kjz-Sprechstunde

«Louise (7) findet, sie erhalte weniger Aufmerksamkeit als ihr Bruder»

Mütter und Väter wissen am besten, was gut ist für ihr Kind. Doch ab und zu sind wir auch bei gröss­ter Eltern­liebe froh um etwas profes­sio­nelle Unter­stüt­zung. Bei allen Fragen rund um Familie und Erzie­hung weiss das Exper­ten-Team unserer kjz-Sprech­stunde Rat. Kompe­tent, anonym und unkom­pli­ziert. Was immer Sie bewegt – wir sind für Sie da!


Liebes kjz-Team
Wir lieben unsere Kinder Louise (7) und Yannik (4) sehr und bemühen uns, sie gleich zu behan­deln. Doch in letzter Zeit findet unsere Tochter, dass wir Yannik mehr Aufmerk­sam­keit schen­ken als ihr und sie sich deshalb weniger geliebt fühlt. Yannik ist leider oft krank und wir müssen dann unser Frei­zeit­pro­gramm ihm anpas­sen. Deshalb hat Louise viel­leicht sogar recht mit ihrer Einschät­zung. Was können wir tun, damit sich keines unserer Kinder benach­tei­ligt fühlt?
Familie S. aus Thalwil

Liebe Familie S.

Eltern möchten ihren Kindern in glei­cher Weise gerecht werden. Das kann sehr heraus­for­dernd sein und manch­mal auch nicht umsetz­bar, da Geschwis­ter ihrer eigenen Wahr­neh­mung entspre­chend sich schnell benach­tei­ligt fühlen können. Diese Balance ist insbe­son­dere dann nicht einfach zu halten, wenn ein Kind krank ist. Anstatt sich darum zu bemühen, jedes Kind gleich zu behan­deln, sollten Sie sich fragen: Was braucht mein Kind?

Jedes Kind hat andere Bedürf­nisse und kommu­ni­ziert diese auf eine andere Weise. Das eine Kind braucht mehr Kuschel­ein­hei­ten, während das andere lieber vorge­le­sen bekommt oder viel von seinem Tag erzäh­len möchte. Ein anderes Kind wiederum benö­tigt mehr Exklu­siv­zeit, während der es Mama oder Papa ganz für sich hat. Eltern müssen also die Bedürf­nisse ihrer Kinder erken­nen oder nach­fra­gen, sie prio­ri­sie­ren, manch­mal auch auf später vertrös­ten und erklä­ren oder – wo möglich – die Bedürf­nisse der Kinder in einem Kompro­miss unter­brin­gen. Unter­schei­den Sie zwischen klei­ne­ren, akuten Bedürf­nis­sen («Mama, ich muss dir unbe­dingt etwas erzäh­len.»), die im Alltag unter­ge­bracht werden müssen, und grös­se­ren Bedürf­nis­sen, wie ein halber Tag Exklu­siv­zeit, der geplant werden muss.

Wenn Sie auf die Bedürf­nisse des einzel­nen Kindes einge­hen, werden Sie den indi­vi­du­el­len Bedürf­nis­sen der Kinder gerecht, statt dass Sie sie gleich behan­deln. Das ist nicht immer einfach zu verein­ba­ren mit dem manch­mal stres­si­gen Fami­li­en­all­tag und verlangt viel von Ihnen als Eltern. Einfüh­lung ist eine Möglich­keit, die Kinder in ihren Gefüh­len zu errei­chen. «Du bist traurig, wütend – du möch­test lieber mehr Zeit von mir/uns für deine eigenen Inter­es­sen?» Damit spre­chen Sie Gefühle wie auch Bedürf­nisse des Kindes an und eröff­nen ein Gespräch, in dem Sie mit Ihrem Kind eine gemein­same Lösung finden.

Ihre Tochter sagt Ihnen, dass sie mehr Aufmerk­sam­keit von Ihnen braucht. Das muss nicht heissen, dass sie genau gleich viel Zeit benö­tigt wie Ihr Sohn. Fragen Sie Ihre Tochter; viel­leicht wünscht sie sich kurze, aber exklu­sive Zeiten mit den Eltern oder einem Eltern­teil, während deren sie entschei­den darf, was unter­nom­men wird. Oder es sind täglich fünf Minuten expli­zite Kuschel­zei­ten zwischen­durch oder vor dem Schla­fen­ge­hen. Nehmen Sie auch Unter­stüt­zung von Ihrem Umfeld an, um dies umzu­set­zen: Viel­leicht können die Gross­el­tern oder die Nach­barn während der Exklu­siv­zeit Ihrer Tochter etwas mit Ihrem Sohn unter­neh­men?

Ich wünsche Ihnen gutes Gelin­gen beim Halten dieser Balance sowie genü­gend Erho­lungs­in­seln für Sie als Eltern.

Jasmin Gygi (Erzie­hungs­be­ra­te­rin) und das kjz-Team

Haben Sie eine Frage?

Haben Sie eine Frage zur Erzie­hung, zum Zusam­men­le­ben in der aktu­el­len Situa­tion oder ganz allge­mein zum Fami­li­en­le­ben? Das kjz-Team beant­wor­tet regel­mäs­sig Fragen in der «kjz-Sprech­stunde».