Andrew Bond

Die ungeplanten Wend­ungen waren die besten

Wann immer ich ins kalte Wasser gewor­fen werde, setze ich Kräfte frei, das habe ich schon als Jugend­li­cher erlebt. Aufge­wach­sen bin ich ab dem fünften Lebens­jahr im windi­gen Nordengland, wo ich auch im Winter stets kurze Hosen trug – ein Über­bleib­sel aus dem Kongo, wo ich meine ersten Jahre verbrachte und vorwie­gend draus­sen lebte. Ich erin­nere mich gut an das dama­lige Lebens­ge­fühl, es waren prägende Jahre.

Mein Vater ist Englän­der, die Mutter Schwei­ze­rin, beide waren Lehrer und sozial tätig. Nach der Zeit in England zogen wir in die Schweiz. Ich war zwölf und konnte kein Wort Deutsch. In der ersten Schul­wo­che war gleich Klas­sen­la­ger: Niemand sprach Englisch, und ich verstand nur Kauder­welsch. Das Lebens­ge­fühl in der Schweiz war so ganz anders als in Nord­eng­land. Und dann die Namen! Viele unserer damal­i­gen Nach­barn hiessen Ernst und ich nahm die Namen wört­lich, dachte, alle Leute in der Schweiz seien ernst. Der Pfarrer hiess Angst, der Metzger Streit, es gab einen Krieg und einen Kummer. Was für ein Land! Weil ich musste, habe ich schnell Deutsch gelernt, was ich rückblickend als sehr berei­chernd empfinde.

Ein über­ra­schen­der Anruf

Ursprüng­lich wollte ich Musiker werden und ans Konser­va­to­rium gehen, konnte jedoch wegen einer Verlet­zung nicht an die Aufnah­me­prü­fung. Mir fiel damals ein Buch in die Hände über Franz von Assisi, von dem ich total faszi­niert war: Ich war geprägt von den Jugendunruhen, und dieser Franz war so Anti-Estab­lish­ment und bewegte so viel Gutes – das bewog mich dazu, Theo­lo­gie zu studie­ren. Im 1. Semes­ter erhielt ich einen Anruf von der Schul­ge­meinde Wädens­wil, ob ich nicht an der Sek den Reli­gi­ons­un­ter­richt über­neh­men könne. Sie suchten kurz­fris­tig eine Inte­rims­lö­sung und kannten mich bereits aus der Kirch­ge­meinde und von der Jugend­ar­beit her. Ich wurde einge­stellt und liebte es vom ersten Tag an. Aus den geplan­ten drei Wochen wurden 17 Jahre, davon 15 Jahre auch als Musik­leh­rer. Das Theo­lo­gie­stu­dium been­dete ich; im Beruf habe ich aber nie gear­bei­tet.

Aus drei Wochen wurden 7 Jahre.

Meine Lieder trafen einen Nerv

Als Musik­mensch wollte ich auch mit meinen eigenen Kindern Lieder singen, aber bei den Schwei­zer Kinder­lie­dern fehlte mir vieles. So fing ich an, selber Lieder zu schrei­ben. Weil die Kinder diese auch ausser­halb von zu Hause sangen, wurden bald andere darauf aufmerk­sam und ich machte einige Kasset­ten. Als ich die erste CD machte und diese beim Lehr­mit­tel­ver­lag landete, ging es durch die Decke. Ich fing dann auch mit Konzer­ten an und der Erfolg wurde so gross, dass ich mit dem Unter­rich­ten aufhö­ren musste. Es waren erfolg­rei­che Jahre, aber mit Mitte vierzig fragte ich mich: Mache ich jetzt nochmal 20 Jahre Kinderlie­der? Warten die Leute wirk­lich auf einen altern­den Mann, der auf der Bühne den Clown spielt? Ich wollte diver­si­fi­zie­ren, über­nahm 2011 das Gast­spiel­thea­ter Zürich und änderte den Namen in Märli­Mu­si­cal­Thea­ter. Der Anfang war hart, ich habe viel Lehrgeld gezahlt, aber heute sind wir mit 20 000 Zuschau­ern das grösste Tour­nee­thea­ter der Schweiz. Viel­leicht trete ich künftig etwas lang­sa­mer, aber wenn die Nach­frage da ist, stehe ich auch mit 70 noch auf der Bühne! 


Andrew Bond, 53, zählt zu den erfolg­reichs­ten Kinder­lie­der­ma­chern und Musi­kern der Schweiz.