Die ungeplanten Wendungen waren die besten
Wann immer ich ins kalte Wasser geworfen werde, setze ich Kräfte frei, das habe ich schon als Jugendlicher erlebt. Aufgewachsen bin ich ab dem fünften Lebensjahr im windigen Nordengland, wo ich auch im Winter stets kurze Hosen trug – ein Überbleibsel aus dem Kongo, wo ich meine ersten Jahre verbrachte und vorwiegend draussen lebte. Ich erinnere mich gut an das damalige Lebensgefühl, es waren prägende Jahre.
Mein Vater ist Engländer, die Mutter Schweizerin, beide waren Lehrer und sozial tätig. Nach der Zeit in England zogen wir in die Schweiz. Ich war zwölf und konnte kein Wort Deutsch. In der ersten Schulwoche war gleich Klassenlager: Niemand sprach Englisch, und ich verstand nur Kauderwelsch. Das Lebensgefühl in der Schweiz war so ganz anders als in Nordengland. Und dann die Namen! Viele unserer damaligen Nachbarn hiessen Ernst und ich nahm die Namen wörtlich, dachte, alle Leute in der Schweiz seien ernst. Der Pfarrer hiess Angst, der Metzger Streit, es gab einen Krieg und einen Kummer. Was für ein Land! Weil ich musste, habe ich schnell Deutsch gelernt, was ich rückblickend als sehr bereichernd empfinde.
Ein überraschender Anruf
Ursprünglich wollte ich Musiker werden und ans Konservatorium gehen, konnte jedoch wegen einer Verletzung nicht an die Aufnahmeprüfung. Mir fiel damals ein Buch in die Hände über Franz von Assisi, von dem ich total fasziniert war: Ich war geprägt von den Jugendunruhen, und dieser Franz war so Anti-Establishment und bewegte so viel Gutes – das bewog mich dazu, Theologie zu studieren. Im 1. Semester erhielt ich einen Anruf von der Schulgemeinde Wädenswil, ob ich nicht an der Sek den Religionsunterricht übernehmen könne. Sie suchten kurzfristig eine Interimslösung und kannten mich bereits aus der Kirchgemeinde und von der Jugendarbeit her. Ich wurde eingestellt und liebte es vom ersten Tag an. Aus den geplanten drei Wochen wurden 17 Jahre, davon 15 Jahre auch als Musiklehrer. Das Theologiestudium beendete ich; im Beruf habe ich aber nie gearbeitet.
Aus drei Wochen wurden 7 Jahre.
Meine Lieder trafen einen Nerv
Als Musikmensch wollte ich auch mit meinen eigenen Kindern Lieder singen, aber bei den Schweizer Kinderliedern fehlte mir vieles. So fing ich an, selber Lieder zu schreiben. Weil die Kinder diese auch ausserhalb von zu Hause sangen, wurden bald andere darauf aufmerksam und ich machte einige Kassetten. Als ich die erste CD machte und diese beim Lehrmittelverlag landete, ging es durch die Decke. Ich fing dann auch mit Konzerten an und der Erfolg wurde so gross, dass ich mit dem Unterrichten aufhören musste. Es waren erfolgreiche Jahre, aber mit Mitte vierzig fragte ich mich: Mache ich jetzt nochmal 20 Jahre Kinderlieder? Warten die Leute wirklich auf einen alternden Mann, der auf der Bühne den Clown spielt? Ich wollte diversifizieren, übernahm 2011 das Gastspieltheater Zürich und änderte den Namen in MärliMusicalTheater. Der Anfang war hart, ich habe viel Lehrgeld gezahlt, aber heute sind wir mit 20 000 Zuschauern das grösste Tourneetheater der Schweiz. Vielleicht trete ich künftig etwas langsamer, aber wenn die Nachfrage da ist, stehe ich auch mit 70 noch auf der Bühne!
Andrew Bond, 53, zählt zu den erfolgreichsten Kinderliedermachern und Musikern der Schweiz.