Theater am Tisch

Ihr Kind spuckt das Znacht aus. Was Sie als Eltern sagen könnten

Worte haben Wirkung. Sie können stärken oder Mut machen, den Mut aber auch nehmen oder tief verlet­zen. Wie können Eltern schwie­rige Situa­tio­nen im Alltag mit Worten lösen, ohne Kindern weh zu tun? Finden Sie Anre­gun­gen in unserer Serie «Macht der Worte».


Ihr Kind isst nicht

Es gibt Abend­essen, alle sind am Tisch. Plötz­lich spuckt Ihr Kind einen Bissen quer über den Tisch: «Wääh, grusig!» Das vertra­gen Sie nicht: «Was söll das Theater?! So chasch grad is Bett!»

Das geht viel­leicht in Ihnen vor

Sie gaben sich Mühe beim Kochen, und nun das! «Sollen doch alle froh sein, dass sie über­haupt genug zu essen bekom­men und sowieso, was sind das für Tisch­ma­nie­ren?!» Solche Gedan­ken sind verständ­lich. Aus Ihrer Sicht werden hier Werte mit Füssen getre­ten. Beden­ken Sie: Sie haben diese Werte bereits verin­ner­licht – Ihr Kind muss sie erst lernen. Wahr­schein­lich hat das Kind aber im Moment ein anderes Bedürf­nis. Zudem haben Sie (oder beide) vermut­lich Hunger, dann werden Situa­tio­nen noch schnel­ler explo­siv.

Das könnten Sie statt­des­sen sagen

«Schau, ich stelle den Teller zuerst einmal weg. Jetzt putzt du bitte das Essen auf. Nachher kannst du mir sagen, ob du über­haupt Hunger hast.» So zeigen Sie, dass Sie sich dafür inter­es­sie­ren, was in Ihrem Kind vorgeht. Gleich­zei­tig lernt es, dass es für sein Verhal­ten gera­de­ste­hen muss. Ist es noch klein, können Sie ihm Hilfe anbie­ten.

Nun geht es darum, heraus­zu­fin­den, was hinter dem Verhal­ten steckt. Äussern Sie Ihre Vermu­tung: «Hast du keinen Hunger?», «Bist du müde?», «Brauchst du einen Moment für dich?». Helfen Sie dem Kind aus der Situa­tion heraus und schaf­fen Sie etwas Distanz. Etwa indem Sie den Teller zusam­men wegräu­men oder das Kind kurz vom Tisch gehen darf. Bleiben Sie ruhig und geben Sie beiden Zeit.

Das «Wäh, grusig» stört Sie? Sagen Sie klar, dass Sie das nicht möchten. Äussern Sie Ihre Werte aus der Ich-Perspek­tive («Ich mag es nicht, wenn …», «Mir ist wichtig, dass …»). Kinder lernen aller­dings auch schnell, dass Sie mit solchen Sätzen eine Reak­tion auslö­sen können. In diesen Fällen hilft igno­rie­ren meist mehr («Ich sehe, dir schmeckt es nicht.», «Ich sehe, du bist nicht hungrig.»).

Sicht des Kindes

Ein Kind benimmt sich am Tisch aus unter­schied­li­chen Gründen unpas­send. Manch­mal meinen wir, Kinder wollen uns provo­zie­ren. Kinder machen mit ihrem Verhal­ten aber auf ihre Bedürf­nisse aufmerk­sam.

Viel­leicht hat das Kind keinen Hunger oder ist müde und es fällt ihm daher schwer, sich konzen­triert an die Regeln zu halten. Viel­leicht geht es ihm nicht gut, braucht Zuwen­dung oder Aufmerk­sam­keit und sucht diese mithilfe von nega­ti­vem Verhal­ten («Wääh!»). Je nach Alter und Tempe­ra­ment sind Kinder auch über­for­dert damit, lange ruhig zu sitzen.

Drohen wir dem Kind oder strafen wir es für sein Verhal­ten, zeigen wir ihm in erster Linie, dass wir Macht haben und diese ausüben können. Damit über­ge­hen wir das Bedürf­nis, das dem Verhal­ten zugrunde liegt, und treiben das Kind noch mehr in eine Nega­tiv­spi­rale.

Worte haben Wirkung

Worte können trösten oder stärken, aber auch verun­si­chern und verlet­zen. Respekt­volle Worte schaf­fen Vertrauen, schla­gen Brücken in Konflik­ten und stärken die Bezie­hung.

Wie weiter

  • Gemein­same Mahl­zei­ten sind wich­tige Mittel­punkte im Tages­ab­lauf. Wenn die Kinder grösser sind, sind diese oft der einzige Treff­punkt für die Familie. Deshalb lohnt es sich, am Esstisch ein entspann­tes Mitein­an­der zu fördern: Alle dürfen zu Wort kommen und alle gehen respekt­voll mitein­an­der um.
  • Defi­nie­ren Sie für sich, was Ihnen am Esstisch wichtig ist. Passen Sie Ihre Erwar­tun­gen dem Alter und Tempe­ra­ment Ihres Kindes an. Entwi­ckeln Sie daraus gemein­sam Tisch­re­geln. Dabei können Sie aufzei­gen, warum Ihnen was wichtig ist, und Ihr Kind kann sich äussern, wenn ihm etwas davon noch schwer­fällt. Mehr zu Tisch­re­geln
  • Ist die Situa­tion am Tisch immer wieder ange­spannt, können Verän­de­run­gen helfen. Viel­leicht hilft eine neue Sitz­ord­nung, das Kind kommt erst an den Tisch, wenn bereits geschöpft ist, oder es kann vom Tisch gehen, sobald es genug geges­sen hat. Legen Sie den Fokus dabei auf das, was bereits klappt.

Das hilft, die rich­ti­gen Worte zu finden

  • Schmie­den Sie das Eisen, wenn es kalt ist.
    In der Wut kann man nichts klären. Sind Sie im Stress oder kocht Ihr Kind vor Wut, sagen Sie besser nichts oder nehmen kurz Abstand vonein­an­der.
  • Vermei­den Sie Wertun­gen und Vorwürfe.
    Benennen Sie statt­des­sen Ihre eigenen Empfin­dun­gen und Wünsche oder sagen Sie, welche Ihrer Grenzen über­schrit­ten wurden. Das schafft Verständ­nis und Empa­thie. Zum Beispiel: «Mir ist es zu laut. Ich hatte einen langen Arbeits­tag und bin froh, wenn du zum Spielen raus­gehst.» Machen wir statt­des­sen Wertun­gen oder Vorwürfe ("Kannst du nicht ein Mal …?", "Tu nicht so blöd …", "Wie oft muss ich dir noch sagen …?"), greifen wir den Selbst­wert eines Kindes an.
  • Sagen Sie, was Sie möchten – nicht, was Sie nicht möchten.
    So helfen Sie dem Kind aus der Situa­tion heraus, zum Beispiel: «Sprich bitte freund­li­cher mit mir», «Lass uns das noch­mals zusam­men üben», «Hol bitte den Lappen, um das wieder sauber­zu­ma­chen».
  • Suchen Sie nach dem Gefühl oder Bedürf­nis des Kindes.
    Auch wenn Sie sich ärgern: Über­le­gen Sie sich, was hinter dem Verhal­ten des Kindes stecken könnte. Dabei gilt: Alle Gefühle sind okay, nicht aber alle Verhal­tens­wei­sen.
  • Suchen Sie eine Lösung für die Bedürf­nisse von beiden.
    Am besten gemein­sam.
  • Fragen Sie sich: Wie kann mein Kind am besten lernen, was ich von ihm möchte?
    Dabei lassen sich Kinder oft besser auf spie­le­ri­sche Art für ein neues Verhal­ten gewin­nen als mit Druck.

Und wenn doch einmal etwas heraus­rutscht: Auch Eltern haben manch­mal einen schlech­ten Tag. Wichtig ist, dass Sie danach hinste­hen, sich entschul­di­gen und keinen Zweifel offen­las­sen, dass Sie das Kind weiter­hin gern­ha­ben.

Hier finden Sie Kurse, um sich mit dem Thema vertieft ausein­an­der­zu­set­zen.