Crimer

Mit unvollendeter Masterarbeit zum «Best Talent»

Ich war in der 5. Klasse im St. Galler Rhein­tal, als ich zum ersten Mal merkte, dass ich gut singen kann: Wir mussten alle einzeln vorsin­gen und ich sang irg­en­detwas von den Back­street Boys. Da fiel mir auf, dass ich im Vergleich zu den anderen gar nicht so schlecht war. Seit da wollte ich eigent­lich immer singen. Später sang ich in einer Kirchenforma­tion und in der Sekun­dar­schule belegte ich das Frei­fach Chor, mit dem wir auch Auftritte hatten. Offen­bar stand ich während dem Singen immer ziemlich steif da, sodass meine Mutter einmal zu mir sagte: «Jetzt tanz doch mal ein biss­chen!». Heute sagt sie das nicht mehr – wer mich schon live gesehen hat, weiss, warum. Mit vier­zehn trat ich einer Band bei und begann, eigene Songs zu schrei­ben.

Ich würde es wieder so machen!

Ausbruch aus dem Rhein­tal und eine Krise

Seitdem hatte ich eigent­lich immer Bands und als ich für mein Studium der Kommu­ni­ka­ti­ons­wis­sen­schaf­ten nach Zürich zog, tat sich noch einmal eine neue Welt auf. Ich lernte schnell viele Leute kennen, kam zu Auftrit­ten und baute das Projekt Crimer auf. Da war aber auch noch der Abschluss meines Studi­ums, welcher sich zäh gestal­tete. Meine Master­ar­beit geriet ins Stocken, es ging einfach nicht mehr vorwärts und ich fiel in ein tiefes Loch. In dieser Zeit machte ich noch mehr Musik: Wenn ich genervt von der Arbeit war, schrieb ich Songs (ich brauche dazu nicht viel Equip­ment, das geht quasi am Schreib­tisch). Irgend­wann beschloss ich, ein ganzes Album aufzu­neh­men, und während der Arbeit daran reali­sierte ich eines Tages: Meine Master­ar­beit wird nie fertig werden. In diesem Moment beschloss ich, von jetzt an alles auf die Musik zu setzen. Von aussen gesehen wirkt es viel­leicht wie eine dumme Entschei­dung, denn bis zum Abschluss hätte nicht mehr viel gefehlt. Aber diese Phase war künst­le­risch so ergie­big und hat mich als Musiker so stark gepusht – ich würde es wieder so machen! Meine Eltern liess ich noch im Glauben, dass es mit der Master­ar­beit gut läuft. Ich traf die Entschei­dung für mich allein, erzählte es zunächst nieman­dem. Meinen Master­be­treu­ern habe ich es bis heute nicht gesagt, aber ich glaube, die haben es inzwi­schen selber gemerkt …

Endlich reiner Tisch

Als ich endlich meine Eltern infor­mierte, waren sie schon enttäuscht. Ich bin eher konser­va­tiv aufge­wach­sen und meinem Vater war sehr wichtig, dass man studiert. Das hat mich geprägt, weshalb ich den Erfolg als Crimer brauchte, um den Abbruch meines Masters recht­fer­ti­gen zu können. Seither lebe ich aber viel stress­freier: Ich treffe meine eigenen Entschei­dun­gen und mache das, was ich liebe. Meine Eltern haben mitt­ler­weile Freu­de an dem, was ich mache, aber sie stehen auch dazu, dass sie es sich anders gewünscht hätten. Umso mehr freut es mich, dass sie inzwi­schen bereits an zwei grossen Konzer­ten von mir waren.


Alex­an­der Frei alias Crimer, 29, gewann 2018 den Swiss Music Award als Best Talent.