«Ich bin gerne die Managerin der Familie»
Noah und Maël fordern ihre Eltern manchmal ganz schön. Ihre Buben selber zu erziehen, ist Andrea und Philipp trotzdem oder gerade deshalb wichtig.
Laute Stimmen dringen durch die noch geschlossene Wohnungstüre im modernen 6-Familien-Haus. Dahinter könnten zwei spielen – oder sich streiten, es ist nicht so klar. Temperamentvoll klingt es allemal (und so töne es bei ihnen oft, sehr oft, werden die Eltern später erzählen). Mit dem Klingeln wird es still. Als sich die Türe öffnet, stehen da zwei zierliche Buben, Noah (7) und Maël (5). Neben ihnen Vater Philipp (44). In der Wohnung sieht nichts nach Auseinandersetzung aus, im Gegenteil: Auf dem Esstisch der offenen Wohnküche brennt eine Kerze, es ist einladend gemütlich. Andrea (41) gesellt sich dazu und stellt sogleich klar: «Ich räume nicht extra auf, wenn Besuch kommt – wir mögen es einfach so.»
Die vierköpfige Familie lebt in Stäfa. In einer Nachbargemeinde ist Andrea aufgewachsen, in einer anderen arbeitete sie als Teamleiterin einer Wohngruppe mit behinderten Menschen, bevor sie Mutter wurde. Auf ein kleines Pensum reduzieren, wäre in dieser Position nicht möglich gewesen, sagt sie – und Philipp, selber Teamleiter in einer Bank, verdient mit seiner Arbeit genug, um alle vier zu ernähren; deshalb beschlossen sie vor der Geburt von Noah, dass Andrea fortan Vollzeit fürs Kind (später für die Kinder) und den Haushalt verantwortlich sein soll. Sie sei gerne Hausfrau und Mutter, sagt Andrea, «ich manage alles rund um die Familie, putze und koche selbst – das ist alles in allem ein Fulltime-Job. Es wird mir jedenfalls nie langweilig und meinen Kopf brauche ich auch: Es gibt die ganze Zeit viel zu planen und organisieren!» Man müsse als Vollzeitmutter aber auch Freude an den Aktivitäten mit Kindern haben, am Basteln und Spielen, sagt Andrea. «Ich empfinde diese Zufriedenheit von innen heraus, und von dort muss sie auch kommen. Ob ich zufrieden bin mit meinem Alltag, darf ich nicht von anderen abhängig machen.»
Ich empfinde diese Zufriedenheit von innen heraus, und von dort muss sie auch kommen.
Dass Philipp ihre Arbeit, für die sie keinen Lohn erhält und von der vieles nicht sichtbar ist, erkennt und schätzt – das brauche sie aber schon, sagt die ausgebildete Psychiatrieschwester: «Vollzeitmutter sein ist nämlich mit Abstand das Strengste, was ich je gemacht habe.» Sie sagt das lachend – und meint es ernst. Als das Ehepaar in der Erziehung seiner temperamentvollen Buben an Grenzen stiess, wandte es sich ans regionale Kinder- und Jugendhilfezentrum (kjz) – und fand in einem Berater die Unterstützung, die es gesucht hatte. Seither möchten sie diese nicht mehr missen: «Das hilft uns sehr bei der Erziehung und auch uns als Paar: Reden, im Dialog bleiben, einander zuhören: Das braucht es in jeder Beziehung und insbesondere in einer mit Kindern», sagt Philipp. Zuhören können ist auch etwas, das sie ihren Jungs mit auf den Weg geben möchten. «Auch deshalb haben wir uns dafür entschieden, die Erziehung der Kinder nicht auszulagern», sagt Philipp. «Wir möchten ihnen unsere Werte mitgeben.» Sie können das, weil Philipps Lohn hoch genug ist – ein Privileg, wie sie beide betonen: «Der Lohn ernährt uns alle. Das ist heutzutage nicht mehr selbstverständlich.» Leben und leben lassen sei denn auch ihr Motto, wenn es darum geht, wie sich eine Familie organisiert. Und zu verklären sei ihr Modell ja auch nicht, sagt der Nachlassexperte: «Alleine für die finanzielle Sicherheit und Stabilität zu sorgen, ist auch ein Druck. Wir sind darauf angewiesen, dass es bei mir beruflich rund läuft.»
Als es im Nebenzimmer wieder lauter wird, fällt auf, wie lange sich die beiden Buben selber beschäftigt haben, wie still es war. Aber jetzt ist es an der Zeit, das Abendritual einzuläuten: «Maël, Noah, Pischi anziehen!»
Text: Esther Banz