder aufho­len und wett­ma­chen.

Was ich anderen Eltern empfeh­len würde

Rück­bli­ckend empfehle ich allen Betrof­fe­nen: Holt euch Hilfe. In einem ersten Schritt viel­leicht bei einer Vertrau­ens­per­son, die sich Zeit nimmt. In einem zweiten Schritt aber auch bei einer Fach­stelle. Ich glaube schon: Hätte ich damals gewusst, was ich heute über exzes­si­ves Schreien weiss – es hätte mich enorm entlas­ten können.

* Namen durch die Redak­tion geän­dert

Drei Empfeh­lun­gen von kjz-Exper­tin Nadine Lampar­ter

  1. Exzes­si­ves Weinen kann Eltern an ihre Grenzen bringen. Es kann Verzweif­lung, Erschöp­fung, aber auch Wut auslö­sen. Reden Sie über diese Gefühle.
  2. Babys, die viel weinen, sind oft schwie­rig zu «lesen». Meist lassen sich durch genaues Hinschauen und die Hilfe von Fach­per­so­nen nütz­li­che Stra­te­gien finden. Zögern Sie nicht, früh Hilfe zu holen.
  3. Schüt­teln Sie auf keinen Fall Ihr Kind! Selbst leich­tes Schüt­teln des Kindes kann lebens­ge­fähr­lich sein. Wenn Sie am Ende Ihrer Kräfte sind und wütend auf das Kind werden, legen Sie es ins Bett oder an einen siche­ren Ort und verlas­sen Sie das Zimmer.
    Es ist besser, das Kind kurz weinen zu lassen, als etwas Unüber­leg­tes zu tun.

Mehr zum Thema im Beitrag mit der kjz-Exper­tin Ladine Lampar­ter

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