Tipps für 7 Szenarien

Hausaufgaben ohne Stress

Hurra, endlich Haus­auf­ga­ben? Nicht alle Kinder können von Anfang an gleich gut mit dieser Heraus­for­de­rung umgehen. Lern­ex­perte Fabian Groli­mund gibt Eltern Tipps, wie sie Kinder bei ihren Haus­auf­ga­ben ohne Stress beglei­ten können.

Haus­auf­ga­ben sind jeden Tag mit Stress verbun­den? Ihr Kind löst sie im gefühl­ten Schne­cken­tempo und Ihnen geht langsam die Geduld aus? Oder es löst sie viel lieber gar nicht und tobt sich statt­des­sen endlos auf dem Fuss­ball­platz aus? Psycho­loge und Lern­ex­perte Fabian Groli­mund kennt sich mit diesem Thema aus und sagt, was helfen könnte.

Szena­rio 1: Fuss­ball top – Haus­auf­ga­ben flop

Mein Sohn Jonas (7) will nach der Schule als Erstes draus­sen mit seinen Quar­tier­freun­den Fuss­ball spielen. Danach ist er aber müde und hungrig, weshalb die Haus­auf­ga­ben vor dem Essen zum Kampf werden. Wie soll ich vorge­hen? Er hat so viel Bewe­gungs­drang, ich möchte ihn nicht vom Fuss­ball­spie­len abhalten.
Schla­gen Sie Ihrem Sohn vor, mit verschie­de­nen Zeit­punk­ten für die Aufga­ben zu expe­ri­men­tie­ren. Nach der Schule, vor dem Abend­essen, nach dem Abend­essen, früh morgens vor der Schule. Fragen Sie ihn jeweils, wie moti­viert er war und wie leicht es ihm fiel, sich zu konzen­trie­ren. Meist ergibt sich daraus ein Muster für den opti­ma­len Zeit­punkt.

Szena­rio 2: Wofür das alles, Mama?

Meine Tochter Ida (6) sieht über­haupt nicht ein, warum sie Haus­auf­ga­ben machen muss. Das führt fast jeden Abend zu Diskus­sio­nen. Langsam gehen mir die Argu­mente aus. Wie soll ich mit ihr weitermachen?
Sie müssen diese Diskus­sion als Eltern­teil nicht führen. Schliess­lich haben nicht Sie die Haus­auf­ga­ben aufge­ge­ben. Sagen Sie Ihrer Tochter: «Warum du das machen musst? Das ist eine gute Frage. Frag das morgen deine Lehr­per­son.» Sagen Sie nichts weiter dazu. Oft wollen die Kinder ihre Aufträge dann trotz­dem erle­di­gen. Ihre Tochter soll verste­hen: Es ist die Schule, die mir die Haus­auf­ga­ben aufgibt – und meine Eltern helfen mir, wenn ich alleine nicht weiter­komme.

Szena­rio 3: Zu viel Stress für Lara

Meiner Tochter Lara (6) fällt der Über­gang in die erste Klasse schwer. Sie kommt oft erschöpft nach Hause und muss weinen, wenn ich sie an die Haus­auf­ga­ben erin­nere. Dann möchte ich sie nicht noch mehr belas­ten und lasse sie damit in Ruhe. Soll ich viel­leicht um einen Haus­auf­ga­ben­er­lass bitten?
Der Über­gang fällt vielen Kindern schwer. Oft hilft es, wenn man das Thema Haus­auf­ga­ben anders angeht. Anstatt zu fragen: «Hast du noch Haus­auf­ga­ben?» kann man sagen: «So, jetzt darfst du dich erstmal richtig ausru­hen und spielen.» Dann kann man schauen, ob das Kind die Haus­auf­ga­ben machen kann, während man kocht – oder auch mal morgens vor der Schule. Um Erlass würde ich nicht bitten, aber viel­leicht darum, die Haus­auf­ga­ben zu redu­zie­ren.

Szena­rio 4: Theo denkt einfach nicht dran

Ich wollte mein Kind seinen eigenen Weg finden lassen, mit den Haus­auf­ga­ben klar zu kommen. Deshalb habe ich es von Schul­be­ginn an selber machen lassen und nicht mitge­re­det. Leider funk­tio­niert das aber nicht mit der Selbst­stän­dig­keit. Die Haus­auf­ga­ben gehen oft verges­sen. Wie lange soll ich noch zusehen?
Kinder werden meist nicht selbst­stän­dig, indem man sie einfach sich selbst über­lässt. Fragen Sie sich statt­des­sen, wie eine Hilfe zur Selbst­hilfe ausse­hen könnte. Wie könnte es Ihrem Kind gelin­gen, an die Haus­auf­ga­ben zu denken? Wie könnte es sich selbst daran erin­nern? Wie könnten Sie Ihrem Kind gegen­über Ihre Wert­schät­zung ausdrü­cken und es auf Gelun­ge­nes hinwei­sen, wenn es geklappt hat?

Szena­rio 5: Hätte Lorian doch nur Haus­auf­ga­ben!

Mein Sohn Lorian (7) erhält von seiner Lehr­per­son keine Haus­auf­ga­ben. Ich finde das schade. In meinen Augen braucht er die Übung und Wieder­ho­lung. Ist es empfeh­lens­wert, ihm selber die 10 Minuten Haus­auf­ga­ben pro Tag zusammenzustellen?
Falls Ihr Kind eine Lern­schwä­che hat, kann das sinn­voll sein. Es muss aller­dings sehr gut beglei­tet werden. Norma­ler­weise führt so etwas aber nur zu Schul­frust und demo­ti­viert die Kinder. Was Sie tun können: Bauen Sie das Gelernte spie­le­risch in den Alltag ein. Lesen Sie gemein­sam – zuerst Buch­sta­ben, dann Wörter und schliess­lich Sätze – auf Plakat­wän­den, beim Einkau­fen, am Abend im Bett. Spielen Sie ein Karten­spiel und lassen Sie ihn die Karten zusam­men­zäh­len. Zeigen Sie Ihre Freude, dass er das nun kann.

Szena­rio 6: Am Abend liegen unsere Nerven blank

Unser Sohn Julian (7) macht über­haupt nicht gerne Haus­auf­ga­ben. Mein Mann und ich sind beide berufs­tä­tig, weshalb unsere Nerven jeweils auch schnel­ler blank liegen nach der Arbeit. Das führt fast jeden Abend zu Streit. Wir wollten auch schon auf den Morgen auswei­chen, aber da ist Julian zu müde und unkon­zen­triert. Das Pensum zu redu­zie­ren geht für uns beide nicht. Was können wir tun, damit die Abende für uns alle wieder entspann­ter werden?
Es ist hilf­reich, wenn Sie sich bewusst machen, dass es Julian genau gleich geht wie Ihnen. Auch er muss nach einem langen Tag noch­mals ran und etwas tun, das er nicht mag. Spre­chen Sie das ruhig an: «Wir sind gerade beide müde und haben keine Lust. Wie könnten wir uns die Haus­auf­ga­ben etwas schöner machen? Wollen wir uns etwas zu knab­bern holen, ein wenig Musik dazu hören? Was würde es uns leich­ter machen? Und wie werden wir zu einem besse­ren Team?» Falls Sie sich ärgern: Brechen Sie die Haus­auf­ga­ben ab mit den Worten: «Jetzt fängt es uns an zu stres­sen. Wir wollen uns nicht wegen der Haus­auf­ga­ben strei­ten.» Ihre Bezie­hung zu Ihrem Kind ist wich­ti­ger, als dass jedes Arbeits­blatt fertig wird. Ihr Sohn kann es dann immer noch morgens vor der Schule versu­chen, wenn es am Abend nicht geklappt hat, und auch einmal ohne Haus­auf­ga­ben zur Schule gehen.

Szena­rio 7: Amira arbei­tet so schlud­rig!

Meine Tochter Amira (7) macht zwar Haus­auf­ga­ben, ihre Darstel­lung ist aller­dings schreck­lich unsau­ber. Meine Hinweise machen sie jedoch nur wütend. Liege ich falsch, wenn ich sie zu mehr Genau­ig­keit anregen will? Lernt man so etwas nicht zu Beginn oder gar nicht mehr?
Für Kinder ist die Lehr­per­son in diesem Bereich die Auto­ri­tät. Solange diese mit der Schrift einver­stan­den ist, kommen Sie als Eltern mit Ihrer Forde­rung nicht durch. Meist wird das Schrift­bild mit der Zeit saube­rer, auch wenn heute deut­lich weniger in eine schöne Schrift inves­tiert wird als früher. Wenn Sie Ihrer Tochter damit ständig in den Ohren liegen, wird sie wahr­schein­lich nicht schöner schrei­ben – aber es könnte ihr bald verlei­den.

Fabian Groli­mund

Fabian Grolimund ist Psychologe und Autor («Clever lernen», «Erfolgreich lernen mit ADHS», «Lotte, träumst du schon wieder?»). Gemeinsam mit Stefanie Rietzler leitet er die Akademie für Lerncoaching in Zürich. Mehr erfahren Sie hier: www.mit-kindern-lernen.ch

Eltern­bil­dung CH: Info­gra­fik mit Dos und Dont’s für eine liebe­volle Haus­auf­ga­ben­be­glei­tung, welche die Selbst­stän­dig­keit der Kinder fördert.