Päckli-Management

Ein Weihnachtsgeschenk kommt selten allein

Die Besche­rung unter dem Tannen­baum soll für Kinder etwas Beson­de­res sein. Das Päckli-Manage­ment ist für Eltern und Ange­hö­rige aber nicht immer einfach. Was ist sinn­voll, was zu viel? Und über­haupt: Sind Geschenke eigent­lich etwas Gutes? Die Erzie­hungs­be­ra­te­rin Ursina Ehren­sper­ger gibt dazu ein paar Inputs.

Kerzen flackern, Lametta glit­zert, Kinder­au­gen leuch­ten – und die fest­lich deko­rierte Stube versinkt hinter einem Berg von Papier und Verpa­ckun­gen. O du fröh­li­che? Na ja.

Natür­lich, den Verkauf freut’s. Doch während die Kassen klin­geln, die Glöck­lein klingen und das Christ­kind kommt, läuten unter manchem Tannen­baum die Alarm­glo­cken: Kinder sind über­for­dert, Eltern ausge­laugt. Schade eigent­lich, gelte es doch wenigs­tens für unsere Kleinen, den Zauber der Weih­nachts­zeit zu erhal­ten. Doch wie, wenn schon das Päckli-Manage­ment bei vielen Müttern und Vätern puren Stress auslöst?

Dem Konsum Einhalt gebie­ten

Herun­ter­fah­ren könnte die Zauber­for­mel heissen. Also ganz bewusst den Rhyth­mus des Alltags verlang­sa­men, um einer vorweih­nacht­li­chen Stim­mung Raum zu geben. Auch eigene Erwar­tun­gen und Perfek­ti­ons­an­sprü­che können getrost redu­ziert werden – und die Anzahl Geschenke sowieso.

Ja, auch wenn (oder gerade weil) wir Weih­nach­ten mit üppigem Feiern verbin­den, spricht einiges dafür, die eigene Konsum­hal­tung zu hinter­fra­gen. Da sind etwa Klima­er­wär­mung, Vermül­lung der Meere und Vergif­tung der Umwelt, die durch unsere Konsum- und Wegwerf­ge­sell­schaft erst recht befeu­ert werden: Ein Thema übri­gens, das am vorweih­nacht­li­chen Fami­li­en­tisch durch­aus Diskus­sio­nen eröff­nen und die tradi­tio­nelle Advents­ge­schichte ergän­zen könnte. Kinder sind dankbar, wenn sie verant­wor­tungs­voll mitden­ken dürfen, und machen sich gern eine Meinung zu wich­ti­gen Themen.

Weiter stehen auch Entwick­lungs­psy­cho­lo­gie und Hirn­for­schung dem gängi­gen Konsum kritisch gegen­über. So schreibt etwa der Neuro­bio­loge Gerald Hüther in seinem Buch «Was schen­ken wir unseren Kindern?», der über­trie­bene Fokus aufs Mate­ri­elle veran­kere sich schon früh in den Netz­werk­struk­tu­ren des kind­li­chen Gehirns: «Das ganze Denken, Fühlen und Handeln dreht sich dann nur noch darum, was man alles bekommt und was man sich beschaf­fen kann», gibt Hüther zu beden­ken. So werde der ange­bo­rene offene Blick der Kinder verengt.

Weih­nachts­ge­schenke ja – aber mit Bedacht

Kommt dazu, dass viele Kinder von Geschenk­ber­gen oft masslos über­for­dert sind. All die Reize zu verar­bei­ten, gelingt ihnen kaum. Sie bündeln ihre Aufmerk­sam­keit, indem sie sich auf ein bestimm­tes – oft ist es das grösste – Geschenk fokus­sie­ren. Ein klei­ne­res Geschenk, das für sich gesehen eigent­lich ganz toll wäre, geht in der Masse unter, was für die Betei­lig­ten oft frus­trie­rend ist. Ein einzi­ges, grös­se­res Päckli würde so gesehen durch­aus reichen. Auch indem das Feiern auf mehrere Weih­nachts­tage verteilt wird, lässt sich die kind­li­che Über­for­de­rung abfan­gen. So, dass Klein und Gross die Besche­rung in klei­ne­ren Häpp­chen, dafür in volle­ren Zügen genies­sen können.

Genies­sen – das ist es nämlich! Schliess­lich bringen die Fest­tage auch Wärme, Kerzen­schein und Guets­li­duft in die gute Stube. Und Hand aufs Herz: Was wären Weih­nach­ten ohne ein paar Päckli unter dem liebe­voll geschmück­ten Baum? Tatsäch­lich hat das Schen­ken auch sein Gutes. So lernen Kinder etwa, dass das Ritual auf gegen­sei­ti­gem Geben und Nehmen beruht und es eine Chance bietet, sich mit seinen Liebs­ten einfühl­sam ausein­an­der­zu­set­zen.

Die gute, alte Wunsch­liste

Damit kind­li­che Wünsche nicht verfehlt werden und sich in unbrauch­ba­ren Schrott verwan­deln, dürfen durch­aus auch Listen herhal­ten: Wer wünscht sich was? Welche Wünsche sind realis­tisch, welche weniger? Diese Fragen müssen Eltern mit ihren Kindern im Voraus klären. Zudem: Wie wär’s mit Unkon­ven­tio­nel­lem, etwa einem Skitag oder einem Ausflug in den Klet­ter­park? Viel­leicht gibt es ein Zeit­schrif­ten-Abo, über das sich das Kind freuen könnte? Bei Teen­agern darf’s auch mal Geld sein.

Ausga­ben für Geschenke: Weniger ist mehr

Bleibt die Frage, wie viel ein Geschenk eigent­lich kosten soll und darf. Eine Faust­re­gel gibt es nicht – Konsum­stile und Bräuche sind indi­vi­du­ell und finan­zi­elle Möglich­kei­ten von Familie zu Familie verschie­den. Laut einer Umfrage des Online-Shop­ping-Portals «Profi­tal» haben im Jahr 2021 insge­samt 59 % der Schwei­ze­rin­nen und Schwei­zer über 50 Franken pro Weih­nachts­ge­schenk ausge­ge­ben. 10 % sogar über 200 Franken. Umge­münzt auf eine Empfeh­lung gilt aber auch hier: weniger ist mehr. Dabei liesse sich ein grös­se­rer Wunsch wie ein Snow­board oder ein Velo auch als Gemein­schafts­ge­schenk orga­ni­sie­ren.

Ohnehin ist der Geld­wert für Kinder zweit­ran­gig. Das grösste Geschenk, das man ihnen machen kann, besteht zwei­fels­ohne in Aufmerk­sam­keit und Wert­schät­zung. Viel davon, das ganze Jahr über und an Weih­nach­ten erst recht. Auf dass Kinder­au­gen leuch­ten, der Rhyth­mus des Alltags sich verlang­same – und der Zauber dieser Zeit erhal­ten bleibe!