Veränderung im Job

Vom Leiter Marketing zum Coach und Komplementärtherapeuten

Ergibt meine Arbeit eigent­lich noch Sinn? Diese Frage kann aufkom­men, wenn alles im Wandel ist - Wirt­schaft, Arbeits­an­for­de­run­gen, wir selbst. In dieser Serie erzäh­len Berufs­tä­tige von Verän­de­run­gen, durch die sie im Job zu mehr Sinn­emp­fin­den gefun­den haben. Von punk­tu­ell bis radikal.


Benja­min Karrer leitete als ausge­bil­de­ter Ökonom die Marke­ting­ab­tei­lung eines Unter­neh­mens in der Ener­gie­ver­sor­gung. Er war zustän­dig für die Marke­ting-Kommu­ni­ka­tion und den Aufbau eines inter­nen Start-ups. Bis er merkte, dass er ein neues Kapitel aufschla­gen möchte. Ein Herzens­ent­scheid. Heute coacht er Führungs­kräfte als Selbst­stän­dig­er­wer­ben­der und ist daneben 50 Prozent Haus­mann.

Was zum Wechsel geführt hat

Bei mir lösten zwei «Haupt­stup­ser» Gedan­ken über eine Verän­de­rung aus: Bei einem CAS zum Thema Leader­ship behan­del­ten wir Fragen wie «Was ist gute Führung und Selbst­füh­rung?», «Was brauche ich bei der Arbeit, damit sie sich sinn­haft anfühlt?» oder «Wann bin ich im Flow?». Dabei wurde mir bewusst, dass ich selbst immer weniger im Flow war, bei dem, was ich tat, und dass ich eigent­lich lieber enger mit Menschen zusam­men­ar­bei­ten wollte. Unge­fähr zeit­gleich wurde ich Vater und merkte, dass ich mehr Zeit mit meinen Kindern verbrin­gen wollte. Ich hatte den Wunsch, zuhause präsen­ter zu sein und nicht fünfzig Stunden und mehr pro Woche auswärts bei der Arbeit zu verbrin­gen.

Zwei ‹Haupt­stup­ser› lösten Gedan­ken über eine Verän­de­rung aus.

Benjamin Karrer, M.A. BWL HSG

Was ich verän­dert habe

Ich machte meine Arbeit zuvor nicht ungerne. Viel­mehr merkte ich, dass ich dasselbe nicht weitere zwanzig Jahre lang ausüben möchte. Eine Reduk­tion auf Teil­zeit oder eine Teil­ver­än­de­rung funk­tio­nierte aber nicht. Also brauchte es einen radi­ka­len Wechsel: Ich bildete mich zum Mental- und Trans­for­ma­ti­ons­coach sowie Resi­li­en­z­coach weiter. Heute bin ich zu 50 Prozent Haus­mann und Vater. Die rest­li­che Zeit coache ich Führungs­kräfte in Unter­neh­men, etwa bei einem neuen Stel­len­an­tritt oder bei Konflik­ten im Team. Ich bespre­che auch persön­li­che Themen, wie Umgang mit Stress und Druck oder Stär­kung der Resi­li­enz. Zusätz­lich bilde ich mich zum Komple­men­tär­the­ra­peu­ten weiter. So kann ich später mit einer eigenen Praxis für Kine­sio­lo­gie meine Coachin­gar­beit um den körper­li­chen Aspekt erwei­tern.

Warum sich der Wechsel gelohnt hat

Inzwi­schen bin ich seit zwei Jahren selbst­stän­dig und meine Arbeit fühlt sich heute ganz anders an. Ich bin zurück im Flow. Menschen bei jenen Themen zu beglei­ten, die mir am Herzen liegen, gibt mir enorm viel zurück. Mitt­ler­weile bin ich über­zeugt, dass es das Gefühl von Befrie­di­gung und Sinn­haf­tig­keit ist, dank dem wir uns am Ende eines Arbeits­ta­ges mental wach fühlen. Mein alter Job hatte eine Art Ablauf­da­tum. Nicht etwa, weil er schlecht gewor­den war. Aber ich merkte: Mein Herz möchte etwas Neues, ein nächs­tes Kapitel im Leben. Ich wollte wieder zurück in den Flow und musste mich ehrlich fragen, worin meine innere Moti­va­tion und mein Sinn­emp­fin­den lagen. Meinen Entscheid habe ich bis heute noch an keinem Tag ange­zwei­felt.

Mein alter Job hatte eine Art Ablauf­da­tum.

Benjamin Karrer, heute Hausmann und Businesscoach

Was es für den Wechsel gebraucht hat

Um Klar­heit zu gewin­nen, wie mein zukünf­ti­ger Weg ausse­hen sollte, habe ich selbst viele Coachings besucht. Ich denke, der Wechsel konnte schliess­lich auch nur deshalb klappen, weil wir uns als Familie für diesen Wechsel entschie­den haben, als Gesamt­sys­tem. Ohne die Unter­stüt­zung meiner Frau wäre diese Verän­de­rung nicht möglich gewesen. Sie trug die Familie finan­zi­ell und stärkte mir bei all meinen Entschei­den den Rücken.

Das sagt die biz-Exper­tin

  • Wer nach Sinn fragt, möchte das Rich­tige und Wert­volle für sich selbst finden. So unter­schei­det sich der Sinn vom Glück.
  • Die Frage nach dem Sinn bei der Arbeit ist ein länge­rer Prozess – eine vertiefte Ausein­an­der­set­zung mit sich selbst.
  • Vier Merk­male sind gemäss Forschung für das Sinn­emp­fin­den wichtig: Meine Arbeit hat für andere, für die Gesell­schaft eine Bedeu­tung. Was ich tue, passt zu mir. Hinter den Zielen meiner Tätig­keit und meines Unter­neh­mens kann ich stehen. Ich fühle mich durch meine Arbeit zuge­hö­rig und wert­ge­schätzt.

Mehr zum Thema im Gespräch mit biz-Exper­tin Mirella Vella