Franz Hohler

Karriere-Durchbruch im Heizungskeller der Universität

Bereits in der Kantons­schule schrieb ich kurze Erzäh­lun­gen, skurril-humo­ris­ti­sche Texte, wovon ich einmal etwas ans Tagblatt schickte. Es wurde prompt veröf­fent­licht und ich durfte dann auch frech Konzert- und Thea­ter­kri­ti­ken schrei­ben. Im letzten Schul­jahr hatte ich mit Freun­den ein Caba­ret­pro­gramm, in dem die meisten Texte von mir stamm­ten. Ich wusste: Das will ich wieder machen! Ich begann ein Germa­nis­tik- und Romanistik­stu­dium und mit zwei­und­zwan­zig führte ich im alten Heizungs­kel­ler der Uni Zürich ein musi­ka­lisch-lite­r­a­ri­­sches Solo­pro­gramm mit Texten und Cello auf. Das kam auch ausser­halb des Uni-Umfel­des so gut an, dass ich in Kleintheater nach Bern, Olten und sogar Berlin einge­la­den wurde. In Berlin wurde ich als Entde­ckung gefei­ert und erhielt die besten Kriti­ken meiner gesam­ten Karriere. Als dann weitere Einla­dun­gen nach Deutsch­land folgten, sagte ich mir: Gut, ich probiere das jetzt ein Jahr lang und pausiere mit dem Studium. Dieses Jahr dauert heute noch an.

Zwischen Bewun­de­rung und Skepsis

Nach dem Jahr war klar, dass ich dabei bleiben will – trotz Rück­schlä­gen hatte ich genug Erfolg, um davon leben zu kön­nen. In meinem Umfeld gab es abwech­selnd respekt­volle Vernei­gun­gen und gerun­zelte Stirnen: Viele fanden, ich müsse doch auf einen Abschluss zurück­grei­fen können. Ich entschied aber, nur auf mich selbst zurück­zu­grei­fen und habe es nie bereut. Meinen Eltern hat mein Entschluss zwar impo­niert, aber sie hatten keine Freude, dass ich das Studium abge­bro­chen habe. Als ich 2009 von der Uni Fribourg den Ehren­dok­tor erhielt, musste ich daher schmun­zeln: Schaut, jetzt habe ich den Doktor doch noch gemacht!

In meinem Alter muss man nichts mehr.

Ich habe keine Lust, aufzu­hö­ren

Mit 28 wurde ich erst­mals Vater und sah mich plötz­lich als Ernäh­rer einer Familie. Obwohl meine Frau auch arbei­tete, dach­te ich: Hoppla, jetzt muss ich die alle durch­brin­gen – hopp, geh schrei­ben! Es ging nicht immer ohne Probleme, und mit Anfang 30 hatte ich eine Krise. Ich war seit zehn Jahren unun­ter­bro­chen mit Bühnen­stü­cken beschäf­tigt, war eta­bliert als Kaba­ret­tist und Schrift­stel­ler. Sollte das jetzt immer so weiter­ge­hen? Ich beschloss, ein Jahr lang nichts mehr anzu­neh­men und zu sehen, was passiert. Ich hatte Glück, denn es wurde ein sehr ideen­rei­ches Jahr. Ich habe seither immer wieder Neues auspro­biert, zum Beispiel für Kinder schrei­ben, Thea­ter­stü­cke, Romane und mehr. Eine Oper fehlt mir übri­gens noch! Aber in meinem Alter muss man nichts mehr, und der Vorrat an Zukunft schmilzt. Ich arbeite aber gerne und bin froh, dass ich nicht in Pension gehen musste. Wenn man mir mit 65 gesagt hätte: «Schluss jetzt, Laptop aus!», das wäre schlimm gewesen. Ich kenne viele, die mit ihrer Pensio­nie­rung nicht zurecht­kom­men, habe auch Suizide erlebt. Ich rate daher jedem, sich recht­zei­tig vor der Pension zu über­le­gen, welche Wünsche er an die dritten Zähne hat. Ich fühle mich sehr privi­le­giert, dass ich als selbst­stän­di­ger Geis­tes­ar­bei­ter weiter­ar­bei­ten kann. Mein endgül­ti­ger Wende­punkt wird wohl erst mit dem Tod kommen – aber davon werde ich Ihnen dann leider nichts mehr erzäh­len können.


Franz Hohler, 76, blickt auf eine über 50-jährige Karriere als Schrift­stel­ler, Kaba­ret­tist und Lieder­ma­cher zurück.