Fragen zur Erziehung und Entwicklung Ihrer Kinder und zum Familienalltag? Die Fachleute unserer Kinder- und Jugendhilfezentren (kjz) beraten Sie gern.
Zum kjz-BeratungsangebotFamilie Müller verreist in die Ferien. Das Problem: Sohn Tim und Tochter Mia, beide mitten in der Pubertät, möchten die Ferien so ganz anders verbringen als ihre Eltern. Das bedeutet in erster Linie eines – Streit. Sandra Grubenmann Lieske, Psychologin und Erziehungsberaterin, erklärt, wie Ferien mit Jugendlichen nicht zum Stressfaktor werden und ab wann man sie alleine ziehen lassen kann.
Sandra Grubenmann Lieske, viele Jugendliche wie Tim und Mia haben irgendwann keine Lust mehr auf Familienferien. Was kann das bei Eltern auslösen?
Je älter Kinder werden, desto stärker entwickeln sie sich zu Persönlichkeiten mit eigenen Interessen und Wünschen. Das gehört zur Entwicklung von Selbstständigkeit dazu und ist daher ganz normal und wichtig. Doch manchmal werden ihre Eltern von den Veränderungen überrascht. Wenn der Nachwuchs plötzlich nicht mehr gemeinsam Ferien verbringen möchte, kann das Eltern in regelrechte Krisen stürzen. Manche fragen sich vielleicht gar, ob sie etwas falsch machen. Solche Veränderungen bergen aber immer Chancen. Die Eltern wissen dann, dass in absehbarer Zeit beispielsweise auch wieder Ferien zu zweit oder mit Freunden möglich werden.
Wie sollen Eltern das Thema Familienferien angehen?
Es hilft, frühzeitig zu besprechen, wer welche Interessen und Erwartungen hat. Dabei sollten auch die «Do’s and Dont’s» der Ferien geklärt werden. Danach gilt es, Kompromisse zu schliessen. Wichtig ist, dass die Eltern auf die Anliegen der Jugendlichen eingehen – zum Beispiel, indem sie einen Game-Tag einplanen oder einen Vergnügungspark besuchen. Wenn die Eltern über ihren Schatten springen, können sie das auch von den Jugendlichen erwarten.
Am Urlaubsort angekommen möchten die Eltern wandern, die Kinder lieber im Hotel bleiben. Wie können solche Konflikte gelöst werden?
Dies ist sehr individuell. Aber es hilft, vor den Ferien zu klären, ob man alles gemeinsam unternimmt oder auch getrennt Zeit verbringt. Wenn man etwas gemeinsam unternimmt, das die Jugendlichen nicht wollen, hilft es wenig, eine Diskussion zu starten. Wie zum Beispiel: «Weshalb findest du immer das, was wir machen wollen, doof?» Eine bessere Methode ist es, zu sagen «Ihr müsst mitkommen, aber die schlechte Laune dürft ihr auch mitnehmen.» Es kann sein, dass die schlechte Laune irgendwann verfliegt. Wenn nicht, ist das auch in Ordnung. Dann hilft Gelassenheit. Man kann sich sagen: «Okay, die schlechte Laune ging nicht weg, aber die Phase geht bald vorbei.»
Mia und Tim haben nach der Wanderung neue Bekanntschaften gemacht. Nun wollen sie mit den neuen Freunden eine lokale Bar besuchen. Die Eltern haben ein mulmiges Gefühl. Was tun?
Die Eltern haben eine Aufsichtspflicht. Daher gilt hier das Gleiche, wie zuhause: Sie müssen wissen, mit wem die Jugendlichen unterwegs sind, wo sie hin wollen, wann sie nach Hause kommen und wie sie erreichbar sind. Gerade im Ausland, wenn die Regeln vielleicht anders oder nicht bekannt sind, ist es auch in Ordnung, Nein zu sagen, wenn Eltern ein mulmiges Gefühl haben. Sie können den Jugendlichen erklären, warum sie die Verantwortung so nicht übernehmen können. Und die schlechte Laune akzeptieren, die sie dann haben werden.
Nach einer Woche liegen die Nerven blank. Anstelle von Erholung gibt es mehr Streit als Zuhause. Wie können sich die Eltern trotzdem entspannen?
Es kommt oft vor, dass die Streitereien in den Ferien zunehmen, da man sich näher ist und mehr Zeit miteinander verbringt. Hier hilft etwas Abstand zur Beruhigung. Aus Wut und Enttäuschung heraus entstehen selten gute Gespräche oder brauchbare Lösungen. Wenn man als Eltern zu zweit ist oder wenn es möglich ist, die Jugendlichen alleine zu lassen, hilft etwas Zeit mit Abstand. Dies ist wichtig, um sich zu erholen und den Teufelskreis zu durchbrechen.
Tim hat genug und verkündet, nächstes Jahr alleine zu verreisen. Wie sollen die Eltern reagieren?
Es gibt kein biologisches Alter, ab wann die Kinder alleine reisen können. Das macht auch Sinn, denn die Jugendlichen entwickeln sich unterschiedlich. Der Impuls sollte aber von den Jugendlichen kommen und nicht von den Eltern. Bei Tim gilt es also abzuschätzen, ob ihm diese Verantwortung zugemutet werden kann und in welchem Rahmen (wohin, wie lange, mit wem, mit welchem Kontakt mit den Eltern). Insbesondere bei Reisen ins Ausland ist es wichtig, zu prüfen, ob Tim überhaupt ohne Eltern verreisen darf.
Und was, wenn das Vertrauen nicht besteht?
Dann ist es wichtig, Nein zu sagen, Tim aber gleichzeitig eine Perspektive aufzeigen. Zum Beispiel: «Dieses Jahr geht das noch nicht. Wir glauben aber, dass du nächstes Jahr soweit bist. Lass uns dann noch einmal reden.» Und dann muss man die Wut und die Enttäuschung aushalten. In der Regel verpufft der Ärger auch wieder. Wenn der Streit deswegen immer wieder aufflammt, kann es helfen, gemeinsam als Familie eine Beratungsstelle wie das kjz in Ihrer Region aufzusuchen. Davor sollte man sich nicht scheuen. Eine neutrale Person kann im Gespräch mit Jugendlichen sehr wertvoll sein.
Auch die Eltern sehnen sich in all der Anspannung plötzlich danach, wieder einmal alleine zu verreisen. Wann liegt das drin?
Eltern haben auch das Recht auf Erholung. Man sollte sich das aber in Ruhe überlegen und nicht nach einem Streit in den Ferien im Impuls handeln. Wenn Eltern ohne ihre Kinder verreisen, ist es wichtig, dass sie den Jugendlichen während der sturmfreien Zeit zuhause vertrauen. Wenn man dieses Vertrauen (noch) nicht hat, können vielleicht Betreuungspersonen helfen, in dieser Zeit aufzupassen. Auch ist es gut, so etwas mit den Jugendlichen früh genug zu besprechen. Wenn sie nicht längere Zeit alleine bleiben wollen, ist es besser, noch etwas zu warten. Aber egal, ob die Eltern oder die Jugendlichen mit getrennten Ferien nicht einverstanden sind: Es ist nur aufgeschoben, nicht aufgehoben.
Kantonaler Elternbildungstag, 10. Mai 2025
Ein Hauptreferat – acht Impulsreferate – Kinderbetreuung – spannende Inputs für Ihren Erziehungsalltag – Austausch mit anderen Eltern und Erziehungsberechtigten: Das ist der Elternbildungstag in der Alten Kaserne in Winterthur!