Pubertät – Freiraum und Mitbestimmung

Teenager und ihr Bedürfnis nach Freiheit

Plötz­lich sitzt uns am Tisch ein Teen­ager gegen­über, der nur noch wenig an das Kind von gestern erin­nert. Die Tochter findet Mutter und Vater pein­lich, der Sohn bleibt am liebs­ten in seinem Zimmer. Was läuft da ab? Eine kleine Gebrauchs­an­wei­sung, wie Sie und Ihre Kinder die Puber­tät unbe­scha­det über­ste­hen.


Die meisten Teen­ager fordern ab einem gewis­sen Alter laut­stark mehr Frei­hei­ten. Das ist auch gut so, denn durch Frei­räume und Mitbe­stim­mung üben Jugend­li­che Selbst­stän­dig­keit und Selbst­ver­ant­wor­tung. Doch für Eltern ist die Situa­tion nicht immer einfach. Bleiben Sie ein aktives Gegen­über, über­las­sen Sie aber die Entschei­dun­gen zuneh­mend Ihrem Kind.

Was geht ab bei Luca und Lea?

Lea
Lea will unbe­dingt mit ihrer besten Freun­din bei sich zu Hause eine grosse Party machen.

Luca
Luca schmie­det Pläne für den nächs­ten Sommer: Er möchte mit seinen Freun­den alleine in die Ferien fahren.

Die Eltern der beiden nehmen sich ein paar Tage Zeit, um sich diese Wünsche durch den Kopf gehen zu lassen. Was denken Sie? Welche Verein­ba­run­gen sollten die Eltern mit Lea und Luca treffen? Lesen Sie weiter. Am Ende des Beitrags finden Sie einen Vorschlag.

Die Kinder in die Welt entlas­sen

Einige Eltern lassen ihrem Kind sehr viele Frei­hei­ten, ohne ihm aber gleich­zei­tig die entspre­chende Verant­wor­tung zu über­ge­ben. Tauchen Schwie­rig­kei­ten auf oder hat eine Entschei­dung des Teen­agers nega­tive Folgen, sprin­gen sie sofort in die Bresche und lösen die Probleme für das Kind. Der Jugend­li­che lernt so nicht, mit den Folgen seines Tuns umzu­ge­hen.

Andere Eltern wiederum geben ihrem Teen­ager aus Angst vor mögli­chen Risiken sehr wenig Frei­raum. Doch Kinder können nicht immer und jeder­zeit beschützt werden. Wir müssen sie vertrau­ens­voll Schritt für Schritt in die Welt gehen lassen.

Frei­räume ermög­li­chen Selbst­stän­dig­keit und Selbst­ver­trauen

In der Puber­tät braucht ein Kind Frei­räume, damit es Selbst­stän­dig­keit und Selbst­ver­ant­wor­tung üben kann. Es muss lernen, Entschei­dun­gen zu treffen, mit den Folgen dieser Entschei­dun­gen klar zu kommen, mit Fehl­ent­schei­den umzu­ge­hen. So erwirbt es Selbst­ver­trauen und übt eigen­ver­ant­wort­li­ches Verhal­ten. Eltern sollten deshalb zuneh­mend Mitbe­stim­mung zulas­sen und Verant­wor­tung über­ge­ben.

Mehr Entschei­dungs­frei­heit, aber auch mehr Verant­wor­tung

Denken Sie als Eltern daran, mit grös­se­ren Frei­hei­ten auch die entspre­chende Verant­wor­tung zu über­ge­ben.

Nehmen wir an, dass Sie Ihrem Teen­ager vermehrt Frei­raum in schu­li­schen Belan­gen geben. Das bedeu­tet beispiels­weise nicht, dass Ihr Kind seine Haus­auf­ga­ben stets alleine machen muss – es ist aber selber dafür verant­wort­lich, bei Bedarf um Hilfe zu bitten.

Oft müssen Eltern es aushal­ten, dass Teen­ager weniger Enga­ge­ment als gewünscht zeigen. Mütter und Väter konzen­trie­ren sich dann am besten auf alles, was die Moti­va­tion stärkt: ermu­ti­gende Worte, Inter­esse zeigen, Unter­stüt­zung anbie­ten bei Orga­ni­sa­tion und Planung usw.

Beim Entscheid, wie viel Frei­raum Sie erlau­ben möchten, helfen viel­leicht folgende Anre­gun­gen.

Fünf Tipps und Tricks

  1. Geben Sie sich Zeit
    Natürlich können Sie Ihrem Kind nicht von heute auf morgen alles erlau­ben. Wann und wie viel hängt von der Reife Ihres Kindes ab und davon, wie viel Selbst­stän­dig­keit es bisher üben konnte.
  2. Die entschei­dende Frage
    Fragen Sie sich im konkre­ten Fall: Kommt mein Kind – mit meiner Unter­stüt­zung – mit allfäl­li­gen Schwie­rig­kei­ten klar? Sie können diese auch im Voraus mit Ihrem Kind bespre­chen und mögli­che Lösun­gen diskutieren.
  3. Probleme selber lösen lassen
    Lassen Sie Ihr Kind Probleme selber lösen. Gibt es Schwie­rig­kei­ten, helfen Sie ihm dabei, Lösun­gen zu finden.
  4. Wo sich Frei­raum anbie­tet
    Sie wissen nicht, wo Sie Ihrem Teen­ager schritt­weise mehr Frei­raum und Verant­wor­tung geben könnten? Prüfen Sie doch einmal die Berei­che Klei­dung, Essen, Arbeit (Lehre, Schule, Frei­zeit­jobs), Trans­port und Frei­zeit. Viel­leicht sehen Sie hier Möglich­kei­ten, Ihrem Kind mehr Selbst­stän­dig­keit zuzutrauen.
  5. Mitspra­che­recht bei Fami­li­en­an­ge­le­gen­hei­ten
    Geben Sie Ihrem Kind auch Mitspra­che­recht bei Fami­li­en­ent­schei­dun­gen. Zum Beispiel bei gemein­sa­men Ausflü­gen, Möbel­an­schaf­fun­gen für das Zimmer oder bei der Auftei­lung von anste­hen­den Arbei­ten im Haus­halt.

Die Verein­ba­run­gen mit Lea und Luca

Die Eltern von Luca und Lea haben mit ihnen Verein­ba­run­gen getrof­fen, die sowohl Frei­räume wie auch Verpflich­tun­gen beinhal­ten.

Lea
Lea hatte schon oft Freun­din­nen bei sich zu Hause. Der Lärm hielt sich jeweils in Grenzen und die Mädchen haben danach jeweils gut aufge­räumt. Deshalb erlau­ben die Eltern ihr, die Party zu orga­ni­sie­ren. Die Eltern machen Lea eindring­lich klar, dass sie als «Gast­ge­be­rin» die Verant­wor­tung für den Anlass trägt. Es werden alle Rahmen­be­din­gun­gen bespro­chen: Zeiten, Gäste­liste, Alko­hol­ver­bot, Aufräu­men etc.

Luca
Die Eltern von Luca wollen noch nicht für das nächste Jahr entschei­den. Sie erlau­ben Luca aber zum kommen­den Geburts­tag eine «Test-Reise»: Ein verlän­ger­tes Wochen­ende in einer Jugend­her­berge oder auf einem Zelt­platz in der Schweiz. Bevor sie mit Luca alle Details bespre­chen, infor­mie­ren sie sich über Wissens­wer­tes darüber, wenn Jugend­li­che alleine Ferien machen.

Gabriela Leuthard ist Mutter von drei Kindern und leitet die Geschäftsstelle Elternbildung im AJB.

Gabriela Leuthard

Gabriela Leuthard ist Mutter von drei Kindern und leitet die Geschäftsstelle Elternbildung im AJB. Diese sorgt für einen vielfältigen Elternbildungsmarkt und arbeitet mit zahlreichen Anbietern sowie auch mit Eltern zusammen.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf feel-ok.ch, der Gesund­heits­platt­form für Jugend­li­che.