Kinder in ihrer sexuellen Entwicklung altersgerecht begleiten: Eine reichhaltige Informationsplattform für Eltern von Kindern im Alter von 0 bis 18 Jahren der Stiftung Kinderschutz Schweiz und der Dachorganisation Sexuelle Gesundheit.
Zur PlattformSexualerziehung beginnt bereits im Kindesalter – aber wie?
Sexualerziehung beginnt nicht erst mit der Aufklärung in der Pubertät. Doch wann beginnt sie genau und wie sollen Eltern diesen Teil der Erziehung angehen? kjz-Expertin Katharina Beerli geht auf das Thema ein.
Katharina Beerli, wann ist der richtige Zeitpunkt, um mit Sexualerziehung zu beginnen?
Die Sexualität gehört von Anfang an zum Leben eines Kindes dazu. Schon Babys entdecken ihren Körper und erleben dabei Gefühle, die spannend oder anregend sind. So finden Kinder etwa das Herumspielen an ihren Geschlechtsteilen schon früh spannend. Sexualerziehung beginnt daher bereits im Babyalter, auch wenn wir Eltern uns dessen vielleicht so nicht bewusst sind. Denn nun stellt sich die Frage: Wie gehen wir mit diesen Gefühlen des Kindes um?
Was empfehlen Sie?
Am einfachsten ist es, wenn sich Eltern auf das Kind einlassen, schauen, was es macht, und sich überlegen, welches Verhalten der Erforschung des eigenen Körpers und somit auch der eigenen Sexualität dient. Auch wenn das vielleicht befremden mag. Oft ist es hilfreich, sich mit dem Partner, der Partnerin oder einer anderen Vertrauensperson darüber auszutauschen, welcher Umgang für einen persönlich stimmt. Je schamfreier man das Verhalten in die Entwicklung des Kindes einbaut, desto unbelasteter gelingt auch die Entwicklung.
Was meinen Sie konkret mit dem schamfreien Umgang?
Beobachten wir beim Wickeln, wie ein Kind an den Geschlechtsteilen herumspielt, können wir beispielsweise in Worte fassen, was das Kind gerade tut: «Ich sehe, dass es dir gefällt, wenn du dich an deinem Penis berührst.» Ein anderes Beispiel wäre das Schaukeln auf dem Spielplatz. Da sind ganz viele Gefühle beteiligt. Neben dem Nervenkitzel schaukeln manche Kinder auch deshalb gerne, weil es ihnen ein anregendes Gefühl an ihren Geschlechtsteilen gibt. Auch hier können wir der Erfahrung des Kindes Raum geben. «Gell das ist ein schönes Gefühl für dich an der Vulva, das Schaukeln tut gut und macht Spass.» Es ist wichtig, dem Kind für diese Empfindungen eine Sprache zu geben. Und je offener wir den Gefühlen und Erfahrungen Raum geben, desto einfacher können wir Kinder später auch dabei unterstützen, wenn dann die entwicklungsbedingte Scham dazukommt.
Wie lassen sich kindliche Scham und tabufreie Erziehung miteinander verbinden?
Die Scham kommt ja tröpfchenweise dazu, in Bezug auf den eigenen Körper, die Nacktheit und alles Fremde. Haben wir bereits davor über Körpergefühle gesprochen, können wir nun auch die Veränderung einfacher besprechen. Beispielsweise können wir mit dem Kind darüber reden, wie sich dieses Schamgefühl anfühlt, was es bedeutet und ob nun vielleicht gewisse Verhaltensanpassungen sinnvoll sind. Wer darf dir noch beim Duschen helfen, wer darf dich noch berühren und wie? Wo möchtest du weiterhin unbeschwert nackt herumlaufen und wo lieber nicht? Mit solchen Fragen gehen wir auf die natürliche Entwicklung des Kindes ein und nehmen es dabei ernst. Gleichzeitig bauen wir damit auch das Abstecken der eigenen Grenzen beiläufig in ihr Aufwachsen mit ein.
Sie sagen, Sexualerziehung beginnt bereits im Kindesalter. Rund um die Pubertät ändern sich die Themen ja aber doch stark. Wann ist ein guter Zeitpunkt, um auf neue Fragen einzugehen?
Das ist sehr individuell. Wenn man aber davon ausgeht, dass die ganze Breite der Gefühlswelt seit Kindesjahren Platz hat, erübrigt sich die Frage des Zeitpunkts eigentlich. Denn so ergeben sich die Gelegenheiten im Verlauf der Entwicklung laufend und von selbst. Im besten Fall kommt das Kind von sich aus mit seinen Fragen und immer stets dann, wenn es auch bereit für die Antworten ist. Gut möglich, dass aber Fragen nicht immer als solche daherkommen. Dann können Erwachsene zum Beispiel laut vermuten, was das Kind wissen möchte, und so ins Gespräch kommen.
Fragen zur Erziehung und Entwicklung Ihrer Kinder und zum Familienalltag? Die Fachleute unserer Kinder- und Jugendhilfezentren (kjz) beraten Sie gern.
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