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Zum kjz-BeratungsangebotHausaufgaben ohne Stress – Tipps für 11 Szenarien
Veröffentlicht am von Martina Friedli
Hurra, endlich Hausaufgaben? Nicht alle Kinder können von Anfang an gleich gut mit dieser Herausforderung umgehen. Lernexperte Fabian Grolimund gibt Eltern Tipps, wie sie Kinder bei ihren Hausaufgaben ohne Stress begleiten können.
Hausaufgaben sind jeden Tag mit Stress verbunden? Ihr Kind löst sie im gefühlten Schneckentempo und Ihnen geht langsam die Geduld aus? Oder es löst sie viel lieber gar nicht und tobt sich stattdessen endlos auf dem Fussballplatz aus? Psychologe und Lernexperte Fabian Grolimund kennt sich mit diesem Thema bestens aus – und geht darauf ein, was helfen könnte.
Szenario 1: Samira löst Hausaufgaben nur langsam
Meine Tochter Samira (6) lässt sich jeweils viel Zeit bei den Hausaufgaben. Sie sitzt deshalb jeden Tag deutlich länger dran als die empfohlenen zehn Minuten. Was kann ich tun, damit sie schneller wird?
Fabian Grolimund: Besprechen Sie die Hausaufgaben mit ihr vor: Weisst du, was du genau machen musst? Stellen Sie dann den Wecker und sagen Sie: «Bereit? Achtung, los!» Falls sie viel länger hat: Vereinbaren Sie mit der Lehrperson, dass Ihre Tochter abbrechen darf, wenn sie 10 Minuten konzentriert gearbeitet hat. Es ist nicht hilfreich, wenn Kinder länger als empfohlen Hausaufgaben machen – dabei gewöhnen sie sich meist nur eine ungünstige Arbeitshaltung an und verlieren die Lust an der Schule.
Szenario 2: Fussball top – Hausaufgaben flop
Mein Sohn Jonas (7) will nach der Schule als Erstes draussen mit seinen Quartierfreunden Fussball spielen. Danach ist er aber müde und hungrig, weshalb die Hausaufgaben vor dem Essen zum Kampf werden. Wie soll ich vorgehen? Er hat so viel Bewegungsdrang, ich möchte ihn nicht vom Fussballspielen abhalten.
Schlagen Sie Ihrem Sohn vor, mit verschiedenen Zeitpunkten für die Aufgaben zu experimentieren. Nach der Schule, vor dem Abendessen, nach dem Abendessen, früh morgens vor der Schule. Fragen Sie ihn jeweils, wie motiviert er war und wie leicht es ihm fiel, sich zu konzentrieren. Meist ergibt sich daraus ein Muster für den optimalen Zeitpunkt.
Szenario 3: Wofür das alles, Mama?
Meine Tochter Ida (6) sieht überhaupt nicht ein, warum sie Hausaufgaben machen muss. Das führt fast jeden Abend zu Diskussionen. Langsam gehen mir die Argumente aus. Wie soll ich mit ihr weitermachen?
Sie müssen diese Diskussion als Elternteil nicht führen. Schliesslich haben nicht Sie die Hausaufgaben aufgegeben. Sagen Sie Ihrer Tochter: «Warum du das machen musst? Das ist eine gute Frage. Frag das morgen deine Lehrperson.» Sagen Sie nichts weiter dazu. Oft wollen die Kinder ihre Aufträge dann trotzdem erledigen. Ihre Tochter soll verstehen: Es ist die Schule, die mir die Hausaufgaben aufgibt – und meine Eltern helfen mir, wenn ich alleine nicht weiterkomme.
Szenario 4: Zu viel Stress für Lara
Meiner Tochter Lara (6) fällt der Übergang in die erste Klasse schwer. Sie kommt oft erschöpft nach Hause und muss weinen, wenn ich sie an die Hausaufgaben erinnere. Dann möchte ich sie nicht noch mehr belasten und lasse sie damit in Ruhe. Soll ich vielleicht um einen Hausaufgabenerlass bitten?
Der Übergang fällt vielen Kindern schwer. Oft hilft es, wenn man das Thema Hausaufgaben anders angeht. Anstatt zu fragen: «Hast du noch Hausaufgaben?» kann man sagen: «So, jetzt darfst du dich erstmal richtig ausruhen und spielen.» Dann kann man schauen, ob das Kind die Hausaufgaben machen kann, während man kocht – oder auch mal morgens vor der Schule. Um Erlass würde ich nicht bitten, aber vielleicht darum, die Hausaufgaben zu reduzieren.
Szenario 5: Ich kann als Mutter nicht helfen!
Meine Muttersprache ist nicht Deutsch. Ich weiss nie, ob es die Aufgaben richtig löst. Bei sprachlichen Fragen kann ich ihm oft nicht helfen. Haben Sie uns einen Tipp?
Die Hausaufgaben werden in der Schule korrigiert. Achten Sie einfach darauf, dass Ihr Kind einen Ort hat, an dem es arbeiten kann. Begleiten Sie es – wenn es das wünscht – indem Sie im gleichen Raum sind und ihm vielleicht einen Snack anbieten oder sich erklären lassen, was es gerade macht.
Szenario 6: Adriana löst alles alleine – aber falsch!
Beim ersten Elterngespräch haben wir die Rückmeldung bekommen, dass unsere Tochter Adriana (7) die Hausaufgaben oft falsch löst. Sie wehrt sich aber, die Aufgaben mit meiner Frau oder mir zusammen zu lösen. Adriana will alles alleine machen. Was können wir tun?
Haben Sie die Lehrperson gefragt, was sie von Ihnen erwartet? Eigentlich wäre es die Aufgabe der Lehrperson, die Hausaufgaben richtig zu korrigieren und darauf zu reagieren, wenn ein Kind das Thema nicht verstanden hat.
Szenario 7: Theo denkt einfach nicht dran
Ich wollte mein Kind seinen eigenen Weg finden lassen, mit den Hausaufgaben klar zu kommen. Deshalb habe ich es von Schulbeginn an selber machen lassen und nicht mitgeredet. Leider funktioniert das aber nicht mit der Selbstständigkeit. Die Hausaufgaben gehen oft vergessen. Wie lange soll ich noch zusehen, bevor ich mitrede?
Kinder werden meist nicht selbstständig, indem man sie einfach sich selbst überlässt. Fragen Sie sich stattdessen, wie eine Hilfe zur Selbsthilfe aussehen könnte. Wie könnte es Ihrem Kind gelingen, an die Hausaufgaben zu denken? Wie könnte es sich selbst daran erinnern? Wie könnten Sie Ihrem Kind gegenüber Ihre Wertschätzung ausdrücken und es auf Gelungenes hinweisen, wenn es geklappt hat?
Szenario 8: Hätte Lorian doch nur Hausaufgaben!
Mein Sohn Lorian (7) erhält von seiner Lehrperson keine Hausaufgaben. Ich finde das schade. In meinen Augen braucht er die Übung und Wiederholung. Ist es empfehlenswert, ihm selber die 10 Minuten Hausaufgaben pro Tag zusammenzustellen?
Falls Ihr Kind eine Lernschwäche hat, kann das sinnvoll sein. Es muss allerdings sehr gut begleitet werden. Normalerweise führt so etwas aber nur zu Schulfrust und demotiviert die Kinder. Was Sie tun können: Bauen Sie das Gelernte spielerisch in den Alltag ein. Lesen Sie gemeinsam – zuerst Buchstaben, dann Wörter und schliesslich Sätze – auf Plakatwänden, beim Einkaufen, am Abend im Bett. Spielen Sie ein Kartenspiel und lassen Sie ihn die Karten zusammenzählen. Zeigen Sie Ihre Freude, dass er das nun kann.
Szenario 9: Am Abend liegen unsere Nerven blank
Unser Sohn Julian (7) macht überhaupt nicht gerne Hausaufgaben. Mein Mann und ich sind beide berufstätig, weshalb unsere Nerven jeweils auch schneller blank liegen nach der Arbeit. Das führt fast jeden Abend zu Streit. Wir wollten auch schon auf den Morgen ausweichen, aber da ist Julian zu müde und unkonzentriert. Das Pensum zu reduzieren geht für uns beide nicht. Was können wir tun, damit die Abende für uns alle wieder entspannter werden?
Es ist hilfreich, wenn Sie sich bewusst machen, dass es Julian genau gleich geht wie Ihnen. Auch er muss nach einem langen Tag nochmals ran und etwas tun, das er nicht mag. Sprechen Sie das ruhig an: «Wir sind gerade beide müde und haben keine Lust. Wie könnten wir uns die Hausaufgaben etwas schöner machen? Wollen wir uns etwas zu knabbern holen, ein wenig Musik dazu hören? Was würde es uns leichter machen? Und wie werden wir zu einem besseren Team?» Falls Sie sich ärgern: Brechen Sie die Hausaufgaben ab mit den Worten: «Jetzt fängt es uns an zu stressen. Wir wollen uns nicht wegen der Hausaufgaben streiten.» Ihre Beziehung zu Ihrem Kind ist wichtiger, als dass jedes Arbeitsblatt fertig wird. Ihr Sohn kann es dann immer noch morgens vor der Schule versuchen, wenn es am Abend nicht geklappt hat, und auch einmal ohne Hausaufgaben zur Schule gehen.
Szenario 10: Amira arbeitet so schludrig!
Meine Tochter Amira (7) macht zwar Hausaufgaben, ihre Darstellung ist allerdings schrecklich unsauber. Meine Hinweise machen sie jedoch nur wütend. Liege ich falsch, wenn ich sie zu mehr Genauigkeit anregen will? Lernt man so etwas nicht zu Beginn oder gar nicht mehr?
Für Kinder ist die Lehrperson in diesem Bereich die Autorität. Solange diese mit der Schrift einverstanden ist, kommen Sie als Eltern mit Ihrer Forderung nicht durch. Meist wird das Schriftbild mit der Zeit sauberer, auch wenn heute deutlich weniger in eine schöne Schrift investiert wird als früher. Wenn Sie Ihrer Tochter damit ständig in den Ohren liegen, wird sie wahrscheinlich nicht schöner schreiben – aber es könnte ihr bald verleiden.
Szenario 11: Getrennte Eltern, getrennte Sitten
Mein Mann und ich leben getrennt. Seit mein Mann unserer Tochter jeweils kleine Belohnungen für das Hausaufgabenmachen verspricht, wenn sie bei ihm ist, löst sie bei mir keine Aufgabe mehr einfach so. Wie kann ich ihr erklären, dass sie die Aufgaben nur für sich selber löst?
Das können Sie leider schlecht mir Ihrer Tochter lösen. Die Belohnungen Ihres Mannes motivieren sie zusätzlich, wenn sie bei ihm ist, wirken aber wie eine Strafe, wenn sie diese bei Ihnen nicht bekommt. Es bleibt Ihnen nur, entweder den Frust Ihrer Tochter auszuhalten, dass bei Ihnen andere Regeln gelten, oder mit Ihrem Mann einen Konsens zu finden.
Elternbildung CH: Infografik mit Dos und Dont’s für eine liebevolle Hausaufgabenbegleitung, welche die Selbstständigkeit der Kinder fördert.