Berufliche Entwicklung

Die eigene Laufbahn aktiv gestalten

Mit 16 eine Lehre beginnen und mit 65 im gleichen Betrieb in Pension gehen – solche Laufbahnen existieren heute kaum noch. Im Gegenteil, die meisten Menschen in der Schweiz wechseln in ihrer beruflichen Laufbahn nicht nur mehrmals den Arbeitgeber, sondern immer öfter sogar mehrmals den Beruf. Diesen Wechseln ist man nicht einfach ausgeliefert, man kann sie selbst aktiv gestalten. Wir erklären, wie das gehen kann.

Berufslaufbahnen haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Durch den Wandel der Arbeitswelt – angetrieben durch Trends wie Digitalisierung, Alterung der Bevölkerung oder lebenslanges Lernen – verlaufen Erwerbsbiografien weniger geradlinig im Sinne einer klassischen Karriereleiter. Heute sind Zickzackwege, Fachkarrieren oder Auszeiten normal. Je nach Lebensentwurf wird die Laufbahn individuell gestaltet: Erwerbspausen, Wiedereinstieg, Branchenwechsel, Neues-Ausprobieren oder Sich-Selbstständig-Machen prägen moderne Laufbahnen. Karrieren können auch Bogen schlagen. Zur Entfaltung der eigenen Persönlichkeit wird auch mal auf dem Karriere-Zenit Verantwortung abgegeben. Heute wird weniger an Statuspositionen festgehalten. Das alles ist aktive Laufbahngestaltung.

Wandel der Arbeitswelt

Erwerbsformen ändern sich. Dienstleistungen werden in gewissen Sektoren vollständig online angeboten, neuartige Geschäftsmodelle entstehen. Das ermöglicht zeit- und ortsunabhängiges Arbeiten. Die Teilzeitarbeit nimmt zu. Oft auch mit mehreren, kleineren Jobs nebeneinander. Das kann bereichernd und befriedigend sein. Aber auch schwierig, wenn die finanziellen Verhältnisse prekär sind und für ein Leben am Existenzminimum schlechtbezahlte, temporäre Jobs angenommen werden müssen. Die beruflichen und finanziellen Realitäteten können sehr unterschiedlich sein. Die jeweilige Lebenssituation wirkt sich unmittelbar auf die Bereitschaft oder den Zwang zur (Neu-)Gestaltung der eigenen Laufbahn aus.

Die Pandemie hat einige Entwicklungen zusätzlich beschleunigt. Neue digitale Arbeitskanäle und selbstverantwortliches Arbeiten im Homeoffice können dazu motivieren, die persönliche Laufbahn zu gestalten – das Bedürfnis nach einem sicheren Arbeitsplatz kann hingegen eher hinderlich sein.

Eine gute Balance zwischen Arbeit und Privatleben zu finden, ist für viele ein entscheidender Grund, die eigene Laufbahn aktiv anzugehen. Die Grenzen zwischen Arbeit und Privatem verschwimmen zusehends. Einerseits ist das erstrebenswert, denn es ermöglicht eine flexiblere, freiere Arbeits- und Lebensgestaltung. Andererseits bedingt es aber auch die Fähigkeit, sich gut abgrenzen und abschalten zu können.

Sinnhaftigkeit als hoher Wert

Umfragen zeigen, dass für viele junge Berufsleute vor allem der Sinn ihrer Arbeit wichtig ist – Status und Lohn rücken in den Hintergrund. Vielmehr werden Selbstverwirklichung, Mitbestimmung, Vernetzung und Teamgeist oder Abwechslung und gelebte Fehlerkultur zu wichtigen Komponenten. Moderne Firmen müssen darauf reagieren, wollen sie in Zukunft attraktiv bleiben. In Laufbahnentscheiden spielen Werte eine wichtige Rolle.

Arbeitsmarktfähigkeit erhalten

Der Arbeitsmarkt wandelt sich, ebenso müssen sich Arbeitnehmende wandeln. Entscheidend ist, dass man sich selbst und seine arbeitsmarktbezogenen Fähigkeiten regelmässig einschätzt. Verfüge ich noch über die benötigten Kompetenzen? Wo stehe ich in fünf Jahren? Bin ich in der Lage mich auf völlig Neues einzustellen und mich anzupassen?

Kontinuierliches Lernen ist gefragt, ein Leben lang. Weiterbildungen sollten aber nicht aus Prinzip oder «weil man das halt macht» gewählt werden. Sie sind für die eigene Laufbahn nur dann sinnvoll, wenn sie mit Bedacht und Weitsicht gewählt werden. Weiterbildung auf Vorrat ist meist nicht zielführend. Kennt man sein berufliches Ziel, ist dieses klar umrissen, realistisch und wurde die persönliche Situation umfassend geklärt, so kann man Schritte nacheinander angehen – eine Weiterbildung kann eine Station auf dem Weg zum Ziel sein.

In der Laufbahnplanung sind aber auch Faktoren wie Bildungshintergrund, Umfeld, finanzielle, soziale oder familiäre Situation zu berücksichtigen. Eine umfassende Analyse der Lebensumstände gehört zur erfolgreichen Laufbahngestaltung dazu.

Kompetenz zur Laufbahngestaltung

Um über die eigene Laufbahn zu entscheiden und diese aktiv zu gestalten, sind gewisse persönliche Eigenschaften hilfreich. Wer gerne Neues lernt, neugierig ist und sich aus der Komfortzone wagt, packt eher herausfordernde Chancen an. Wer sich gut anpassen kann und mit Unsicherheiten umzugehen weiss, ist eher fähig, sich positiv auf eine berufliche Veränderung einzulassen. Wer kreativ, handwerklich geschickt, technikaffin oder gerne sozial tätig ist, wird wohl eher nicht durch Roboter ersetzt. Wer kommunikativ ist, wer offene Augen und Ohren hat und über ein gutes Netzwerk verfügt, an den werden eher neue Jobchancen herangetragen. Durch Offenheit können Gelegenheiten entstehen, mit denen man vielleicht gar nicht gerechnet hat. Wer zur richtigen Zeit am richtigen Ort parat ist, dem kann auch der Zufall zu Laufbahnchancen verhelfen.

Nicht zuletzt braucht es für die Laufbahngestaltung Durchhaltewille, Geduld und Biss, wenn es beim ersten Versuch nicht rund läuft.

Unterstützung durch Laufbahnberatung

Ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Laufbahngestaltung ist das Wissen um die Möglichkeiten. Das Bildungssystem der Schweiz lässt individuelle Bildungswege zu, die Fachpersonen der Berufsberatung zeigen diese in persönlichen Gesprächen auf. Das System ist durchlässig aber auch hochkomplex. Bildungslaufbahnen können berufsorientiert eingeschlagen werden – entlang von Aus- und Weiterbildungen innerhalb von Berufsbranchen und spezialisierten Funktionen. Oder sie geschehen entlang der Bildungsstufen, durch Auf-, Ab- und Quereinstiege. Die Möglichkeiten sind schier unerschöpflich.

Christine Viljehr

Christine Viljehr, Leiterin Fachbereich Berufsberatung im Kanton Zürich.