Eine Seite vom Kanton Zürich mit hilfreichen Informationen und Anlaufstellen für Kinder mit Eltern in Trennung.
Meine Eltern trennen sichKindesanhörung vor Gericht: Mitreden dürfen, wenn Eltern sich trennen
Kinder haben das Recht, bei jeder wichtigen Entscheidung angehört zu werden, die ihre Situation betrifft. So auch bei einer Scheidung ihrer Eltern. Durch die Kindesanhörung erhalten Kinder eine Gelegenheit, ihre Wünsche und Bedürfnisse mitzuteilen. Warum das wichtig ist, wie eine Anhörung abläuft und was Eltern dabei beachten können.
Tipps für Eltern
- Reden Sie offen und altersgerecht mit Ihrem Kind über die Möglichkeiten der Beteiligung und den Ablauf.
- Geben Sie dem Kind die Sicherheit, dass seine Meinung wichtig und wertvoll ist.
- Lassen Sie ältere Kinder allenfalls alleine zur Anhörung gehen.
- Fragen Sie bei jüngeren Kindern allenfalls eine aussenstehende, neutrale Vertrauensperson als Begleitperson an.
- Ermutigen Sie Ihr Kind, bei der Anhörung Fragen zu stellen, wenn es etwas nicht versteht.
- Geben Sie dem Kind nach der Anhörung Zeit zur Verarbeitung. Seien Sie aber verfügbar, wenn es Sie braucht.
Warum Kinder zur Anhörung eingeladen werden
Kinder haben ein Recht darauf, bei wichtigen Themen einbezogen und mit ihren Bedürfnissen ernst genommen zu werden. So auch bei der Scheidung ihrer Eltern (Art. 298 ZPO). Es ist wichtig, dass Kinder diese Möglichkeit haben, denn sie sind von den neuen Familienverhältnissen meist in besonderem Masse betroffen. Mit der Anhörung erhalten sie eine Gelegenheit, ihre Wünsche und Bedürfnisse mitzuteilen. Richterinnen und Richter können sich so ein eigenes Bild von der Situation machen und die Entscheidungsfindung möglichst nach dem individuellen Wohl des Kindes ausrichten.
Die Anhörung trägt in der Regel zur Entlastung des Kindes bei, da es sich ernst genommen fühlt und dadurch in seinem Selbstwert gestärkt wird. Es erhält Erklärungen und kann sich so mit seiner Situation auseinandersetzen, sich auf anstehende Veränderungen besser einstellen oder bereits erfolgte besser verstehen.
Wer zur Anhörung eingeladen wird
In der Regel erhalten alle Kinder ab ungefähr sechs Jahren vom Gericht eine Einladung zur Anhörung, per Brief an das Kind oder telefonisch. Dies gilt bei einer Trennung, während des Scheidungsverfahrens, bei der Scheidung sowie auch bei einem Eheschutzverfahren. Kinder werden auch dann zur Anhörung eingeladen, wenn die Eltern bereits eine gute Lösung bezüglich Wohnform, Kindesunterhalt etc. gefunden haben. Es sei denn, wichtige Gründe sprechen dagegen.
Wie eine Anhörung abläuft
Die Einladung zur Anhörung enthält einen Terminvorschlag. Das Kind darf die Einladung aber auch ablehnen, wenn es nicht angehört werden möchte. An diesem Termin führen der zuständige Richter, die Richterin oder eine andere Fachperson ein Gespräch mit dem Kind. Dieses dauert zwischen 30 und 60 Minuten und findet ohne das Beisein der Eltern statt.
Im Gespräch wird dem Kind zum einen erklärt, was bisher mit den Eltern besprochen, geplant oder entschieden worden ist und welche Entscheidungen bevorstehen. Zum andern wird die Meinung des Kindes eingeholt. Das Kind kann sich unter Umständen auch durch Spielen oder Zeichnen ausdrücken. Seine Antworten werden protokolliert und fliessen in den Entscheidungsprozess ein. Kinder haben am Ende das Recht, Äusserungen aus dem Protokoll streichen zu lassen. Beispielsweise wenn sie fürchten, damit einen Elternteil zu verletzen.
Was die Inhalte einer Anhörung sind
Die Bedürfnisse des Kindes sind die wichtigsten Inhalte der Anhörung. Beispielsweise wo es wohnen möchte, was ihm in der Freizeit wichtig ist und wie sein Kontakt zu beiden Elternteilen zukünftig gestaltet werden kann. Es erhält die Gelegenheit, seine Situation zu schildern und seine Meinung zu äussern.
Welchen Einfluss hat die Kindesanhörung auf den Entscheid?
Die Meinung und Wünsche des Kindes fliessen in die Entscheidungsfindung des Gerichts ein. Das Gericht entscheidet unter Berücksichtigung aller Aspekte. Es ist wichtig, dass das Kind im Anschluss altersgerecht informiert wird, wie die Entscheidungsfindung erfolgt ist. Gerade auch dann, wenn das Gericht sich gegen die Wünsche des Kindes entschieden hat.
Einschätzung einer Psychologin und kjz-Expertin
Simone Gruen-Müller ist Kinder- und Jugendpsychotherapeutin und Erziehungsberaterin im kjz Affoltern am Albis. In ihren Sprechstunden hat sie schon viele Eltern in Trennung und Scheidung begleitet. Ihre Einschätzung zur Kindesanhörung.
Frau Gruen-Müller, warum ist es wichtig, dass Kinder mit der Kindesanhörung eine Gelegenheit bekommen, bei der Trennung ihrer Eltern mitzureden?
Kinder sind immer stark mitbetroffen, wenn sich ihre Eltern trennen. Es ist deshalb wichtig, auch ihre Sicht einzubeziehen. Die Kindesanhörung hat genau das zum Ziel: Die Meinung und Bedürfnisse der Kinder ernst zu nehmen und nicht über ihre Köpfe hinweg zu entscheiden. So soll verhindert werden, dass sich ein Kind den bevorstehenden Veränderungen machtlos ausgesetzt fühlt. Auch kann dadurch nach Lösungen gesucht werden, wie auf unterschiedliche Bedürfnisse unter Geschwistern Rücksicht genommen werden kann.
Was sind die Herausforderungen dabei?
Die Idee dahinter ist wichtig und gut. Damit sie gelingt, braucht ein Kind allerdings ein bisschen Übung im Mitreden. Je geübter es darin ist, seine Gefühle, Bedürfnisse und Wünsche mitzuteilen, desto einfacher wird es ihm auch in der Situation einer Kindesanhörung fallen. Ausserdem ist der Erfolg der Anhörung immer abhängig davon, wie geschult und feinfühlig die ausführende Person ist und ob sie die Sensibilität für den Kontext des Kindes aufbringen kann. Stimmen diese Rahmenbedingungen nicht, ist ein Kind schnell überfordert. Schlimmstenfalls meint es, es müsse hier die Verantwortung für den Entscheid übernehmen.
Wird ihnen damit unter Umständen zu viel zugemutet?
Unter Umständen ja. Gerade jüngere Kinder können Zusammenhänge noch nicht verstehen. Werden sie beispielsweise gefragt, ob sie gleich viel Zeit mit beiden Elternteilen verbringen möchten, stimmen die meisten zu. Sie können sich dabei aber nicht vorstellen, was das im Alltag genau bedeuten würde, da sie Konsequenzen für sich selbst und für die Eltern nicht abschätzen können. Verändert das Gericht daraufhin die ganze Besuchsregelung, wird allenfalls etwas vorgeschrieben, was für das Kind zu viel Unruhe und Wechsel bedeutet. Hinzu kommt, dass Kinder leicht in Loyalitätskonflikte geraten und es beiden Eltern recht machen möchten. So sind gerade bei hochstrittigen Trennungen die Herausforderungen vielfach zu gross.
Was können Eltern dazu beitragen, dass die Anhörung den gewünschten Effekt hat und sich für ihre Kinder gut anfühlt?
Die Eltern können feinfühlig, aber offen mit ihrem Kind über die Möglichkeiten der Beteiligung und den Ablauf sprechen und ihm das Gefühl geben, dass seine Meinung wichtig und wertvoll ist. Sie können es auch ermutigen, Fragen zu stellen, wenn es etwas nicht versteht. Ganz wichtig ist die Bestärkung darin, dass es seine Meinung frei sagen darf, ohne dass das Einfluss darauf hat, wie lieb die Eltern das Kind haben. Auch soll das Kind nicht meinen, es müsse die Verantwortung für einen Entscheid übernehmen. Diese liegt ganz klar bei den Eltern und beim Gericht.
Ältere Kinder kann es entlasten, wenn sie alleine zur Anhörung gehen dürfen. Bei jüngeren Kinder kann eine aussenstehende, neutrale Vertrauensperson als Begleitpersonen hilfreich sein. Wichtig ist es, dem Kind nach der Anhörung Raum zur Verarbeitung zu geben, aber verfügbar zu sein, wenn es die Eltern braucht.
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Zur KinderanwaltschaftJe nach Kanton müssen Eltern bei einer Trennung oder Scheidung unterschiedlich vorgehen. Auf der Website des Kantons Zürich finden Sie Informationen, Anlaufstellen und Unterstützung für alle anstehenden Schritte.
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