Karriere-Durchbruch im Heizungskeller der Universität
Bereits in der Kantonsschule schrieb ich kurze Erzählungen, skurril-humoristische Texte, wovon ich einmal etwas ans Tagblatt schickte. Es wurde prompt veröffentlicht und ich durfte dann auch frech Konzert- und Theaterkritiken schreiben. Im letzten Schuljahr hatte ich mit Freunden ein Cabaretprogramm, in dem die meisten Texte von mir stammten. Ich wusste: Das will ich wieder machen! Ich begann ein Germanistik- und Romanistikstudium und mit zweiundzwanzig führte ich im alten Heizungskeller der Uni Zürich ein musikalisch-literarisches Soloprogramm mit Texten und Cello auf. Das kam auch ausserhalb des Uni-Umfeldes so gut an, dass ich in Kleintheater nach Bern, Olten und sogar Berlin eingeladen wurde. In Berlin wurde ich als Entdeckung gefeiert und erhielt die besten Kritiken meiner gesamten Karriere. Als dann weitere Einladungen nach Deutschland folgten, sagte ich mir: Gut, ich probiere das jetzt ein Jahr lang und pausiere mit dem Studium. Dieses Jahr dauert heute noch an.
Zwischen Bewunderung und Skepsis
Nach dem Jahr war klar, dass ich dabei bleiben will – trotz Rückschlägen hatte ich genug Erfolg, um davon leben zu können. In meinem Umfeld gab es abwechselnd respektvolle Verneigungen und gerunzelte Stirnen: Viele fanden, ich müsse doch auf einen Abschluss zurückgreifen können. Ich entschied aber, nur auf mich selbst zurückzugreifen und habe es nie bereut. Meinen Eltern hat mein Entschluss zwar imponiert, aber sie hatten keine Freude, dass ich das Studium abgebrochen habe. Als ich 2009 von der Uni Fribourg den Ehrendoktor erhielt, musste ich daher schmunzeln: Schaut, jetzt habe ich den Doktor doch noch gemacht!
In meinem Alter muss man nichts mehr.
Ich habe keine Lust, aufzuhören
Mit 28 wurde ich erstmals Vater und sah mich plötzlich als Ernährer einer Familie. Obwohl meine Frau auch arbeitete, dachte ich: Hoppla, jetzt muss ich die alle durchbringen – hopp, geh schreiben! Es ging nicht immer ohne Probleme, und mit Anfang 30 hatte ich eine Krise. Ich war seit zehn Jahren ununterbrochen mit Bühnenstücken beschäftigt, war etabliert als Kabarettist und Schriftsteller. Sollte das jetzt immer so weitergehen? Ich beschloss, ein Jahr lang nichts mehr anzunehmen und zu sehen, was passiert. Ich hatte Glück, denn es wurde ein sehr ideenreiches Jahr. Ich habe seither immer wieder Neues ausprobiert, zum Beispiel für Kinder schreiben, Theaterstücke, Romane und mehr. Eine Oper fehlt mir übrigens noch! Aber in meinem Alter muss man nichts mehr, und der Vorrat an Zukunft schmilzt. Ich arbeite aber gerne und bin froh, dass ich nicht in Pension gehen musste. Wenn man mir mit 65 gesagt hätte: «Schluss jetzt, Laptop aus!», das wäre schlimm gewesen. Ich kenne viele, die mit ihrer Pensionierung nicht zurechtkommen, habe auch Suizide erlebt. Ich rate daher jedem, sich rechtzeitig vor der Pension zu überlegen, welche Wünsche er an die dritten Zähne hat. Ich fühle mich sehr privilegiert, dass ich als selbstständiger Geistesarbeiter weiterarbeiten kann. Mein endgültiger Wendepunkt wird wohl erst mit dem Tod kommen – aber davon werde ich Ihnen dann leider nichts mehr erzählen können.
Franz Hohler, 76, blickt auf eine über 50-jährige Karriere als Schriftsteller, Kabarettist und Liedermacher zurück.