«Englisch ist in vielen Branchen allgegenwärtig»
Im bilingualen Unterricht entwickeln Lernende berufsrelevante Kompetenzen auf Deutsch und Englisch. Damit verbessern sie nicht nur ihre Sprachkenntnisse, sondern auch ihre beruflichen Perspektiven im In- und Ausland. Ausserdem erleichtert der bilinguale Unterricht den Zugang zu einer Weiterbildung via Berufsmaturität, Höhere Berufsbildung oder Hochschule. «fürs Leben gut» hat mit zwei Personen gesprochen, die auf unterschiedliche Weise mit dem bilingualen Unterricht verbunden sind und die die Bedeutung von Englisch in der Berufswelt aus eigener Erfahrung kennen.
Nicolas Wegmann (27) liess sich nach der obligatorischen Schulzeit zum Elektroinstallateur ausbilden. Während seiner vierjährigen Lehre besuchte er an der Berufsfachschule bilingualen Unterricht. Im Anschluss an die Lehre arbeitete er knapp dreiviertel Jahre auf dem Beruf, bevor er die Berufsmaturitätsschule absolvierte. Auf die BMS folgte ein Studium in Elektrotechnik. Er blieb danach dem akademischen Weg treu und arbeitet bis heute Teilzeit als wissenschaftlicher Assistent am Institute of Embedded Systems (InES) der ZHAW. Ausserdem unterrichtet er an der Berufsschule Bülach als Klassenlehrer drei Elektroinstallateur-Klassen und macht parallel dazu das didaktische Basismodul.
Herr Wegmann, Sie besuchten während Ihrer Berufsbildung zum Elektroinstallateur den bilingualen Unterricht. Was hat Sie dazu bewogen?
Ich kam dank des beherzten Engagements der Hauptlehrerin zum bilingualen Unterricht. Sie betrat am ersten Schultag das Klassenzimmer und fing sogleich an Englisch zu sprechen. Wir Schülerinnen und Schüler schauten uns fragend an und dachten, wir sässen im falschen Zimmer. Das war aber nicht der Fall.
War dies also der Entscheid der Lehrerin oder stand ein Entscheid der Schule dahinter?
Da bin ich nicht sicher. Jedenfalls hat uns die Lehrerin ein Geschenk mit auf den Weg geben. Rückblickend betrachtet ist es wirklich ein Geschenk. Sie hat uns ermöglicht, auf unverkrampfte, praktische Weise Englisch zu lernen.
Wie war der bilinguale Unterricht in Ihre Berufsbildung integriert?
Bei uns wurde der allgemeinbildende Unterricht zweisprachig geführt. Es ging anfangs um die mündliche Sprache. Die Unterrichtsmaterialien waren nur teilweise in Englisch; das Lehrmittel lag auf Deutsch vor. Gegen Ende der Ausbildung hatte uns die Lehrerin die Wahl gelassen, die Prüfungen in Deutsch oder Englisch abzulegen. Das galt auch für die Lehrabschlussprüfung in diesem Fach. Wir konnten entscheiden, ob wir die Lehre bilingual abschliessen wollten, was im Lehrabschlusszeugnis entsprechend vermerkt wurde.
Ohne meine Englischkenntnisse hätte ich an der BMS keine Chance gehabt.
Ein Fach kann auf ganz verschiedene Arten zweisprachig geführt werden. Wie hat dies Ihre damalige Lehrerin gemacht?
Wir hatten im Unterricht immer die Möglichkeit, die Fragen der Lehrerin auf Deutsch oder Englisch zu beantworten. Sie hingegen sprach so viel Englisch wie möglich. So bekamen wir die Sprache ins Ohr und entwickelten ein Gefühl dafür. Pädagogisch wertvoll war, dass sie uns nicht bei jedem Fehler korrigiert hatte. Dadurch begannen wir, ohne Hemmungen Englisch zu sprechen.
Hat Sie der bilinguale Unterricht überzeugt?
Am Anfang fühlte ich mich ins kalte Wasser geworfen. Ich hatte mich für eine technische Lehre entschieden, weil ich mit Sprachen nichts zu tun haben wollte. Nach etwa einem halben Jahr war die englische Sprache aber zur Selbstverständlichkeit geworden. Ich konnte zwar nicht alles verstehen, doch es gelang mir, die Botschaften aus dem Kontext heraus zu entschlüsseln. So entwickelte ich Freude an der Sprache und versuchte vermehrt, mit der Lehrerin Englisch zu sprechen. Diesen Prozess konnte ich auch bei den anderen Lernenden feststellen.
Haben Ihnen die Englisch-Kenntnisse bereits während Ihrer Lehre geholfen?
Ja, sehr viel. In meinem Lehrbetrieb beherrschten nur sehr wenige Mitarbeitende Englisch. Da wir auch mit englischsprachigen Kunden zu tun hatten, wurde ich schon früh im Service eingesetzt. Das kam einem Ritterschlag gleich. Ich musste auf weniger Baustellen arbeiten. Das bedeutete, im Hochsommer weniger schwitzen und im Winter weniger frieren. Der bilinguale Unterricht hat mir auch an der BMS sehr geholfen. Ohne meine bereits erworbenen Englischkenntnisse hätte ich dort keine Chance gehabt, denn der gesamte Unterricht erfolgte in Englisch.
Bilingualer Unterricht ist wie ein Sprachaufenthalt: Du lernst auf praktische Weise eine Sprache.
Welchen Stellenwert hat Englisch in Ihrem Berufsalltag?
Einen grossen. In meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Assistent an der ZHAW arbeite ich mit verschiedenen Unternehmen zusammen, die Englisch als Hauptsprache etabliert haben. Das führte schon zur Situation, dass an einer Sitzung zwar alle Schweizerdeutsch verstanden hätten, die Sitzung aber wie selbstverständlich auf Englisch durchgeführt wurde. Hinzu kommt, dass die wissenschaftlichen Artikel praktisch ausnahmslos in Englisch verfasst sind und ich bei Recherchen mit englischen Suchbegriffen schneller zu relevanten Informationen komme.
Haben sich Ihre Englischkenntnisse auf den Verlauf Ihrer Karriere ausgewirkt?
Ich vermute es. Ich hätte wohl nicht einen akademischen Weg eingeschlagen, wenn ich während der Berufslehre keinen unverkrampften Zugang zur englischen Sprache erhalten hätte. Die BMS als Vorbedingung für mein Studium in Elektrotechnik hätte ich ohne meine Englischkenntnisse nicht gemeistert.
Welchen Zugang haben Sie grundsätzlich zu Fremdsprachen?
Für mich sind Sprachen Mittel zum Zweck. Es geht mir meist nicht darum, grammatikalisch perfekt zu kommunizieren, sondern in erster Linie Informationen verständlich zu transportieren. Das versuche ich auch meinen Schülerinnen und Schülern zu vermitteln, wenn es darum geht, sie für das Erlernen von Fremdsprachen zu motivieren. Zuerst geht es darum, die Sprache kennenzulernen, sie auszuprobieren und ein Gefühl für sie zu entwickeln. Die Perfektion kommt später.
Weshalb empfehlen Sie Schülerinnen und Schülern den bilingualen Unterricht?
Englisch ist in vielen Branchen allgegenwärtig und in der Berufswelt ein Türöffner. Ich habe durch den bilingualen Unterricht Sprachkenntnisse erworben, die es mir erlauben, die Sprache anzuwenden. Durch den Bezug zum Beruf hat sie einen Nutzen bekommen. Bilingualer Unterricht ist wie ein Sprachaufenthalt: Du lernst auf praktische Weise eine Sprache.
«bili» – bilingualer Unterricht im Kanton Zürich
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