Trennung und Scheidung – Eltern erzählen

Nach der Trennung konnten beide als Eltern am gleichen Strick ziehen

Eltern sind bei einer Tren­nung oder Schei­dung stark mit sich selbst beschäf­tigt. Dabei verges­sen sie leicht, dass ihre Kinder und Noch-Partner oder -Part­ne­rin­nen vor genauso grossen Heraus­for­de­run­gen stehen. In dieser Serie schauen Eltern, die sich vor vielen Jahren getrennt haben, zurück und reflek­tie­ren ihr eigenes Verhal­ten.

Mauro Schwerz­mann* (40), trennte sich vor acht Jahren von seiner Part­ne­rin und der Mutter seiner inzwi­schen elfjäh­ri­gen Tochter. 

Eigent­lich zeich­nete sich bei uns schon früh ab, dass unsere Bezie­hung nicht so funk­tio­nierte, wie sie das hätte tun sollen. Es war eine roman­ti­sche Verbin­dung, jedoch ohne rich­ti­ges Commit­ment zuein­an­der. Als meine dama­lige Part­ne­rin mit unserer Tochter Annina schwan­ger wurde, wehrten wir uns aber nicht dagegen. Wir freuten uns, waren uns aller­dings schon im Vorfeld bewusst, dass es eine Heraus­for­de­rung werden könnte.

Ich wusste, dass ich die Eltern­schaft ernst nehmen wollte. Ich hatte Ja zum Kind gesagt und wollte es anders machen als mein Vater, ein Unter­neh­mer, der viel Zeit ins Geschäft gesteckt und uns Kinder selten gesehen hat. Deshalb redu­zierte ich auf 80 Prozent und schlug auch ein einma­li­ges Karrie­re­an­ge­bot aus. Für mich standen meine Tochter und ihr Wohl im Vorder­grund.

Das Kind war da, doch die Konflikte auch
Wir versuch­ten dann einiges, um etwas hinzu­bie­gen, was nicht funk­tio­nierte. Doch es gab viele Konflikte und ich hatte zuneh­mend Mühe mit der Situa­tion. Sich selbst einzu­ge­ste­hen, dass die Bezie­hung nicht ist, wie man es sich gewünscht hätte, war aber nicht einfach. Ich gab uns noch lange eine Chance, irgend­wann kam ich aber an den Punkt, an dem ich Mühe hatte, dass ich so lebte. Ich kam aus einem Zuhause, in dem oft schlechte Stim­mung herrschte ohne gutes Mitein­an­der – in ein solches Zuhause wollte ich meine Tochter nicht führen. Ich wollte ehrlich sein mit meinen Gefüh­len.

Schliess­lich setzte ich mir eine Dead­line. Wenn ich nach einem halben Jahr immer noch das Gefühl hatte, in einer Bezie­hung zu leben, die sich nicht richtig anfühlte, dann fand ich eine Tren­nung besser, auch für das Kind. Aufgrund der Unsi­cher­hei­ten hatten wir von Anfang an das gemein­same Sorge­recht und die Vater­schafts­an­er­ken­nung bean­tragt und fest­ge­legt, dass wir uns je zur Hälfte an der Verant­wor­tung und Finan­zie­rung betei­li­gen; ich kam zum Schluss, dass man diese beiden Hälften als gemein­same Eltern auch in zwei Wohnun­gen leben kann. Diese Gefühle besprach ich mit meiner dama­li­gen Part­ne­rin. Sie sah auch, dass unsere Verbun­den­heit nicht so eng war, doch die Dead­line kam trotz­dem nicht so gut an.

Ich kam aus einem Zuhause, in dem oft schlechte Stim­mung herrschte ohne gutes Mitein­an­der – in ein solches Zuhause wollte ich meine Tochter nicht führen.

Als ich schliess­lich ging, fühlte sie sich schon sehr vor den Kopf gestos­sen von mir. Diese Zeit war nicht einfach. Doch der Zufall wollte, dass sie sich bald darauf neu verliebte, was alles etwas rela­ti­vierte.

Die Tren­nung brachte auch Entspan­nung
Nach der Tren­nung hatten wir deut­lich weniger Konflikte, das tat gut. Annina war noch so klein, dass wir ihr erzäh­len konnten, dass Papa und Mama nun je eine eigene Wohnung hätten und sie dafür sogar zwei. Mir war dabei immer wichtig, dass wir uns bewusst waren, wie wir vor Annina redeten. Vor dem eigenen Kind schlecht über­ein­an­der zu reden, finde ich etwas vom Schlimms­ten. Am Ende des Tages muss man sich doch vor dem Spiegel fragen, was das für einen Zweck hat, wenn diese Person nicht da ist. Damit nehme ich doch bewusst in Kauf, dass mein Kind an diesem Punkt in Schwie­rig­kei­ten kommt, wie kann ihm das gut tun? Das sahen wir beide gleich.

Da wir unseren Frust und die eigene Trauer immer vor Annina fern­hiel­ten, zeigte sie sich lange unbe­ein­druckt von der neuen Situa­tion. Erst etwa in der dritten Klasse begann sie, Fragen zu stellen, warum wir nicht mehr zusam­men waren. Wir gaben ihr dann möglichst ehrlich Antwor­ten. Ich würde sagen, Annina fand es gut, dass wir so mit ihr redeten. Trotz­dem hätte sie es sich anders gewünscht. Mir war es aber wichtig, ehrlich mit ihr zu sein und ihr auch aufzu­zei­gen; Papa und Mama sind Menschen, die nicht immer so sind, wie man es sich wünscht, aber es ist ok so.

Vor dem eigenen Kind schlecht über­ein­an­der zu reden, finde ich etwas vom Schlimms­ten.

Seither war Annina immer zu mindes­tens 50 Prozent bei mir. Trotz allen Einver­neh­mens fand ich es aber immer wieder aufs Neue schwie­rig, sie gehen zu lassen. Auch fiel es mir am Anfang schwer, mit den Konven­tio­nen der Gesell­schaft und den damit verbun­de­nen Versa­gens­ge­füh­len umzu­ge­hen. Es brauchte seine Zeit, bis ich sagen konnte, ja, ich bin Teil­zeit allein­er­zie­hend und ja, theo­re­tisch hätte es eine andere, bessere Situa­tion gegeben. Aber prak­tisch gab es die nicht, deshalb ist es für alle das Beste so.

Als Eltern wurden wir ein starkes Team
Heute sagen wir, wir haben es in dieser Konstel­la­tion besser als vorher, wir ziehen gemein­sam am selben Strick. Da wir einan­der letzt­lich nicht böse waren, konnten wir es wahr­schein­lich auch so ernst nehmen, Annina in den Vorder­grund zu stellen und sie wo immer möglich zu schüt­zen. So verbrach­ten wir von Anfang an weiter­hin Zeit mitein­an­der, am Wochen­ende, aber auch unter der Woche. Wir gingen sogar zusam­men in die Ferien, später dann auch mit neuen Part­ner­schaf­ten und Kindern, gemein­sam als grosses Patch­work-Gewusel.

Um das zu schaf­fen, brauchte es das Einge­ständ­nis, dass die Bezie­hung zwar fehl­schlug, das Kind aber gewünscht war und nicht in unsere Defi­zite mitein­be­zo­gen werden durfte.

Um das zu schaf­fen, brauchte es das Einge­ständ­nis, dass die Bezie­hung zwar fehl­schlug, das Kind aber gewünscht war und nicht in unsere Defi­zite mitein­be­zo­gen werden durfte. Ich schätze, das müssen beide wollen, sonst geht es nicht. Auch gegen­über neuen Part­ner­schaf­ten machten wir klar, dass unsere Bezie­hung schüt­zens­wert ist und dass es da wenig Spiel­raum gibt, wie ein Natur­schutz­ge­biet. Natür­lich klappte es nicht immer gleich gut, gerade auch was die Part­ner­schaf­ten betraf. Ein Kind mit jeman­dem ausser­halb der eigenen Bezie­hung gross­zu­zie­hen, heisst, auch Zeit und Aufmerk­sam­keit aufzu­tei­len. Es ist schwie­rig, allen Bedürf­nis­sen gerecht zu werden und gerade in Bezie­hun­gen mit Frauen ohne eigene Kinder setzte mich das oft stark unter Druck. Doch für mich galt immer; meine Tochter ist das Wich­tigste.

Unser Patch­work gibt Zuver­sicht
Ich finde, wir haben es bisher gut gemacht, und ich rechne meiner Ex-Part­ne­rin hoch an, dass sie die Basis dafür schaf­fen wollte, das alles gemein­sam zu meis­tern. Ist man verletzt, schliesst man manch­mal seine Türen, doch sie hat sie immer wieder aufge­macht und dafür bin ich ihr tief dankbar. Das heisst nicht, dass es nicht immer mal wieder schwie­rig war. Doch wenn es nicht die Ideal­si­tua­tion ist, darf man nicht enttäuscht sein. Zum Leben gehören schmerz­hafte Momente und Enttäu­schun­gen dazu, da muss man realis­tisch bleiben. Ich glaube, entschei­dend sind Aufrich­tig­keit – sich selbst, aber auch den anderen gegen­über – und auch der Glaube, dass niemand extra etwas schlecht machen möchte, auch nicht in Bezie­hun­gen. Auch finde ich wichtig, inneren Frieden zu finden; schliess­lich trägt man jeden Frust und jede Wut auf andere letzt­lich selbst mit.

Ich bin froh, wie wir das geschafft haben. Annina kommt nun allmäh­lich in die Puber­tät. Sie freut sich über die neue Part­ne­rin an meiner Seite und darüber, dass wir ein gutes Team sind, ich merke aber auch, wie die Peer­group wich­ti­ger wird, Fragen kommen nicht mehr gross. Das Loslas­sen fällt mir zwar immer noch schwer, es tut aber auch gut, denn es nimmt mit der Zeit Ängste und gibt statt­des­sen Vertrauen. Aus dem afri­ka­ni­schen Kultur­raum habe ich einmal gehört, dass ein Kind nur dann richtig erzogen werden kann, wenn die Erzie­hung von möglichst vielen Leuten im Dorf mitge­tra­gen wird. So lernen Kinder verschie­dene Zusam­men­hänge von Kontext, Regeln und Konse­quen­zen kennen – und das ist doch eine ähnli­che Berei­che­rung in Patch­work-Fami­lien.

* alle Namen geän­dert

Unter­stüt­zung für Eltern in Tren­nung

Eine Tren­nung müssen Sie nicht alleine durch­ste­hen. Im Kanton Zürich unter­stüt­zen Sie die Kinder- und Jugend­hil­fe­zen­tren (kjz) an drei­zehn Stand­or­ten.

Mehr zu Wie die kjz Fami­lien in Tren­nung unter­stüt­zen


Lesen Sie hier alle unsere Beiträge zum Thema Tren­nung und Schei­dung von Eltern.

Medi­en­emp­feh­lun­gen zum Thema

Die Empfeh­lun­gen für Kinder und Eltern der Stadt- und Regio­nal­bi­blio­thek Uster sowie die im Folgen­den aufge­lis­te­ten Medien der PBZ Pesta­lozzi Biblio­thek Zürich sind in diver­sen Biblio­the­ken des Kantons Zürich zu finden.

Für Kinder

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    Eine Geschichte zum Lesen, Erzäh­len und Spielen über die Rechte von Kindern in einem Verfah­ren (Geschichte mit recht­li­chen Infor­ma­tio­nen)
  • Was, wenn Eltern ausein­an­der­ge­hen? | Dagmar Geisler
    Sachbilderbuch, Geschichte mit Infor­ma­tio­nen zur Diskus­sion mit Kindern ab 5 Jahren
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Für Eltern

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  • Kindern bei Tren­nung und Schei­dung helfen | Psycho­lo­gi­scher und juris­ti­scher Rat für Eltern | Claus Koch, Chris­toph Stre­cker
  • Mut zur Tren­nung | Plädoyer für eine mutige und produk­tive Entschei­dung – Kinder brau­chen Aufrich­tig­keit | Jutta Martha Beiner