Sicherer Start ins Leben

Väter sind im ersten Jahr genauso wichtig

Väter sollen als Bezugsperson nicht im Schatten der Mütter stehen. Denn: Verbringen sie schon früh viel Zeit mit ihren Kindern, profitieren diese von einer weiteren sicheren Bindung – und werden damit stark fürs Leben gemacht. 

Es ist dem Menschen von Geburt an in die Wiege gelegt; das Bedürfnis, sich an andere Personen zu binden. Alleine können Babys nicht überleben. Sie brauchen Bezugspersonen, die ihre Bedürfnisse befriedigen und ihnen Geborgenheit und Sicherheit vermitteln. Gelingt diese Interaktion, führt dies zu einer sicheren Bindung. Die Wichtigkeit dieser Bindung ist unbestritten. So schreibt Karl Heinz Brisch, deutscher Kinder- und Jugendpsychiater und Autor mehrerer Bücher zum Thema Bindung, dass Kinder mit einer sicheren Bindung die Ressourcen haben, sich körperlich, seelisch und sozial gesund zu entwickeln. Auf diese Bindung, auch Urvertrauen genannt, könnten sie zeitlebens wie auf ein sicheres Fundament zurückgreifen.

Entscheidend sind Verlässlichkeit und Zeit

Lange Zeit wurde davon ausgegangen, dass die Bindung hauptsächlich zwischen Mutter und Kind entsteht. So wurde in der früheren Forschung nur die Mutter-Kind-Bindung untersucht. Erst in den 1960er Jahren ging man erstmals der Frage nach, ob auch Väter wichtige Bindungspersonen sein können. Und verschiedene Studien haben gezeigt: Sie können es. Mehr noch, bei der Entwicklung der Bindung sind weder Geschlecht noch die biologische Verwandtschaft ausschlaggebend. Vielmehr kommt es darauf an, wie verlässlich die Person für das Kind ist und wieviel Zeit mit dem Kind verbracht wird. Im Alltag bedeutet dies; das Baby baden, wickeln, trösten, mit ihm spielen, aufmerksam sein und vor allem – da sein, wenn ihm etwas fehlt. Und das können Väter genauso gut. Daher profitieren auch schon kleine Babys von der Zeit mit ihren Vätern. Sie ist nicht nur die Basis für das spätere Fundament, auch lernen Babys dadurch, dass sie zu unterschiedlichen Personen unterschiedliche Beziehungen haben können und entwickeln eine gewisse Flexibilität, wenn Vater und Mutter unterschiedliche Herangehensweisen haben.

Neue Rollen brauchen Zeit – auch die Vaterrolle

Das erste Lebensjahr ist für die Entwicklung einer sicheren Bindung entscheidend. Die Kinder machen dadurch die Erfahrung, dass die Welt ein sicherer Ort ist und dass sich jemand um sie sorgt. Auf diese Erfahrungen können sie in Zeiten von Belastung und Stress zurückgreifen. Doch genau dieses Jahr ist auch für die Eltern hochanspruchsvoll. Die Welt wird nach der Geburt erst einmal auf den Kopf gestellt. Die Selbstverständlichkeiten der Paarbeziehung geraten ins Wanken, der bisherige Alltagsrhythmus aus dem Takt. Aufgaben, Verantwortlichkeiten und Erwartungen verändern sich. Es muss unglaublich vieles bedacht und neu organisiert werden. Gleichzeitig findet man sich bei all dem in einer ganz neuen Rolle wieder: Der Mutter- oder eben Vaterrolle. Parallel dazu läuft daher permanent eine persönliche Auseinandersetzung: Was für ein Vater möchte ich sein? Wie finde ich mich in dieser Rolle zurecht?

All das braucht Zeit. Und diese Zeit dürfen sich sowohl Vater als auch Mutter geben und nehmen. Hilfreich ist es, bereits während der Schwangerschaft über solche Fragen nachzudenken, sich mit verschiedenen Personen auszutauschen und über die verschiedenen Gefühle zu sprechen, die diese Phase begleiten. 

Väter dürfen ihre Rolle selbstbewusst angehen

Vielfach wird hervorgehoben, dass Väter nicht stillen können. Weniger wichtig sind sie dennoch nicht. Denn: Väter müssen keine zweite Mutter sein. Sie haben ihre eigene Rolle und Beziehung zu ihrem Kind und dürfen mit ihm auch anders umgehen als die Mutter. Und verbringen sie bereits früh viel Zeit mit dem Kind, profitiert die ganze Familie davon: Die Väter gewinnen Sicherheit im Umgang und die Mütter werden entlastet und dürfen spüren, dass sie für eine gewisse Zeit entbehrlich sind. Hierbei hilft es auch von Seiten der Mütter, wenn sie den Vätern vertrauen und sich schon früh im Loslassen üben. Die Kinder wiederum profitieren von der doppelt sicheren Bindung und erhalten damit das Rüstzeug, um stark ins Leben zu ziehen.


Erfahrungen von Vätern

Nur einfach ist das Zurechtfinden in der neuen Rolle als Vater nicht. Zum Abschluss erzählen drei Väter von ihren Erfahrungen und Gefühlen in den ersten Wochen und Monaten in ihrer neuen Rolle. 

Am Anfang kam ich an meine Grenzen. Nach einem stressigen Arbeitstag hätte ich oftmals gerne meine Ruhe gehabt, doch unser Sohn hat viel geschrien. Meine Frau hatte da die besseren Nerven.

Martin, 34

Martin ist Vater von einem fünf monatigen Sohn. Er berichtet von einem Gefühl der tiefen Freude und des Glücks, als sein Sohn auf die Welt kam. Auch gibt er aber zu, dass es ihm schwerfällt, von der Arbeit abzuschalten und sich vollständig auf seinen Sohn einzulassen. Er hat in diesen Situationen ein schlechtes Gewissen. Martin plant nun, sein Pensum auf 80 Prozent zu reduzieren, so dass er mehr Zeit mit seinem Kind verbringen kann.

Es ist schwierig zu beschreiben. Aber irgendetwas ist da passiert, zwischen mir und meinem Sohn, als ich ihn so nahe bei mir hatte.

Daniel, 38

Daniel hat zwei kleine Kinder. Nach der Geburt seines ersten Kindes musste Daniels Frau im Spital weiterhin behandelt werden. So kam das neugeborene Kind schon früh für viele Stunden an Daniels Brust. Diese Erfahrung war für ihn sehr prägend. Bis heute erlebt er es als ein besonderes Glück, wenn eines seiner Kinder bei ihm einschläft – als Beweis, wie sehr es ihm vertraut. Auch sagt er, dass es ihm im Alltag fast leichter fällt, wenn er mit den Kindern alleine ist. Dann ist klar, dass er verantwortlich ist und sie können sich ganz aufeinander einlassen.

Seit mein Sohn auf der Welt ist, bestimmt er den Familienrhythmus. Wir haben sämtliche anderen Aktivitäten heruntergefahren.

Franco, 30

Franco hat einen fünfmonatigen Sohn. Er freut sich sehr, dass sein Kind gesund ist und gut gedeiht. Franco trägt ihn oft im Tragetuch und geniesst diese Nähe sehr. Trotzdem hat er das Gefühl, dass er seinem Sohn zwar noch so nahe sein und noch so viel Liebe geben könne, am Ende des Tages brauche dieser seine Mutter, denn das Mami bleibe eben das Mami. Franco trägt die finanzielle Verantwortung für die Familie, deshalb arbeitet er nach zwei Wochen Vaterschaftsurlaub nun wieder 90 Prozent.

Sicherer Start ins Leben: Ein Kurs für werdende und frisch gebackene Eltern

Der Kurs Sicherer Start ins Leben ist ein neues Angebot der kjz und der Geschäftsstelle Elternbildung und besteht aus zwei Modulen. Modul 1 richtet sich an Eltern vor der Geburt. In diesem Modul lernen Sie, wie Sie sich auf die Zeit mit Ihrem Baby vorbereiten und bereits in der Schwangerschaft die Bindung fördern können. Modul 2 richtet sich an Eltern nach der Geburt.

An konkreten Beispielen besprechen wir, welche Bedürfnisse ein Säugling hat, wie Sie als Eltern in der neuen Rolle ankommen können und wie es Ihnen gelingt, auch die eigenen Bedürfnisse nicht ausser Acht zu lassen.

Der Kurs ist kostenlos.