Familienleben nach einer Trennung

Zehn Jahre Patchwork-Erfahrung

Léonie, Solène und Louis wachsen in einer verzweig­ten Familie mit komple­xer Orga­ni­sa­tion auf. Caro­line und Daniele leben ihnen Offen­heit, Gross­zü­gig­keit und Vertrauen vor.

Sie sitzen schon eine Weile am grossen Esstisch in ihrem Wohn­zim­mer in Grei­fen­see und erzäh­len, was es braucht, damit ein Patch­work-Zuhause ein Ort der Gebor­gen­heit ist, als Caro­line irgend­wann aufs rein Prak­ti­sche zu spre­chen kommt – und etwas erwähnt, das wohl die meisten Fami­lien kennen, in denen alle Eltern­teile arbei­ten: «Es ist wie im Domi­no­spiel: Es darf einfach keiner umkip­pen!»

Bei Caro­line, Mutter von Léonie (13), Solène (11) und Louis (6), laufen die Fäden zusam­men. Sie orga­ni­siert und koor­di­niert die verschie­de­nen Leute, die kochen und für die Kinder da sind, wenn sie und ihr Mann im Büro sind: sie 60 Prozent als Cross-Media-Mana­ge­rin in der Unter­neh­mens­kom­mu­ni­ka­tion, er Voll­zeit und selbst­stän­dig mit eigenen Firmen. Die beiden sind seit zehn Jahren zusam­men. Er lebte zuvor kinder­los in einer Bezie­hung, sie mit dem Vater ihrer beiden Töchter.

Weitere Perso­nen im Fami­li­en­clan sind Caro­li­nes Eltern, die regel­mäs­sig die Kinder betreuen, und natür­lich ihr Ex-Mann mit seiner Part­ne­rin. Deren gemein­sa­mes Kind kam zwei Tage vor Louis zur Welt. «Eine Zeit lang war die Frau meines Ex unsere Tages­mut­ter: Sie kam mit ihrem Klein­kind hierher und schaute allen vier Kindern», erzählt die 43-Jährige, «wir haben es sehr gut mitein­an­der.»

Léonie nickt heftig. Die Älteste der Kinder hatte sich an den Tisch gesetzt, hörte inter­es­siert zu und erzählt jetzt von den gemein­sa­men Ferien, die sie vor einiger Zeit verbracht haben, in Simbabwe, der Heimat ihres Vaters: «Wir waren alle mitein­an­der da. Es war sehr schön.»

Alle zwei bis drei Wochen verbrin­gen sie und ihre Schwes­ter ein Wochen­ende mit der Familie ihres leib­li­chen Vaters, manch­mal müssen sie umdis­po­nie­ren, weil er seine Einsatz­pläne als Koch kurz­fris­tig erhält. Er wohnt in einer anderen Gemeinde, ihre Sachen nehmen die Mädchen jeweils mit, wenn sie ein Wochen­ende dort verbrin­gen. Sie sehen dann ihre Freun­din­nen nicht, können nicht Klavier üben und manch­mal sei es streng, nach einem inten­si­ven Tag in der Schule abends noch in den Zug zu steigen, «aber wir gehen beide immer gerne hin.» Ein biss­chen wie Ferien sei das für ihre Töchter, sagt Caro­line, und Léonie nickt erneut, aber, so die Mutter: «Es ist auch eine immense Anpas­sungs­leis­tung, die Kinder von getrenn­ten Paaren erbrin­gen.»

Wie viele Mütter hinter­frage auch ich ständig meine Entschei­dun­gen und meine, mich recht­fer­ti­gen zu müssen. Etwa weil ich zu viel arbeite. Oder weil ich zu wenig arbeite.

Auch Halb­ge­schwis­ter und neue Partner sind gefor­dert. Schon eine Kleinfamilie mit Kind bedeu­tet viel Abspra­che, Gross­zü­gig­keit und Vertrauen zwischen den Eltern – wie gross ist da die Heraus­for­de­rung in einer Patch­work-Konstel­la­tion? Caro­line und Daniele schauen sich nach­denk­lich an. Es gäbe viel zu sagen – vor allem dazu, warum es zwischen ihnen als Paar so gut läuft (sie: «Es ist ja nicht so, dass ich nie rein­re­den und korri­gie­ren würde, wenn ich sehe, dass er etwas anders macht als ich …» – er: «Das ist voll okay, das ist ja eine Art von Eichen.»). Nach einer Pause sagt er: «Ein Grund ist sicher, dass für alle das Wohl der Kinder zuoberst steht.» Und sie: «Es hat aber schon zwei, drei Jahre gebraucht, bis alles so gut einge­spielt war. Als die beiden Nach­züg­ler kamen, gab es durch sie eine Paral­lele in unseren Leben und ein neues Gleich­ge­wicht. Auch dass sowohl die neue Part­ne­rin meines Ex wie auch Daniele beide Mädchen voll ange­nom­men haben, sind wich­tige Gründe, dass es so gut geht. Es war nie jemand eifer­süch­tig.» Daniele nickt: «Es gab keine Verlie­rer.» Und dann erzäh­len sie, was so zentral zu sein scheint für diese Familie: dass Caro­line ihre Kinder so gut loslas­sen könne. Dass für sie klar sei: «Alle gewin­nen, wenn die Kinder zu verschie­de­nen Menschen starke Bezie­hun­gen haben – ich sehe das bei meinen Eltern, es tut ihnen so gut, regel­mäs­sig den Kindern zu schauen. Bezie­hun­gen und Menschen wachsen am Vertrauen, das man ihnen schenkt.»

Text: Esther Banz


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