Trennung und Scheidung – Kinder erzählen

Überraschende Trennung mit Streit, aber ohne richtige Gespräche

Kinder kommen bei einer Tren­nung ihrer Eltern oft kaum zu Wort. Dabei tragen sie am Leid meist mehr mit, als ihren Eltern in diesem Moment bewusst ist. In dieser Reihe erzäh­len Schei­dungs­kin­der, wie sie es damals erleb­ten, als die Bezie­hung ihrer Eltern zerbrach.

Ein Erfah­rungs­be­richt von Simone Hasler*, damals 17 Jahre alt

Ich dachte lange nie daran, dass meine Eltern sich jemals trennen könnten. Sie führten ein «ganz norma­les Leben». Mein Vater arbei­tete hundert Prozent, meine Mutter war Haus­frau. Sie waren gut vernetzt in unserem Dorf, unter­nah­men viel, waren Mitglie­der im Sport­club. Ich sah meine Eltern nie strei­ten, sodass ich hätte merken können, dass Probleme exis­tier­ten. Bis irgend­wann klar wurde, dass mein Vater eine andere Bezie­hung führte. Von da an zogen sich die Ausein­an­der­set­zun­gen über zwei bis drei Jahre hin und wurden ein stiller, aber präsen­ter Beglei­ter unseres Fami­li­en­le­bens. Trotz­dem traf es mich uner­war­tet, als mein Vater eines Tages auszog. Ich war da sieb­zehn Jahre alt.

Meine Eltern redeten viel mit mir über ihre Diffe­ren­zen. Aller­dings ging es dabei vor allem um sie beide und darum, was der jeweils andere alles falsch machte, wirk­lich mit mir redeten sie nicht. Beide gingen wohl davon aus, dass wir Kinder alt genug seien, um mit allem klar­zu­kom­men. Lange dachte ich auch, dass das stimmte und mir alles nichts ausmachte. Ich kann mich an keine Momente der beson­de­ren Trau­rig­keit oder gar Verzweif­lung erin­nern. Ich machte mir nur Sorgen um meine Mutter, dachte, ich müsse für sie da sein und mich um sie kümmern. Im Nach­hin­ein denke ich aber, dass der Zeit­punkt ihrer Strei­tig­kei­ten nicht gerade ideal für mich war. Es war meine Teen­ager­zeit, ich hätte mich mit mir beschäf­ti­gen und mich festi­gen müssen, um mich ablösen zu können. Dafür wäre eine stabile Basis zuhause sicher die bessere Voraus­set­zung gewesen. Eine Freun­din meiner Mutter sagte einmal zu ihr, dass sie sich um meinet­wil­len auch einmal zusam­men­reis­sen könnte, schliess­lich sei ich immer für sie da. Doch meine Mutter war sehr stark mit sich selbst beschäf­tigt.

Es war meine Teen­ager­zeit. Ich hätte mich mit mir beschäf­ti­gen und mich festi­gen müssen, um mich ablösen zu können.

Meine Studi­en­zeit war dann nicht einfach für mich, ich war lange auf der Suche, fühlte mich ohne Wurzeln und Heimat. Die Tren­nung meiner Eltern erschwerte gleich­zei­tig auch die Bezie­hung zu meinem Vater. Doch auch mit drei­und­zwan­zig dachte ich noch, dass das alles keinen grossen Einfluss auf mich habe. Erst nach einer eigenen Tren­nung habe ich begon­nen, Dinge aufzu­ar­bei­ten und zu hinter­fra­gen, wie bei uns kommu­ni­ziert und Bezie­hun­gen gepflegt wurden oder eben nicht. Es wäre wert­voll gewesen, hätten meine Eltern damals richtig mit uns geredet. Darüber, wie es uns Kindern ging und was diese Situa­tion mit uns machte. Ich verstehe, dass eine solche Lebens­phase erschüt­tert – es geht um viel, die Bezie­hung, den Selbst­wert, die Zukunft. Wenn man sich auch noch um andere kümmern muss, ist das viel – von der Büro­kra­tie ganz zu schwei­gen. Aber Kinder sind deshalb nicht einfach zweit­ran­gig, sie brau­chen nach wie vor einen Platz für ihre Gefühle und Bedürf­nisse, auch wenn sie bereits im Jugend­al­ter sind. Hat man als Eltern dafür zu wenig freie Ressour­cen, kann man ja vorüber­ge­hend Freunde um Unter­stüt­zung bitten oder externe Fach­leute beizie­hen. Mir hätte eine solche neutrale Person auf jeden Fall gut getan.

Wenn ich zurück­schaue, sehe ich, dass meine Eltern keine erfüllte Bezie­hung geführt hatten. Sie lebten zwar mitein­an­der, doch ich habe kaum Nähe und echten Austausch zwischen ihnen erlebt. Selbst Streit schaff­ten sie oft zu umgehen. Und wenn sie sich doch strit­ten, gingen sie auch dabei kaum aufein­an­der ein. Eher erfüll­ten sie mit ihrer Ehe wohl gesell­schaft­li­che Konven­tio­nen. So wollte mein Vater die Ehe eigent­lich auch nicht auflö­sen, als seine Affäre aufge­flo­gen war. Ich glaube, sie waren stark von tradi­tio­nel­len Vorstel­lun­gen geprägt – eine Familie hatte zusam­men­zu­blei­ben. Sie lebten diesen Wert aber nicht mit dem Herzen. Eher lebten sie die Vorstel­lung von Gut und Böse, Scham und Schuld. Die Unter­ord­nung unter diese Werte kostete sie aller­dings in meinen Augen viel ihrer Leich­tig­keit.

Es wäre wert­voll gewesen, hätten meine Eltern damals richtig mit uns geredet. Darüber, wie es uns Kindern ging und was diese Situa­tion mit uns machte.

Ich bedaure, dass sich meine Eltern so wenig reflek­tier­ten. Bezie­hun­gen sind nicht einfach, sie brau­chen Liebe und Arbeit. Erwach­sene sollten sich meiner Meinung nach dabei bewusst sein, dass sie ihre Probleme der nächs­ten Gene­ra­tion weiter­ge­ben, wenn sie sich den Konflik­ten nicht stellen.

Zu erken­nen, dass die Ausein­an­der­set­zung mitein­an­der unter dem Strich aufrei­ben­der ist, als dass sie die Bezie­hung weiter­bringt, ist unglaub­lich schmerz­haft. Es braucht Mut und ist nicht einfach, solche Gefühle mitzu­tei­len und Verständ­nis dafür zu bekom­men. Aber eine Tren­nung kann eine Erleich­te­rung für beide sein und es gibt Hilfe, die man sich holen kann. Und ist es denn nicht besser, wenn man sich selbst einge­steht, was einem gut tut und was nicht, und sein Leben somit aktiv an die Hand nimmt?

* Name geän­dert

Gesam­melte Kinder­wün­sche

  • Bitte lasst uns als Familie mitein­an­der über die Tren­nung reden.
  • Holt euch Hilfe, wenn das Reden schwer­fällt.
  • Bitte gebt uns zu spüren, dass ihr die Verant­wor­tung für eure Bedürf­nisse und Hand­lun­gen über­nehmt und das nicht unsere Aufgabe ist.
  • Bitte gebt uns das Gefühl, dass wir nicht für die Verän­de­run­gen verant­wort­lich sind.
  • Bitte lasst uns weiter­hin zu euch beiden ohne schlech­tes Gewis­sen eine Bezie­hung haben. Wir haben euch beide gern.
  • Bitte zeigt uns, dass euer Konflikt nur eure Part­ner­schaft betrifft und nicht uns oder euch als Eltern.

Unter­stüt­zung für Eltern in Tren­nung

Eine Tren­nung müssen Sie nicht alleine durch­ste­hen. Im Kanton Zürich unter­stüt­zen Sie die Kinder- und Jugend­hil­fe­zen­tren (kjz) an drei­zehn Stand­or­ten.

Mehr zu Wie die kjz Fami­lien in Tren­nung unter­stüt­zen


Lesen Sie hier alle unsere Beiträge zum Thema Tren­nung und Schei­dung von Eltern.

Medi­en­emp­feh­lun­gen zum Thema

Die Empfeh­lun­gen für Kinder und Eltern der Stadt- und Regio­nal­bi­blio­thek Uster sowie die im Folgen­den aufge­lis­te­ten Medien der PBZ Pesta­lozzi Biblio­thek Zürich sind in diver­sen Biblio­the­ken des Kantons Zürich zu finden.

Für Kinder

  • Juris erklärt dir deine Rechte | Kinder­rechte bei einer Tren­nung oder Schei­dung und Kindes­schutz | Monika Spring und Patrick Fassbind
    Eine Geschichte zum Lesen, Erzäh­len und Spielen über die Rechte von Kindern in einem Verfah­ren (Geschichte mit recht­li­chen Infor­ma­tio­nen)
  • Was, wenn Eltern ausein­an­der­ge­hen? | Dagmar Geisler
    Sachbilderbuch, Geschichte mit Infor­ma­tio­nen zur Diskus­sion mit Kindern ab 5 Jahren
  • Und was wird jetzt mit mir? | Schei­dung – Die besten Antwor­ten auf wich­tige Kinder­fra­gen | Jan von Holle­ben, Arne Jorgen Kjos­bak­ken, Dialika Neufeld
    Ratgeber für Kinder
  • Juri West sieht rot | Doris Meissner-Johannknecht
    Kinderroman ab 8 Jahren, thema­ti­siert die neue Wohn­si­tua­tion und den sozia­len Abstieg des Vaters
  • Tilda und der Duft der Welt | Karin Koch
    Geschichte zum Thema Sehn­sucht nach dem Vater, zum Vorle­sen
  • Papa wohnt jetzt anderswo | Gergely Kiss
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  • Ich hab jetzt zwei Kinder­zim­mer | Véro­ni­que Puts
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  • Und Papa seh ich am Wochen­ende | Martina Baum­bach, Barbara Korthues
    Bilderbuch

Für Eltern

  • Eltern bleiben nach der Tren­nung | Was Ex-Partner für sich und ihre Kinder wissen sollten | Mari­anne Nolde
  • Schei­dung | Faire Rege­lun­gen für Kinder – gute Lösun­gen für Wohnen und Finan­zen | Daniel Trach­sel
  • Wenn Eltern sich strei­ten | Fami­li­en­kon­flikte: Schlacht­feld oder Chance? | Hans-Jürgen Gaugl
  • Die Luft brennt | Kinder im Tren­nungs­krieg | Char­lotte Michel-Biegel
  • Gemein­sam Eltern bleiben | Trotz Tren­nung oder Schei­dung | Margret Bürgis­ser
  • Glück­li­che Schei­dungs­kin­der | Was Kinder nach der Tren­nung brau­chen | Remo H. Largo, Monika Czernin
  • Kindern bei Tren­nung und Schei­dung helfen | Psycho­lo­gi­scher und juris­ti­scher Rat für Eltern | Claus Koch, Chris­toph Stre­cker
  • Mut zur Tren­nung | Plädoyer für eine mutige und produk­tive Entschei­dung – Kinder brau­chen Aufrich­tig­keit | Jutta Martha Beiner