Kitty Cassée, Leiterin kompetenzhoch3, Institut für wirksame Jugendhilfe

«Gute Praxis» in der Jugendhilfe

Wer möchte nicht «Gutes tun», wenn es um das Wohl von Kindern und Jugend­li­chen geht? Die Frage, wie «gute Praxis» gelin­gen kann, ist aus meiner Sicht noch nicht befrie­di­gend gelöst. Was könnte weiter­hel­fen?

Für «gute Praxis» müssen zum einen Insti­tu­tio­nen, Profes­sio­nen und Perso­nen mit unter­schied­li­chen Hin­tergründen und Aufga­ben zusam­men­ar­bei­ten. Zum anderen gilt es, den Nach­weis guter Praxis zu erbrin­gen, was verlangt, dass wir unser Tun immer wieder einer kriti­schen Prüfung unter­zie­hen, d. h. evalu­ie­ren. Dazu eine Begriffs­klä­rung, die verdeut­licht, welche Berei­che wir unter die Lupe nehmen können, wenn wir die Quali­tät und die Wirkung unseres Tuns prüfen wollen.

Input- oder Aufwand­mes­sung
Ressourcen, die in die Leis­tungs­er­brin­gung einflies­sen (z. B. Mitar­bei­tende, Zeit)

Output- oder Leis­tungs­mes­sung
Beschreibung der Leis­tungs­an­ge­bote sowie der Leis­tungs­nut­zung, z. B. Kompe­tenz- und risi­ko­ori­en­tierte Arbeit mit Fami­lien (KOFA) und Zahl der Fami­li­en­ein­sätze, Heim­pflege und Zahl der Plat­zie­run­gen

Outcome- oder Wirkungs­mes­sung
Wirkungen bei den Ziel­grup­pen: Verän­de­run­gen im Denken, Fühlen bzw. Handeln von Klientinnen/Klienten, Prozess­be­ur­tei­lun­gen durch Klient­sys­tem und Zuwei­sende

Impact- oder Wirkungs­mes­sung
Wirkungen auf gesell­schaft­li­cher Ebene: Verän­de­run­gen für die Gesamt­ge­sell­schaft bzw. für bestimmte Subsys­teme, z. B. Reduk­tion der Dauer von Fremd­plat­zie­run­gen durch inten­sive Eltern­ar­beit

Input- und Output­mes­sun­gen sind Bestand­teile der Leis­tungs­ver­ein­ba­run­gen, die im neuen Kinder- und Jugend­heim­ge­setz vorge­se­hen sind. Wirkungs­mes­sun­gen (als Outcome und als Impact) fehlen weitest­ge­hend und können dann zu einem festen Bestand­teil der Jugend­hilfe werden, wenn es gelingt, Formen von ROM – Routine Outcome Moni­to­ring – zu veran­kern, die in den angel­säch­si­schen Ländern weit verbrei­tet sind. Der zentrale Schritt dazu: Leis­tungs­er­brin­ger erstel­len als Stan­dard Berichte mit Ziel­for­mu­lie­run­gen und Zielerreichung, holen Prozess­be­ur­tei­lun­gen sowie Follow-up-Ergeb­nisse beim Klient­sys­tem und den zuwei­sen­den Fach­per­so­nen ein und leiten diese zur Auswer­tung an eine Forschungs­stelle weiter. Auf diesem Weg zur evidenz­ba­sier­ten Praxis werden laufend Daten zu den gemach­ten Erfah­run­gen gesam­melt, die genutzt werden für Anpas­sun­gen in der Ange­bots­pa­lette, in der Prozess­ge­stal­tung sowie zur Verbes­se­rung der genutz­ten Instru­mente. So entsteht praxis­ba­sierte Evidenz auf der Grund­lage eines Dialogs von Fach­per­so­nen im direk­ten Klien­ten­kon­takt mit Fach­per­so­nen für Evaluation/Weiterentwicklung der Ange­bote.

Eine solche praxis­ba­sierte Zusam­men­ar­beit zwischen Praxis und Forschungs­stelle mit dem Fokus auf Quali­tät und Wirkung wird in den Jugend­an­walt­schaf­ten des Kantons Zürich seit mehre­ren Jahren mit Erfolg prak­ti­ziert. Mit Instru­men­ten, die sowohl in der direk­ten Klien­ten­ar­beit als auch für Evalua­ti­ons­vor­ha­ben genutzt werden, konnten jähr­lich sowohl Output- als auch Outco­me­mes­sun­gen mit vergleichs­weise gerin­gem Aufwand reali­siert werden. Die fach­li­chen Grund­la­gen und die benö­tig­ten Instru­mente wurden als KORJUS-Metho­dik (Kompe­tenz- und Risi­ko­ori­en­tie­rung für die Jugend­straf­rechts­pflege) imple­men­tiert und evidenz­basiert immer wieder leicht ange­passt. Für die aufsuchende Fami­li­en­ar­beit und für statio­näre Settings konnten erste Erfah­run­gen gesam­melt werden.

Skep­ti­sche Stimmen beur­tei­len die Orien­tie­rung an Stan­dards und Outcome kritisch, andere Stimmen sehen genau darin einen fach­li­chen Gewinn für Klientsysteme und Leis­tungs­er­brin­ger. Unser Standpunkt: Durch Evalua­tio­nen in Form von ROM-Prozes­sen können wich­tige und notwen­dige Erkennt­nisse für «gute Praxis» in der Jugend­hilfe gewon­nen werden.

Kitty Cassée
Leiterin kompetenzhoch3, Insti­tut für wirk­same Jugend­hilfe