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Zum kjz-Beratungsangebot«Soll Lina (8) Ausdauer beim Klavierspielen beweisen?»
Mütter und Väter wissen am besten, was gut ist für ihr Kind. Doch ab und zu sind sie auch bei grösster Elternliebe froh um ein bisschen Unterstützung. Bei allen Fragen rund um Familie und Erziehung weiss das Experten-Team unserer kjz-Sprechstunde Rat. Kompetent, anonym und unkompliziert. Was immer Sie bewegt – wir sind für Sie da!
Liebes kjz-Team
Unsere 8-jährige Tochter Lina nimmt Reitunterricht und spielt seit einem Jahr Klavier. Sie scheint zunehmend die Freude am Instrument zu verlieren und übt oft nur, wenn wir sie darauf hinweisen. Eigentlich wollen wir sie nicht dazu drängen, Klavier zu spielen, möchten sie aber dazu erziehen, im Leben Ausdauer zu zeigen. Was finden Sie, wie lange sollte ein Kind in ihrem Alter einen Musikkurs durchziehen? Sind Reit- und Klavierunterricht vielleicht zu viel?
Familie N. aus Meilen
Liebe Familie N.
Während manche Kinder mit mehreren Hobbys spielend klarkommen, brauchen andere viel mehr Ruhe. Herauszufinden, ob die zusätzliche Klavierstunde genug oder zu viel ist, kann für Eltern zum Drahtseilakt werden. Grundsätzlich zahlt es sich aus, wenn der Anmeldung zu einem neuen Kurs eine verbindliche Abmachung mit dem Kind vorausgeht: Wie lange soll es dranbleiben? Ein Semester, ein Jahr? Kinder halten solche Absprachen in der Regel ein.
Wichtig ist aber auch zu erfahren, warum Lina ihr Interesse am Klavierspiel zunehmend verliert. Hat es mit der Lehrperson zu tun? Fühlt sich Lina überfordert? Oder ist sie gestresst, weil ihre Woche bereits gut gefüllt ist? Vielleicht spiegelt ihr Motivationstief aber auch eine vorübergehende (Sommer-)Laune, weil Lina lieber draussen plantschen statt drinnen klimpern würde. Sie sehen: Ob Ihre Tochter in der Lage ist, ihren Musikkurs über Durststrecken hinweg durchzuziehen, hängt von vielem ab. Mitunter davon, wie sie generell ihre Energie einteilt: Manche Menschen geniessen ein volles Programm, andere wiederum laden ihre Batterien auf, indem sie viel Zeit für sich selbst haben. Ob man eher auf die eine oder andere Seite tendiert, ist individuell verschieden und fester Teil der Persönlichkeit.
Diesen Persönlichkeitsanteil im Blick zu behalten, wird oft vergessen, wenn es ums Managen der kindlichen Freizeit geht. Und Hand aufs Herz: Viele Eltern wollen zudem nichts verpassen und ihren Nachwuchs frühzeitig fördern. Doch wenn ein Kind genug Möglichkeiten hat, seine Gspänli zu treffen oder einfach mal nichts zu tun, braucht es keine speziellen Kurse. Das freie Spiel ist die beste Förderung überhaupt. Mindestens einen unverplanten Nachmittag pro Woche sollten Kinder im Primarschulalter geniessen dürfen.
So sieht das auch US-Autorin Margot Machol*. Für ihr kürzlich erschienenes Buch hat sie erforscht, was glückliche und erfolgreiche Menschen ausmacht – und herausgefunden, dass jene Menschen als Kind genug Freiraum hatten, den eigenen Neigungen nachzugehen: Lego spielen, auf Bäume klettern, Regenbögen malen – was auch immer. Viele Eltern fürchten, solche Beschäftigungen seien wenig zielführend. Laut Machols Befunden scheint das Gegenteil der Fall zu sein.
Es lohnt sich also, Ihre Tochter zu beobachten und sie in all ihren Facetten wahrzunehmen – mit feinen Antennen und der Bescheidenheit, eigene Freizeit-Interessen getrost hinten anzustellen.
Ursina Ehrensperger (Erziehungsberaterin) und das kjz-Team
* Margot Machol: «Raising an Entrepreneur: How to Help Your Children Achieve Their Dreams – 99 Stories from Families Who Did», 400 Seiten, BookBaby 2022.
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