kjz-Sprechstunde

«Unsere Kinder (6 und 4) schnappen immer mehr vom Krieg auf. Wie damit umgehen?»

Mütter und Väter wissen am besten, was gut ist für ihr Kind. Doch ab und zu sind wir auch bei gröss­ter Eltern­liebe froh um etwas profes­sio­nelle Unter­stüt­zung. Bei allen Fragen rund um Familie und Erzie­hung weiss das Exper­ten-Team unserer kjz-Sprech­stunde Rat. Kompe­tent, anonym und unkom­pli­ziert. Was immer Sie bewegt – wir sind für Sie da!


Liebes kjz-Team
Wir wollten unsere Kinder (6 und 4) eigent­lich so gut es geht vom Thema Krieg fern­hal­ten. Doch mehr und mehr schnap­pen sie im Umfeld Worte auf und stellen uns Fragen. Was sind Bomben? Warum kommen die Panzer, kommen die auch zu uns? Wieso werden alle Häuser kaputt gemacht? Sind diese Menschen nun tot? Wir merken, dass uns die Antwor­ten schwer­fal­len. Wie können wir auf unsere Kinder einge­hen, ohne ihnen Angst zu machen?
Vielen Dank für Ihre Antwort.
Familie D. aus Winter­thur

Liebe Familie D.

Ja, Kinder in diesem Alter sollten vom Thema Krieg geschützt werden. Achten Sie darauf, Nach­rich­ten nicht in ihrem Beisein zu konsu­mie­ren und denken Sie daran: Kinder haben feine Senso­ren. Auch wenn sie im Neben­zim­mer spielen, hören sie mit und sie nehmen unsere Betrof­fen­heit wahr.

Wenn Ihre Kinder aber Fragen nach Hause bringen, ist es wichtig, diese ernst zu nehmen und darauf einzu­ge­hen. Hören Sie zu, fragen Sie nach: «Ich möchte gerne wissen, was hast du gehört, was hast du gesehen? Wie ist das für dich?» So erfah­ren Sie, womit sich Ihr Kind beschäf­tigt.

Oftmals ist das ein Dialog, der uns Angst macht. Kinder in diesem Alter stellen ganz direkte Fragen und erwar­ten eben­sol­che Antwor­ten. Das hemmt uns, da wir sie vor Belas­ten­dem beschüt­zen wollen. Ich möchte Ihnen aber Mut zu Ehrlich­keit machen. Erklä­ren Sie kind­ge­recht, aber aufrich­tig, was Sie wissen: Wer möchte was mit diesem Krieg errei­chen? Auch wenn Sie etwas nicht wissen, dürfen Sie das sagen. Viel­leicht finden Sie bei den Kinder­nach­rich­ten vom Schwei­zer Fern­se­hen Anre­gun­gen für kind­ge­rechte Erklä­run­gen.

Im Alter Ihrer Kinder kommen auch viele Fragen zum Tod auf. Das verun­si­chert uns. Doch bleiben Sie auch hier ehrlich und gehen Sie sensi­bel darauf ein. Nehmen Sie dabei eine klare Haltung ein zur Gewalt. Seien Sie sich aber auch bewusst: Obwohl Kinder unver­blümte Fragen stellen, haben sie kein Zukunfts­den­ken wie wir. Sie wollen hören, was jetzt gerade im Moment ist, alles andere über­for­dert sie. Und für dieses Jetzt brau­chen sie Sicher­heit. Deshalb genügt es oft, wenn wir nach wenigen Erklä­run­gen Dinge sagen wie: «In unserem Land ist jetzt kein Krieg und wir wollen auch alle keinen haben. Wir sind hier sicher. Ich wünsche mir ganz fest, dass das so bleibt und bin auch sehr zuver­sicht­lich.» Indem Sie vom Jetzt und von Ihren Wünschen spre­chen, vermei­den Sie es, falsche Verspre­chun­gen zu machen.

Wichtig für Ihre Kinder ist, dass Sie auf ihre Gefühle einge­hen und sie im Umgang damit beglei­ten. Das braucht Fein­ge­fühl, manche verschlies­sen sich bei einem vorschnel­len «Hast du denn Angst?». Geben Sie daher Raum. «Du hast Angst, weil …? Du bist traurig, weil …?» – so fällt es Kindern oft einfa­cher, ohne Druck zu erzäh­len. Fällt es Ihrem Kind schwer, seine Gefühle zu benen­nen, können Sie helfen: «Ich kann mir vorstel­len, dass dir das Angst macht. Dass du traurig bist, wenn Menschen und Tiere sterben. Dass es dich wütend macht, wenn Menschen anderen wehtun oder Häuser kaputt machen.»

Gegen Ohnmachts­ge­fühle können gemein­same Unter­neh­mun­gen helfen. Beispiels­weise an einer Kund­ge­bung teil­neh­men, eine Kerze anzün­den, als Familie einen Beitrag spenden oder zusam­men Frie­dens­tau­ben für das Fenster basteln. Diese Symbo­lik tut auch uns Erwach­se­nen gut.

Schliess­lich möchte ich Sie auch darin bestär­ken, dass wir nach solchen Gesprä­chen auch wieder loslas­sen. Der Krieg ist präsent und beschäf­tigt uns stark. In einem Kinder­le­ben muss aber unbe­schwer­ter Alltag Platz haben. Kinder sollen sich freuen dürfen, leben­dig und aktiv sein sowie ihren Bedürf­nis­sen nach­ge­hen. Nicht zuletzt sind diese Momente auch für uns Erwach­sene wichtig. Schliess­lich sollen sich Kinder auch nicht um uns sorgen müssen.

Weitere Tipps zum Umgang mit dem Thema Krieg, Angst und Tod bei Kindern finden Sie bei Pro Juven­tute, UNICEF, dem Kinder­ka­nal von ARD und ZDF oder auf weite­ren Seiten vom Schwei­zer Fern­se­hen.

Simone Gruen-Müller (Erzie­hungs­be­ra­te­rin) und das kjz-Team

Haben Sie eine Frage?

Haben Sie eine Frage zur Erzie­hung, zum Zusam­men­le­ben in der aktu­el­len Situa­tion oder ganz allge­mein zum Fami­li­en­le­ben? Das kjz-Team beant­wor­tet regel­mäs­sig Fragen in der «kjz-Sprech­stunde».