Love it, Change it, Leave it

In drei Schritten raus aus der Unzufriedenheit mit dem Job

Bei vielen Arbeit­neh­men­den kommt nach einigen Jahren im glei­chen Job wohl der Moment, an dem man nicht mehr zufrie­den ist mit der Situa­tion. Wie aber kommt man aus dieser Unzu­frie­den­heit raus? Berufs­be­ra­ter Michael Chiller vom biz Uster erklärt die Formel: Love it, Change it, Leave it.

Flow. Wer hat noch nicht von diesem moder­nen Zauber­wort gehört? Im Flow sind wir voll in eine Tätig­keit versun­ken und verges­sen die Zeit. Um in den Genuss dieses Zustands zu kommen, ist es entschei­dend, von einer Aufgabe gefor­dert zu sein; gleich­zei­tig aber auch die nötigen Fertig­kei­ten zu besit­zen, um diese zu bewäl­ti­gen. Es ist also die goldene Mitte zwischen Über- und Unter­for­de­rung. Vermut­lich sind die Wenigs­ten bei der Arbeit ständig im Flow. Entschei­dend ist jedoch, ob dieser Zustand eher die Regel oder die Ausnahme darstellt.

Wie viel Flow erleben Sie bei Ihrer Arbeit? Das heisst, wie oft verges­sen Sie die Zeit und werden quasi eins mit Ihrer Aufgabe? Ist das bei mehr als 50 Prozent Ihrer Arbeits­zeit der Fall, dann können Sie sich glück­lich schät­zen. Denn Sie bewegen sich in einem guten Bereich, der förder­lich ist für Zufrie­den­heit, Erfül­lung und nicht zuletzt auch für die Gesund­heit. Sind Sie dagegen bei der Arbeit fort­wäh­rend unter- oder über­for­dert, dann sollten Sie etwas verän­dern. Aber was bedeu­tet das genau? Muss es gleich die Kündi­gung oder die Suche nach einem neuen Job sein? Nicht unbe­dingt. Schauen wir dazu eine weitere eingän­gige Formel aus dem Engli­schen an: «Love it. Change it. Leave it.» Was ist damit gemeint?

Love it

Liebe, was du tust. Oder fange an zu lieben, was du tust. Manch­mal reicht dazu schon ein kleiner Perspek­ti­ven­wech­sel. Ein Beispiel dafür ist ein 36-jähri­ger Hand­wer­ker, der eine Lauf­bahn­be­ra­tung in Anspruch nahm, weil er sich zuneh­mend nicht mehr für seine bishe­rige beruf­li­che Tätig­keit moti­vie­ren konnte.

Seine grosse Leiden­schaft war das Gitar­ren­spiel in einer Band. In der Bera­tung haben wir Möglich­kei­ten ange­schaut, wie er seine Leiden­schaft zum Beruf machen könnte. Nicht ganz einfach für den Vater einer jungen Familie, dem auch eine gewisse finan­zi­elle Stabi­li­tät wichtig war. In der Ausein­an­der­set­zung mit mögli­chen Berufs­wech­seln stellte sich für ihn heraus, dass seine bestehende Situa­tion eigent­lich gar nicht so schlecht war. Die Anstel­lung in seinem Betrieb hatte für ihn den Vorteil von gere­gel­ten Arbeits­zei­ten und einem festen Einkom­men. Dies ermög­lichte ihm, sich in seiner Frei­zeit voll der Gitarre zu widmen. Und so ungern übte er seinen ange­stamm­ten Beruf bei näherer Betrach­tung eigent­lich doch nicht aus. Plötz­lich erschien ihm sein jetzi­ges Lebens­mo­dell als perfekt: Zeit für seine Passion, einge­bet­tet in finan­zi­elle Stabi­li­tät. Mit diesem Blick auf die Dinge kam auch die Moti­va­tion für seine bishe­rige Arbeit zurück.

Change it

Wenn Sie sich mit Ihrer bestehen­den Situa­tion auch aus einer anderen Perspek­tive betrach­tet nicht anfreun­den können, dann ist viel­leicht die Zeit gekom­men, diese Situa­tion zu ändern. Wie zum Beispiel eine 27-jährige Frau, die eine KV-Lehre gemacht hatte und als Sach­be­ar­bei­te­rin in einem mittel­stän­di­schen Unter­neh­men arbei­tete. Ihre anfäng­lich steile Lern­kurve begann sich abzu­fla­chen und sie hatte bei der Arbeit zuneh­mend das Gefühl, mehr zu können als sie im beruf­li­chen Alltag leben konnte.

In einem ersten Schritt besprach sie ihren Wunsch nach beruf­li­cher Weiter­ent­wick­lung mit ihrem Arbeit­ge­ber. Diese Offen­heit verlangte durch­aus eine Portion Mut, wurde aber belohnt. Sie erhielt das Angebot für einen inter­nen Wechsel und machte den Sprung zur Direk­ti­ons­as­sis­ten­tin. Der Effekt: Eine neue, steile Lern­kurve und eine beruf­li­che wie auch persön­li­che Weiter­ent­wick­lung.

Nach einiger Zeit merkte sie jedoch, dass sie nicht nur aufge­tra­gene Aufga­ben ausfüh­ren, sondern die Entwick­lung ihres Unter­neh­mens selbst mitge­stal­ten wollte. Wieder legte sie diesen Wunsch ihrem Arbeit­ge­ber offen. Da die Firma gerade auf enga­gierte Projekt­lei­tende ange­wie­sen war, welche mit den inter­nen Abläu­fen und der Firmen­kul­tur vertraut waren, unter­stützte ihr Arbeit­ge­ber eine entspre­chende Weiter­bil­dung. Mitt­ler­weile ist sie – immer noch im selben Unter­neh­men – als Projekt­lei­te­rin tätig. Die Lern­kurve und Zufrie­den­heit dieser Klien­tin steigt weiter an, ohne dass sie dazu den Arbeit­ge­ber wech­seln musste.

Leave it

Wenn Sie die Lösung nicht in der Verän­de­rung Ihrer bestehen­den Situa­tion sehen, dann raus aus der Situa­tion. Diesen Punkt kenne ich aus eigener Erfah­rung. In der Schule war Deutsch eines meiner Lieb­lings­fä­cher. Ich studierte Germa­nis­tik und wurde Jour­na­list. Irgend­wann war ich von den andau­ern­den Abbau­mass­nah­men in der Branche selbst betrof­fen. Nach einigen beruf­li­chen Zwischen­sta­tio­nen landete ich in der Unter­neh­mens­kom­mu­ni­ka­tion einer Bank. Meine Schreib­fer­tig­kei­ten kamen zum Einsatz und wurden geschätzt. Kolle­gin­nen, Kolle­gen und Vorge­setzte waren fast ausnahms­los toll, der Lohn gut.

Ja, was will man denn mehr? Trotz­dem fehlte mir zuneh­mend der Sinn bei der Arbeit, und mir wurde klar, dass sich die Werte einer Bank nicht mit meinen eigenen deckten. Lange hatte ich mich bei der Suche nach meiner Beru­fung an meinen Lieb­lings­fä­chern in der Schule orien­tiert. Ein Fach Bera­tung gab es dort natür­lich nicht, und so dauerte es eine ganze Weile, bis ich heraus­fand, dass genau dort eine meiner gröss­ten Stärken lag. Bei einer Lauf­bahn­be­ra­tung wurde mir schliess­lich klar, dass ich selbst Berufs- und Lauf­bahn­be­ra­ter werden möchte. Dafür hängte ich meinen bishe­ri­gen Job an den Nagel und schlug Mitte vierzig eine neue Lauf­bahn ein. Ich habe es noch keinen Moment bereut.

Lieben, wech­seln, verlas­sen: Diese Reihen­folge gibt eine wert­volle Orien­tie­rung auf dem Weg zu beruf­li­cher Zufrie­den­heit. Natür­lich geht die damit verbun­dene Entwick­lung meist nicht von einem Tag auf den anderen. Und ja, aller Anfang ist schwer. Aber wie es der chine­si­sche Philo­soph Laotse so schön ausdrückte: Auch der längste Marsch beginnt mit dem ersten Schritt. Viel­leicht zur nächs­ten Berufs­be­ra­tung?

Dieser Text wurde zuerst auf tagesanzeiger.ch im Blog «Jobcoach» publi­ziert.