Fragen zur Erziehung und Entwicklung Ihrer Kinder und zum Familienalltag? Die Fachleute unserer Kinder- und Jugendhilfezentren (kjz) beraten Sie gern.
Zum kjz-Beratungsangebot«Wie sollen wir mit der Homosexualität unseres Sohnes (16) umgehen?»
Mütter und Väter wissen am besten, was gut ist für ihr Kind. Doch ab und zu sind sie auch bei grösster Elternliebe froh um ein bisschen Unterstützung. Bei allen Fragen rund um Familie und Erziehung weiss das Experten-Team unserer kjz-Sprechstunde Rat. Kompetent, anonym und unkompliziert. Was immer Sie bewegt – wir sind für Sie da!
Liebes kjz
Unser Sohn (16) hat uns letzte Woche beim Abendessen völlig unerwartet mitgeteilt, dass er sich von Jungs angezogen fühlt. Mein Mann ist daraufhin laut geworden. Seither spricht er nur noch widerwillig mit ihm. Natürlich lieben wir alle unsere Kinder, aber mit Homosexualität haben wir grosse Mühe. Wie können wir das Verständnis für unseren Sohn stärken und ihm gute Eltern sein?
Familie F.
Liebe Familie F.
Ihr Beispiel zeigt eines ganz klar: Trotz allen Ängsten hat sich Ihr Sohn dazu durchgerungen, Ihnen gegenüber seine Homosexualität offenzulegen. Er hat gegen alle inneren und äusseren Widerstände erkannt, dass er anders ist als andere. Das ist sehr viel wert.
Auch wenn nicht klar ist, wie Homosexualität entsteht, ist eines sicher: Sie ist unabänderlich. Wir können unsere Natur nicht verleugnen. Dass Sie Ihr Sohn in seine Homosexualität bereits mit 16 einweiht, ist mutig. Sehr viele Menschen brauchen deutlich länger – manche trauen sich ein Leben lang nicht dazu zu stehen.
Der Prozess des Coming-out verläuft in zwei Phasen: Im innerpsychischen Prozess wird mir meine sexuelle Identität zunehmend klar und ich lerne sie zu akzeptieren. Im sozialen Prozess trete ich mit meiner «neuen» Identität hinaus an die Öffentlichkeit. Beides zusammen kann Jahre dauern. Dabei gilt: Je feindlicher das Umfeld, desto länger dauert dieser Prozess.
Zugleich markiert das Coming-out einen Startpunkt für alle anderen: für Eltern, Freunde, Verwandte und Bekannte. Denn auch für sie kann das ein grosser (und schwerer) Schritt sein. Als Eltern gehen Ihnen bestimmt viele Sachen durch den Kopf. Was denken die anderen, die Familie, Verwandten und Bekannten? Bekommt Ihr Sohn Nachteile zu spüren, findet er vielleicht keine Lehr- oder Arbeitsstelle? Lehnen ihn die Leute nun ab oder hassen sie ihn gar? Denken die anderen, Sie als Eltern hätten ihn nicht richtig erzogen? Ich kann mir gut vorstellen, dass es für Sie sehr schwierig ist, sich schützend und akzeptierend vor ihren Sohn zu stellen und zu sagen: Er ist, wie er ist. Wenn ein Mensch homosexuell ist, kann ihm das nicht ausgetrieben oder ausgeredet werden. Weder durch die Religion, Kultur, Familie oder die Freunde noch durch Psychologinnen oder Psychiater. Umso schöner, dass Sie ihn trotzdem lieben (wie alle Ihre Kinder). Das ist das Wertvollste und Beste, was Sie für ihn tun können: Liebe ohne Bedingungen. Denn jedes Kind hat das Recht auf einen eigenen Weg.
Claude Ramme (Erziehungsberater) und das kjz-Team
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