Verpuppung zur erfolgreichen Modedesignerin
Ich gestalte mein Leben so, dass ich immer zufrieden bin. Sobald ich unzufrieden werde, schlage ich sofort einen anderen Weg ein. Ich brauche dann eine Verwandlung, die mich weiterbringt. Zu diesem Thema habe ich eine ganze Kollektion kreiert, sie trägt den Namen Metamorphosis: Wandel. Die Metamorphose macht aus mir das, was ich sein will, und meine Kleider machen dasselbe mit ihren Trägerinnen. Mit Kleidern kann man so viel erreichen, sie tragen viel zum Selbstbewusstsein eines Menschen bei. Schon bei kleinen Mädchen, die sich verkleiden, geht es um mehr als nur Verkleiden: Man verpuppt sich in dem Moment zu etwas, was man sein möchte oder anstrebt. Zuletzt stand ich 2015 vor einer grösseren Metamorphose, als ich über ein eigenes Label nachzudenken begann. Davor habe ich fast zwanzig Jahre in der Fashion-Branche gearbeitet, in verschiedensten Berufen und Tätigkeiten. Heute bin ich Kreativdirektorin meines eigenen Labels. Viele meinen, ich lebe in einer glamourösen Prinzessinnenwelt – dem ist nicht so. Bei mir kommt zwar alles leichtfüssig daher, aber ich habe es mir hart erarbeitet.
Kulturschock
Ich bin in der Türkei geboren und wuchs in Libyen auf, wo ich trotz Krieg eine schöne Kindheit hatte. Als ich neun Jahre alt war, zogen wir aus Tripolis in die Schweiz – ein Land mit einer völlig anderen Kultur, anderem Glauben und fremder Sprache. Weil ich kein Deutsch konnte, musste ich zurück in die erste Klasse, das war hart. Ich war die einzige Ausländerin, aber nach drei Monaten konnte ich bereits Deutsch. So bin ich bis heute: Wenn ich vor einem Problem stehe, löse ich es möglichst sofort. Früher wollte ich immer alles alleine machen, wollte mich beweisen. Inzwischen habe ich gelernt, Hilfe anzunehmen und auch mal Schwächen zuzugeben.
Mir war aber immer egal, was andere sagen und denken.
Der Weg ist nicht das Ziel
Ich wurde jung Mutter, meine Tochter ist heute im Teenageralter. Ich habe ihre Bedürfnisse immer vorangestellt, aber trotzdem meinen eigenen Weg verfolgen können. Schon als Kind wollte ich mit Mode zu tun haben, und dieses Ziel habe ich nie aus den Augen verloren! Mit 17 habe ich in Winterthur die Frauenfachschule (heute Schweizerische Fachschule für Mode und Gestaltung) begonnen. Anfangs war die Ausbildung Mittel zum Zweck, um mein grosses Ziel zu erreichen, und ja, ich musste die Zähne zusammenbeissen (da es niemals infrage kam, mal als Schneiderin zu arbeiten). Heute aber bin ich dankbar für die solide Ausbildung, und es ist wie die Erfüllung eines Traumes, dass ich heute im Zürcher Ableger derselben Schule meine eigene Mode produzieren lasse. Ziele im Leben sind enorm wichtig. Viele sagen, der Weg sei das Ziel – davon halte ich nichts. Für mich ist das Ziel erreicht, wenn ich dort angekommen bin, und zwar als Erste! Ich bin sehr ehrgeizig, auch als Mutter. Ich finde, man muss seine Kinder zur Selbstständigkeit erziehen und sie auch etwas fordern. In der Schweiz ist das eher verpönt, ich wurde als Mutter auch schon dafür kritisiert. Mir war aber immer egal, was andere sagen und denken. Wenn ich sehe, wie unglaublich selbstbewusst und talentiert meine Tochter bereits jetzt ihre eigenen Projekte verfolgt, weiss ich, dass ich es richtig gemacht habe.
Ezgi Cinar, 40, betreibt seit 2016 ihr eigenes Modelabel.