kjz-Sprechstunde

«Unser Sohn steckt in einem emotionalen Chaos. Er tritt, kratzt und petzt sein Schwesterchen»

Mütter und Väter wissen am besten, was gut ist für ihr Kind. Doch ab und zu sind sie auch bei gröss­ter Eltern­liebe froh um ein biss­chen Unter­stüt­zung. Bei allen Fragen rund um Familie und Erzie­hung weiss das Exper­ten-Team unserer kjz-Sprech­stunde Rat. Kompe­tent, anonym und unkom­pli­ziert. Was immer Sie bewegt – wir sind für Sie da!


Liebes kjz
Unser Sohn hat ein Schwes­ter­chen bekom­men und durch­lebt seither ein emotio­na­les Chaos. Er sucht Aufmerk­sam­keit, tritt dabei die Kleine, kratzt und petzt und gerät von einem emotio­na­len Chaos­zu­stand zum nächs­ten. Wir können die Kleine nie mit ihm alleine lassen. Auch beide Gross­el­tern und ich bekom­men die Atta­cken ab. Trotz­dem versu­che ich mir immer wieder vor Augen zu führen, dass der kleine Mann die Wirkung seines Handelns noch nicht erkennt. Auch sage ich dem Umfeld, dass Strafen nicht der rich­tige Weg ist; ich bin aber der Meinung, dass eine Reak­tion ange­zeigt ist, wenn er anderen wehtut.
Ich möchte von meinen Über­zeu­gun­gen, wie ein sinn­vol­les Mitein­an­der aussieht, nicht abwei­chen, merke aber, dass ich alleine gelas­sen werde. Es ist sehr anstren­gend und kostet mich viel Energie. Was kann ich tun?

Liebe Familie

Die Ankunft eines weite­ren Fami­li­en­mit­glieds bringt viel Bewe­gung und neben aller Freude auch Heraus­for­de­run­gen in den Alltag.

Ihr Sohn scheint von der neuen Situa­tion deut­lich über­for­dert zu sein. Gerät ein Kind in eine solche inner­li­che Notlage, gibt es unter­schied­li­che Stra­te­gien. Manche Kinder ziehen sich zurück und werden sehr still; andere Kinder tragen ihre Gefühle nach Aussen und reagie­ren mit Wut und körper­li­chen Atta­cken. Heute wissen wir: Ein Kind in Wut ist ein Kind in Not. Bei grossen Emotio­nen ist der kogni­tive Teil des kind­li­chen Gehirns nur schwer erreich­bar, wenn über­haupt. Bestra­fun­gen oder Erklä­run­gen, warum ein gezeig­tes Verhal­ten nicht erwünscht ist, kommen beim Kind in diesen Momen­ten nicht an. Es gilt deshalb das Motto «Das Eisen schmie­den, wenn es kalt ist». Spre­chen Sie mit Ihrem Sohn, wenn er ruhig und entspannt ist. Zeigen Sie ihm Alter­na­ti­ven auf, zum Beispiel mit dem Fuss auf den Boden stamp­fen oder in ein Kissen hauen. In den Momen­ten, in denen er Sie oder andere petzt, nehmen Sie seine Hand und sagen: «Nein, das tut weh.», ohne weitere Erklä­run­gen.

Halten Sie auch gegen­über anderen, zum Beispiel den Gross­el­tern, an Ihrer empa­thi­schen Beglei­tung Ihres Sohnes fest. Sein Handeln ist keine Bösar­tig­keit gegen­über seiner Schwes­ter, sondern persön­li­che Verzweif­lung, die entspre­chend aner­kannt und beglei­tet werden sollte.

Auch wenn der Alltag im Moment anstren­gend ist, lassen Sie Ihre Kinder möglichst nicht alleine. Sobald sich Ihr Sohn in der neuen Situa­tion besser zurecht­fin­det und andere Möglich­kei­ten gefun­den hat, seine Gefühle auszu­drü­cken, wird der Alltag entspann­ter werden.

Damit auch Sie diese anstren­gende Zeit gut über­ste­hen, über­le­gen Sie sich, wie Sie in diesen Momen­ten gut herun­ter­fah­ren. Das können einige tiefe Atem­züge mit langem Ausat­men sein, die das eigene Nerven­sys­tem beru­hi­gen, oder Sie öffnen kurz das Fenster, um frische Luft in den Raum zu lassen. Viel­leicht finden Sie noch andere hilf­rei­che Stra­te­gien.

Für weitere hilf­rei­che Ideen für den Alltag können Sie gerne bei den Mütter- und Väter­be­ra­te­rin­nen im kjz in Ihrer Nähe vorbei­schauen.

Ich wünsche Ihnen viel Kraft, Zuver­sicht und Freude mit Ihrer Familie.

Wibke Enderli (Mütter- und Väter­be­ra­te­rin) und das kjz-Team

Haben Sie eine Frage?

Haben Sie eine Frage zur Erzie­hung, zum Zusam­men­le­ben in der aktu­el­len Situa­tion oder ganz allge­mein zum Fami­li­en­le­ben? Das kjz-Team beant­wor­tet regel­mäs­sig Fragen in der «kjz-Sprech­stunde».