kjz-Sprechstunde

«Darf ich meiner Tochter (9) vorschreiben, wie sie ihr Sackgeld ausgeben darf?»

Mütter und Väter wissen am besten, was gut ist für ihr Kind. Doch ab und zu sind sie auch bei gröss­ter Eltern­liebe froh um ein biss­chen Unter­stüt­zung. Bei allen Fragen rund um Familie und Erzie­hung weiss das Exper­ten-Team unserer kjz-Sprech­stunde Rat. Kompe­tent, anonym und unkom­pli­ziert. Was immer Sie bewegt – wir sind für Sie da!


Liebes kjz
Meine Tochter (9) bekommt von mir regel­mäs­sig Sack­geld. Seit einiger Zeit beob­achte ich, dass sie damit nur Süssig­kei­ten kauft. Das finde ich nicht gut. Darf ich inter­ve­nie­ren oder sollte sie mit ihrem Sack­geld machen dürfen, was sie will?

Frau M.

Liebe Frau M.

Grund­sätz­lich dürfen Sie als verant­wort­li­che Mutter sehr viel – kreativ inter­ve­nie­ren, aber auch Verbote ausspre­chen. Versu­chen Sie’s, viel­leicht funktioniert’s. Womög­lich nascht Ihre Tochter dann aber heim­lich.

Ihre Frage beinhal­tet zwei Aspekte. Da wäre zum einen die Verwen­dung, pardon, die Verschwen­dung des Geldes für etwas, das in den Augen der Eltern (und des BAG) schäd­lich ist, für einen Fron­tal­an­griff auf die Zähne. Die Zähne leiden enorm unter den Auswir­kun­gen von Karies, sprich Killer­bak­te­rien. Diese gene­rie­ren Rech­nun­gen, wofür das Sack­geld weder reicht noch gedacht ist. Der zweite Aspekt betrifft unsere erwach­sene Idee vom Sparen für etwas Sinn­vol­les – was auch immer das sein soll.

Der Zweck von Sack­geld ist, den Umgang mit Geld zu erler­nen. Ein schwie­ri­ges Unter­fan­gen; auch ein Gutteil der Erwach­se­nen hat Mühe damit. In der Schweiz sind zwei von fünf Perso­nen verschul­det (Kredite, offene Rech­nun­gen, Leasing­ver­träge, Steu­er­schul­den etc.). Der höchste durch­schnitt­li­che Schul­den­be­trag, nämlich 97'032 Franken, zeigt sich in der Schul­den­be­ra­tung bei den 50- bis 59-Jähri­gen. Sie hätten viel Zeit gehabt, den Umgang mit Geld zu üben. Offen­bar fällt vielen Menschen der verant­wor­tungs­volle Umgang mit Geld schwer. Viel­leicht haben sie es nie gelernt, viel­leicht wieder verlernt. Tatsa­che ist: Niemand kann es von alleine, am wenigs­ten die Kinder. Wir alle mussten und müssen es lernen, üben, prak­ti­zie­ren.

Dabei helfen schlechte Erfah­run­gen oft mehr als Verbote oder Gebote. Wir essen Schoggi ohne Ende und merken danach, dass dies keine gute Idee war. Zahn­schmer­zen sind so eine Erfah­rung. Oder Bauch­schmer­zen. Oder die Erkennt­nis, dass das Geld für grosse Wünsche nicht reicht, wenn man stetig kleine Dinge damit kauft. Viel­leicht könnte Ihre Tochter einen Teil des Sack­gelds für einen lang­fris­ti­gen Wunsch ins Spar­schwein stecken, der andere Teil hinge­gen stünde ihr für die kurz­fris­tige Verschwen­dung zur Verfü­gung. Ihre Tochter könnte so zwei­glei­sig üben. Das liesse sich mit Regeln beglei­ten: maxi­male Anzahl Süssig­kei­ten pro Tag, keine Süssig­kei­ten vor dem Essen oder nach jedem Konsum Zähne putzen. Süssig­kei­ten machen keinen Spass mehr, wenn Zahn­pasta den Geschmack verjagt. Kreativ, effek­tiv – und kein Verbot.

Claude Ramme (Erzie­hungs­be­ra­ter) und das kjz-Team