Leihmutterschaft und Adoption

«Paare sollten sich über die Perspektive und die Rechte des Kindes informieren»

Da die Leih­mut­ter­schaft in der Schweiz verbo­ten ist, lassen sich Paare ihr Wunsch­kind von Leih­müt­tern im Ausland austra­gen. Doch nach ihrer Rück­kehr werden sie von den Behör­den meist nicht auto­ma­tisch als recht­li­che Eltern aner­kannt. Heidi Stein­eg­ger leitet im Kanton Zürich seit 2003 die Zentral­be­hörde Adop­tion. Sie kennt die Fall­stri­cke, mit denen Wunsch­el­tern zu kämpfen haben, und weiss, wie man sie umgehen kann.

Frau Stein­eg­ger, Ihnen wurden vor rund zehn Jahren das erste Mal Fragen zu Leih­mut­ter­schaft im Ausland gestellt. Um was ging es da?
Ein Paar, das sein Kind durch eine Leih­mut­ter in den USA austra­gen lassen wollte, erkun­digte sich nach Infor­ma­tio­nen über das beste Vorge­hen. Das stellte uns vor einen Wider­spruch: Einer­seits wollten wir die Wunsch­el­tern möglichst umfang­reich beraten, ande­rer­seits mussten wir sie auf das Verbot der Leih­mut­ter­schaft in der Schweiz hinwei­sen. Anders gesagt: Wir berie­ten die Wunsch­el­tern in einer Sache, die in der Schweiz verbo­ten war und immer noch ist.

Wie gestal­tet sich heute der Ablauf für ein Paar, das mit einem Kind in die Schweiz zurück­kehrt, das von einer Leih­mut­ter geboren wurde?
Die Eltern müssen sich beim Zivil­stands­amt in ihrem Wohn­kan­ton melden, um die Geburt des Kindes anzu­zei­gen. Das Zivil­stands­amt entschei­det dann aufgrund gewis­ser Richt­li­nien und Voraus­set­zun­gen, ob die Eltern­schaft akzep­tiert wird oder nicht. Hier spielt zum Beispiel ein Gerichts­ur­teil aus dem Geburts­land des Kindes eine grosse Rolle.

Inwie­fern ist das so?
Zivilstandsämter können eine Eltern­schaft, die durch Leih­mut­ter­schaft entstan­den ist und dessen gene­ti­scher Vater nicht der Wunsch­va­ter ist, nur dann akzep­tie­ren, wenn das zustän­dige Gericht im Geburts­land des Kindes die Eltern­schaft fest­ge­legt hat. In den meisten Fällen ist es jedoch so, dass die Wunsch­el­tern kein Gerichts­ur­teil, sondern eine Geburts­ur­kunde des Kindes erhal­ten. Dieses reicht nicht, um das Kind direkt ins Schwei­zer Zivil­stands­re­gis­ter eintra­gen zu lassen.

Bei einer Adop­tion müssen die Spen­der­da­ten in der Schweiz hinter­legt sein.

Wie geht es weiter, wenn das Zivil­stands­amt die Eltern­schaft nicht akzep­tiert?
In diesem Fall wird das Paar an die Kanto­nale Zentral­be­hörde Adop­tion verwie­sen, also an uns. Für Paare mit Wohn­sitz in der Stadt Zürich ist die KESB zustän­dig. Die Wunsch­el­tern können einen Antrag auf Stief­kinds­ad­op­tion oder gemein­schaft­li­che Adop­tion auslö­sen. Wir bear­bei­ten diesen Antrag und leiten ihn nach Abschluss an die zustän­dige KESB weiter. Die KESB prüft den Fall und fällt gestützt auf unsere Abklä­run­gen den Adop­ti­ons­ent­scheid.

Welche Grund­vor­aus­set­zun­gen müssen Paare in der Schweiz für eine Adop­tion erfül­len?
Die Wunsch­el­tern müssen unter anderem seit mindes­tens drei Jahren verhei­ra­tet sein oder in einem eheähn­li­chen Haus­halt zusam­men­le­ben. Sie müssen über genü­gend Ressour­cen verfü­gen, um voraus­sicht­lich bis zur Voll­jäh­rig­keit des Kindes für dessen Pflege und Erzie­hung in guter Art und Weise sorgen zu können. Das heisst, sie müssen aus psycho­lo­gi­scher, pädago­gi­scher und persön­li­cher Sicht in der Lage sein, das Kind beim Aufwach­sen kompe­tent zu beglei­ten. Zudem dürfen die Wunsch­el­tern keinen Straf­re­gis­ter­ein­trag haben, der ein Risiko für eine Kinds­wohl­ge­fähr­dung bedeu­ten könnte. Bei Stief­kinds­ad­op­tio­nen muss die adop­tie­rende Person zudem mindes­tens seit einem Jahr die Pflege und Erzie­hung des Kindes mitge­stal­tet haben.

Was ist spezi­ell an einer Adop­tion im Kontext von Fort­pflan­zungs­ver­fah­ren?
Die Spen­der­da­ten müssen in der Schweiz hinter­legt sein und es muss eine Zustim­mung der leib­li­chen Eltern zur Adop­tion vorlie­gen. Bei einer Leih­mut­ter­schaft braucht es die Zustim­mung der Leih­mut­ter und in den entspre­chen­den Fällen auch die Zustim­mung der Eizell­spen­de­rin. Diese Daten müssen entwe­der bei der Zentral­be­hörde Adop­tion oder später bei der zustän­di­gen KESB offen­ge­legt werden.

Ange­nom­men die Wunsch­el­tern spenden Eizelle und Samen und lassen das Kind durch eine Leih­mut­ter austra­gen. Ist eine Adop­tion in diesem Fall einfa­cher?
Nein. Ob die Mutter gene­tisch mit dem Kind verwandt ist oder nicht, spielt keine Rolle. Das ist so, weil nach Schwei­zer Recht immer dieje­nige Frau, die das Kind gebärt, als biolo­gi­sche und recht­li­che Mutter aner­kannt wird.

Eine alters­ge­rechte und umfang­rei­che Aufklä­rung des Kindes ist von höchs­ter Wich­tig­keit.

Sie spre­chen von biolo­gi­scher und recht­li­cher Mutter. Welche Arten von Eltern­schaf­ten werden unter­schie­den?
Es gibt die biolo­gi­sche, die gene­ti­sche, die soziale und die recht­li­che Eltern­schaft. Während die biolo­gi­sche Eltern­schaft ein biolo­gi­sches Abstam­mungs­ver­hält­nis bezeich­net und durch die Zeugung und Geburt zustande kommt, muss für die gene­ti­sche Eltern­schaft direkte Bluts­ver­wandt­schaft bestehen. Die zwei Eltern­schaf­ten können bei den Frauen ausein­an­der­fal­len, nicht aber bei den Männern. Soziale Eltern­schaft bezeich­net eine soziale Rolle und bedeu­tet unter anderem die prak­ti­sche Über­nahme bestimm­ter Aufga­ben und Verant­wor­tun­gen für das Kind. Die recht­li­che Eltern­schaft schliess­lich entsteht durch die recht­li­che Zuord­nung eines Kindes zu einem Eltern­teil oder beiden Eltern­tei­len.

Was empfeh­len Sie Paaren, die sich gewis­sen­haft mit dem Weg zu ihrem Wunsch­kind ausein­an­der­set­zen wollen?
Sie sollten sich von Anfang an über die Kinds­per­spek­tive und die Kinder­rechte infor­mie­ren. Solche Bera­tun­gen bietet wir oder die Nonpro­fit-Orga­ni­sa­tion Pflege- und Adop­tiv­kin­der Schweiz an. Wunsch­el­tern können klären, welche Punkte zu beach­ten sind, um den Prozess korrekt zu gestal­ten. So redu­zie­ren sie den Stress, was sich wiederum positiv auf die Entwick­lung des künf­ti­gen Kindes auswir­ken wird.

Welchen Tipp möchten Sie Wunsch­el­tern beson­ders ans Herz legen?
Die Arbeit an der Biogra­phie des Kindes ist sehr wichtig. Das heisst, den ganzen Prozess doku­men­tie­ren, Fotos machen, Stoff­tier­chen von der Leih­mut­ter mitneh­men, ihre Briefe aufbe­wah­ren und so weiter. Eine alters­ge­rechte und umfang­rei­che Aufklä­rung des Kindes ist von höchs­ter Wich­tig­keit. Gut zu wissen: Die soziale Eltern­schaft der Wunsch­el­tern wird durch die Aufklä­rung der Kinder über die Leih­mut­ter und ihre Entste­hungs­ge­schichte nicht konkur­riert. Kinder binden sich an die Perso­nen, die sich um sie kümmern und die ihnen Liebe schen­ken. Daher empfeh­len wir den Wunsch­el­tern immer, von Anfang an ehrlich mit ihren Kindern zu sein. Sie haben nichts zu befürch­ten.

Heidi Steinegger ist Leiterin der Zentralbehörde Adoption im Kanton Zürich.

Heidi Stein­eg­ger

Heidi Steinegger ist Leiterin der Zentralbehörde Adoption im Kanton Zürich. Sie ist unter anderem zuständig für die Information und Beratung rund um Adoptionsabläufe, die Eignungsabklärung künftiger Adoptiveltern und die Platzierung von Adoptivkindern. Auch Abklärungen bei Stiefkindsadoptionen, Adoptionsbeistandschaften oder die Herkunftssuche gehören zu ihren Aufgaben.