«Dini Mueter» – Eine Mamakolumne von Yonni Moreno Meyer

«Entspannte Eltern haben entspannte Kinder» – JA GENAU

Mein Sohn ist nun etwas über acht Monate alt. Darüber bin ich aus unter­schied­lichs­ten Gründen froh. Einer­seits ist nun wohl defi­ni­tiv klar, dass unser Kind kein Nuggi-Kind ist. Zwar wäre ein solcher in manch einer Situa­tion wohl nütz­lich – das Ding heisst im Engli­schen ja nicht zufäl­lig «Paci­fier», also «Beru­hi­ger» - aber wenn ich mir so anschaue, was ich sonst schon alles ständig und überall verliere, würde mitt­ler­weile wohl ein kleines Vermö­gen in Nuggi­form auf den Stras­sen Zürichs rumlie­gen.

Des Weite­ren kann ich nun auch endlich sagen, dass mein Kind acht Monate alt ist und muss das nicht mehr in Wochen umrech­nen, was ich dann entwe­der ziem­lich debil an meinen Fingern abzäh­len oder in der Agenda nach­schauen gehen musste, was mir jeweils etwas pein­lich war, weil «MAN WEISS DOCH, WIE ALT SEIN KIND IST, ALSO BITTE».

Und dann ist da noch etwas Letztes, was für mich nun defi­ni­tiv fest­steht: Den Term «Entspannte Eltern haben entspannte Kinder» sollte man für immer und ewig aus dem Eltern­vo­ka­bu­lar verban­nen. Ich sage das nicht, weil ich finde, ich sei entspannt und mein Kind nicht. Im Gegen­teil. Wir haben ein totales Anfän­ger­baby bekom­men. Der kleine Dude hat schon sehr früh durch­ge­schla­fen, was er mitt­ler­weile nicht mehr tut, da er am Zahnen ist. Aber auch da: Klar, es gibt Momente, da muss er wahn­sin­nig fest weinen. Verständ­li­cher­weise, wächst ihm schliess­lich gerade ein Stück Skelett durchs Zahn­fleisch. Aber vergli­chen mit anderen Babys ist er sogar hier von der sehr gechill­ten Sorte. Ein biss­chen Zahn­creme, einen gekühl­ten Kauring und schon kann er wieder sein mit zwei halben Zähn­chen geschmück­tes Lächeln lachen.

Aber wissen Sie, wer – vor allem anfangs – alles andere als entspannt war? Moi. Ich bin der Beweis, dass sehr unlo­ckere Mütter sehr lockere Kids haben können, ohne dass sie irgend etwas dafür getan hätten.

Auf der anderen Seite sehe ich viele junge Eltern, die viel relax­ter sind als ich und die wahn­sin­nig anstren­gende Kinder haben. Das suchen weder sie noch die Kinder sich aus. Das ist einfach so.

Meiner Erfah­rung gemäss stimmt also dieser Spruch einer­seits nicht und ande­rer­seits macht er darüber hinaus die Annahme, gewisse Eltern seien selbst dafür verant­wort­lich, wenn sie Babys haben, die sehr anstren­gend sind. Ich glaube, alle, die Kinder haben, merken sehr schnell, dass diese Mensch­lein trotz ihrer Winzig­keit schon über­haupt nicht mehr winzige Persön­lich­kei­ten haben können. Manch­mal dünkt es mich, als ginge verges­sen, dass Kinder keine leeren Blätter Papier sind, die wir nach Gutdün­ken bemalen können, sondern dass sie durch­aus schon einen Charak­ter mitbrin­gen und der muss nicht gezwun­ge­ner­mas­sen mit demje­ni­gen der Eltern über­ein­stim­men.

Hat man ein Schreibaby und/oder kann über Monate kaum schla­fen, dann braucht man jeman­den, der zuhört, der mitfühlt, der einen ernst nimmt und einen viel­leicht da und dort sogar ein wenig unter­stützt – z. B. mal eine Stunde oder zwei «Wägelen» geht, damit die Mutter oder der Vater sich einen Moment hinle­gen und sich ausru­hen können. Was man in solchen Über­for­de­rungs­mo­men­ten voller Schlaf­manko, Kotze auf dem Tshirt und brül­len­dem Kind im Arm sehr fest nicht braucht, sind Ratschläge irgend­ei­ner entfern­ten Bekann­ten, wie «Bis nöd truurig» oder «Muesches nur positiv aaluege» oder eben dieses verma­le­deite «Muesch di nur mal chli entspanne, entspannti Eltere händ entspannti Chind».

Weisch wer chan sich entspanne, Margrit? Dini Mueter.

Vill Liebi,
Yonni

Yonni Moreno Meyer

Yonni Moreno Meyer (*1982) ist Psychologin und schreibt seit sieben Jahren als Pony M. Kolumnen und macht Stand Up-Comedy. Im Oktober 2019 wurde sie Mutter ihres Sohnes Nicolas. Seither lernt sie sich, ihre Beziehung und das Leben selbst neu kennen – wenigstens schreiben sich die Comedy-Nummern nun selbst.