kjz-Sprechstunde

«Unser Sohn (2½) schlägt und kratzt seine Schwester (10 Wo.). Wie sollen wir eingreifen?»

Mütter und Väter wissen am besten, was gut ist für ihr Kind. Doch ab und zu sind sie auch bei gröss­ter Eltern­liebe froh um ein biss­chen Unter­stüt­zung. Bei allen Fragen rund um Familie und Erzie­hung weiss das Exper­ten-Team unserer kjz-Sprech­stunde Rat. Kompe­tent, anonym und unkom­pli­ziert. Was immer Sie bewegt – wir sind für Sie da!


Liebes kjz
Unser Sohn (2½) schlägt und kratzt seine zehn Wochen alte Schwes­ter. Wir haben es mit Verständ­nis versucht, ihm aber gesagt, dass er das nicht machen darf. Auch haben wir ihn jeweils aus der Situa­tion genom­men, damit er sich beru­higt. Leider hat es nichts gebracht und er macht weiter. Was ist hier der rich­tige Weg? Wie können wir ihm helfen?
Familie S.

Liebe Familie S.

Die Geburt eines neuen Fami­li­en­mit­glieds ist für alle Betei­lig­ten aufre­gend und mit vielen Gefüh­len verbun­den. Bei Geschwis­ter­kin­dern können neben Freude, Faszi­na­tion und Neugier auch Gefühle von Wut, Konkur­renz und grosser Unsi­cher­heit entste­hen. Es ist nicht immer leicht, vor allem die nega­ti­ven Gefühle liebe­voll und mit Verständ­nis zu beglei­ten.

Eine Familie kann man sich bild­lich wie ein Mobile vorstel­len. Kommt ein neues Mitglied dazu, müssen die anderen erst wieder ihr Gleich­ge­wicht finden, bevor sich das Mobile stabi­li­sie­ren kann. Ihr Sohn scheint von der neuen Situa­tion über­for­dert zu sein. Er muss nun die vorher unge­teilte Aufmerk­sam­keit von Ihnen als Eltern mit seiner Schwes­ter teilen. Gleich­zei­tig ist er damit beschäf­tigt, seine Gefühle kennen­zu­ler­nen. In seinem Alter hat er noch nicht zu allen Gefüh­len die dazu passen­den Wörter gelernt. Hinzu kommt, dass es kleinen Kindern in Stress­si­tua­tio­nen häufig nicht mehr möglich ist, sich verbal auszu­drü­cken.

Was kann Ihnen und Ihrem Sohn im momen­ta­nen Alltag helfen?

Lassen Sie in der aktu­el­len Situa­tion Ihre Tochter nicht mit Ihrem Sohn alleine. Versu­chen Sie, den «Aufmerk­sam­keits­tank» Ihres Sohnes gut zu füllen. Welche Art von Zuwen­dung den Tank am besten füllt, ist von Kind zu Kind unter­schied­lich. Manche Kinder genies­sen exklu­sive Kuschel­zeit mit einem Eltern­teil, andere lieben es, wenn sie den Eltern helfen dürfen. Auch tägli­che unge­teilte Zuwen­dung und posi­tive Rück­mel­dun­gen helfen Ihrem Sohn, sich im neuen Alltag besser zurecht­zu­fin­den.

Geben Sie ihm immer wieder Gele­gen­heit, mit seiner Schwes­ter in Kontakt zu kommen. Viel­leicht darf er Ihnen eine Windel bringen oder den Kinder­wa­gen schie­ben helfen. So geben Sie ihm die Möglich­keit, sich wert­voll zu fühlen. Wenn beide Kinder entspannt sind, lassen Sie ihn mit seiner Schwes­ter kuscheln. Es kann sein, dass das nur für wenige Minuten möglich ist. Beob­ach­ten Sie Ihren Sohn gut, wann es ihm zu viel wird und teilen Sie ihm Ihre Beob­ach­tun­gen mit: «Ich glaube, es wird dir langsam zu viel. Möch­test du, dass ich deine Schwes­ter zu mir nehme?»

Sollte es doch wieder passie­ren, dass er seine Schwes­ter kratzt oder schlägt, bleiben Sie möglichst ruhig. Versu­chen Sie, sein Handeln kurz aber deut­lich zu stoppen, indem Sie seine Hand halten und stopp sagen. Vermei­den Sie es zu schimp­fen. Sein Verhal­ten ist Ausdruck seiner eigenen Verzweif­lung, für die er noch kein anderes Ausdrucks­mit­tel gefun­den hat.

Ich wünsche Ihnen Kraft und Geduld und vor allem viel Freude mit Ihrer Familie.

Wibke Enderli (Mütter- und Väter­be­ra­te­rin) und das kjz-Team

Haben Sie eine Frage?

Haben Sie eine Frage zur Erzie­hung, zum Zusam­men­le­ben in der aktu­el­len Situa­tion oder ganz allge­mein zum Fami­li­en­le­ben? Das kjz-Team beant­wor­tet regel­mäs­sig Fragen in der «kjz-Sprech­stunde».