Fragen zur Erziehung und Entwicklung Ihrer Kinder und zum Familienalltag? Die Fachleute unserer Kinder- und Jugendhilfezentren (kjz) beraten Sie gern.
Zum kjz-Beratungsangebot«Wir sind besorgt um unsere Tochter (17), die von ihrem Freund kontrolliert wird»
Mütter und Väter wissen am besten, was gut ist für ihr Kind. Doch ab und zu sind sie auch bei grösster Elternliebe froh um ein bisschen Unterstützung. Bei allen Fragen rund um Familie und Erziehung weiss das Experten-Team unserer kjz-Sprechstunde Rat. Kompetent, anonym und unkompliziert. Was immer Sie bewegt – wir sind für Sie da!
Liebes kjz
Unsere Tochter (17) wird von ihrem Freund (21) kontrolliert und zunehmend isoliert. Sie muss ihm alles rapportieren. Er ist extrem eifersüchtig und wird schnell laut und aggressiv. Sie sagt zwar, dass er ihr nichts machen würde, wir sind uns da aber nicht sicher.
Ausserdem hat er sich schon heimlich mit einer Kollegin unserer Tochter getroffen. Als unsere Tochter ihn zur Rede stellte, hat er alles abgestritten. Erst als sie ihm sagte, dass die Beziehung auf der Kippe stehe, hat er es zugegeben. Seither ruft er sie ständig an, schreibt ihr alle fünf Minuten und hat ihr einmal gedroht, sich umzubringen, wenn sie Schluss mache. Er sagt ihr, dass er viel weine und sie nicht verlieren will. Leider ist sie darauf hereingefallen.
Sie entfernt sich immer mehr von ihrem Freunden, die alles wie wir sehen und mit ihr geredet haben. Leider ohne Erfolg. Wir haben Angst, dass wir unsere Tochter verlieren, wenn wir ihr den Umgang mit ihrem Freund verbieten. Was sollen wir tun?
Liebe Familie
Ich beginne am Ende: Die Angst, Ihre Tochter zu verlieren, wenn Sie ihr den Umgang mit dem Freund verbieten, ist berechtigt. Der Versuch, auf diese Weise Kontrolle zurückzugewinnen, gelingt nur selten. Die langfristig wirksamere Methode ist die Abgabe von Kontrolle. Überlassen Sie deshalb Ihrer Tochter die Verantwortung, auch wenn sie erst 17 Jahre alt ist. Das heisst nicht, dass Sie nun schweigen sollen. Sie dürfen nach wie vor nachfragen, was los ist. Sie dürfen auch feststellen, dass Sie gewisse Umgangsformen nicht verstehen. Ein Freund oder Partner, der pausenlos Kontrolle ausübt, ist unverständlich. Denn dabei geht es um Manipulation und Macht. Eigentlich sollte eine Beziehung von Liebe geprägt sein und nicht von Herrschaftswünschen. Und was für Sie als Eltern gilt, gilt auch für den Freund: Kontrolle und Macht erzielen kaum je nachhaltige Wirkung.
Hier kommen nun wieder Sie ins Spiel: Schenken Sie Ihrer Tochter Vertrauen und lassen Sie sie dieses Vertrauen spüren – und nicht nur die Ablehnung des Freundes, die sie logischerweise auf sich bezieht. Sie wird Ihnen dadurch zuhören. Sie dürfen und sollen fragen, wie es ihr geht. Sie soll Ihnen erzählen können, dass es anstrengend ist und dass sie sich bedroht fühlt. Ihr elterliches Angebot, für die Tochter da zu sein, ihr zuzuhören und sie bedingungslos zu unterstützen, wird Ihre Tochter stärken. Nicht hilfreich sind Vorwürfe oder Redeformeln wie «Das habe ich schon lange gesagt.».
Natürlich bereitet es Eltern Sorge, wenn Angst herrscht. Wenn der Freund mit Suizid droht, macht er Ihrer Tochter Angst. Dieses Verhalten ist nichts weniger als ein (ziemlich primitiver) Erpressungsversuch. Auch das darf und soll benannt werden. Hier kann es helfen, wenn jemand von ausserhalb, vielleicht eine Fachperson, solches Verhalten einordnet.
Kurz und gut – und um auf Ihre konkrete Frage einzugehen: Sie helfen Ihrer Tochter am meisten, indem Sie sie auch schlechte Erfahrungen machen lassen. Dann kann sie sich als selbstwirksam erfahren, wenn sie das Problem irgendwann selber löst.
Möchten Sie das Thema vertiefen? Dann melden Sie sich am besten beim kjz in Ihrer Nähe. Wir freuen uns auf Sie.
Claude Ramme (Erziehungsberater) und das kjz-Team
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