Eine Fussballerin spielt sich frei
«Wieso muss da jetzt ein Mädchen mitspielen?» – so tönte es früher häufig, als ich noch in reinen Bubenmannschaften spielte. Für mich ging daher eine völlig neue Welt auf, als ich mit vierzehn in die Frauenmannschaft des FC Sursee wechselte. Ich hätte aber nie gedacht, dass ich einmal Profifussballerin werden würde. Ich wollte einfach Fussball spielen und ging darum nach der Matura in die USA, was damals das Nonplusultra im Frauenfussball war: Hier konnte ich auf hohem Niveau Fussball spielen und gleichzeitig studieren. Es war ein grosser Schritt, so ganz allein in einem fremden Land. Meine Zeit dort war Findungsphase und zugleich Lebensschule: Es ging dort viel ums Mentale und ich habe gelernt, meine Grenzen zu kennen und zu überschreiten.
Prägende Jahre in den USA
In Amerika lernte ich auch, meine Homosexualität zu akzeptieren. Als ich als junges Mädchen merkte, dass ich lesbisch bin, war das für mich zunächst kein Problem. Im Frauenfussball traf ich jedoch auf viel Heimlichtuerei; das Signal an eine junge Frau wie mich war: Uns gibt es zwar, aber man spricht besser nicht darüber. In den USA dagegen waren viele Leute um mich herum, die sagten, das spielt doch keine Rolle. So hatte ich das in der Schweiz nie gehört. Bei meinen Eltern führte mein Outing zu einiger Verunsicherung, und ich selbst dachte lange, dass ich etwas falsch mache. In den USA aber durchlief ich einen Prozess, an dessen Ende ich zu hundert Prozent mit mir im Reinen war. Meine Eltern konnten es zum Glück auch akzeptieren, wir hatten immer ein gutes Verhältnis.
Uns gibt es zwar, aber man spricht besser nicht darüber.
Nach Abschluss meines Studiums der Internationalen Wirtschaft wollte ich wieder zurück nach Europa und unterschrieb bei Olympique Lyon erstmals als Profi. Ich hätte es nicht besser treffen können und war extrem motiviert. Aber es war wieder ein Neuanfang und mein ganzer Lebensstil änderte plötzlich komplett: Die Jahre zuvor war ich mit Fussball und Ausbildung dauerbeschäftigt, jetzt hatte ich nur noch wenige Stunden Training am Tag. Was sollte ich mit all der freien Zeit? Da fragte ich mich schon kurz nach dem Sinn des Ganzen. Ich fing dann eine Weiterbildung an und absolvierte später die erste Trainerausbildung. Auch jetzt mache ich nebenberuflich ein Studium in General Management mit Fokus auf Sport – einfach, weil es mich interessiert.
Ein jäher Einschnitt
Mein Kreuzbandriss vor einigen Monaten war ein schwerer Einschnitt. Die Heilung geht aber gut voran und ich kann wohl in der nächsten Saison wieder spielen. Ich sehe die Verletzung auch als wertvolle Erfahrung, man lernt viel über sich selbst und in meinem späteren Berufsleben kann ich vielleicht anderen Betroffenen helfen. Der Vertrag bei meinem jetzigen Verein VfL Wolfsburg läuft 2021 aus und dann ist meine Karriere wahrscheinlich zu Ende. Das wird wohl der grösste Wendepunkt in meinem bisherigen Leben. Fussball ist meine grösste Leidenschaft, ich wollte nichts anderes mehr machen, seit ich mit sechs Jahren damit angefangen habe. Was ich danach mache? Keine Ahnung – ich lasse es auf mich zukommen!
Lara Dickenmann, 33, spielt beim VfL Wolfsburg in der Frauen-Bundesliga und ist Schweizer Nationalspielerin.