Spielen und Lernen

Spielt, Kinder! Warum Spielen gut für die Entwicklung ist

Herum­ren­nen, hinauf­klet­tern, Krei­de­bil­der malen, Prinz oder Poli­zis­tin sein – so haben Kinder schon immer gespielt. Dabei lernen sie, wie die Welt um sie herum funk­tio­niert. Eltern­bild­ner Martin Gessler über das Spielen als Lern­mus­ter, das in uns Menschen veran­kert und wirksam ist. 

Ein Spiel ist dann ein Spiel, wenn es unvor­her­seh­bar verläuft. Es stellt Freude und Befrie­di­gung in Aussicht oder Ärger und Frus­tra­tion. Auch die Span­nung eines Sport­an­las­ses baut auf dieser Unge­wiss­heit auf: Sieg oder Nieder­lage, Freude oder Enttäu­schung. Wenn Kinder sich auf solche unbe­re­chen­bare Situa­tio­nen einlas­sen, trai­nie­ren sie ihre Fähig­kei­ten, die Heraus­for­de­run­gen des Alltags zu meis­tern. 

Spielen verlangt von Kindern, Risiken einzu­ge­hen, denn Spielen ist nicht planbar. Das macht seinen Reiz und die Heraus­for­de­rung aus. Das Spiel startet von Bekann­tem aus und entwi­ckelt sich weiter. So sammelt das Kind neue Erfah­run­gen: Wie hoch kann ich die Sand­burg bauen? Gelingt es mir, andere Kinder zu fangen? Wie reagie­ren meine Spiel­ka­me­ra­den, wenn ich der «Boss» bin? Spon­ta­nes Spielen bietet ein umfas­sen­des Lern­feld. 

Spielen als Nerven­kit­zel

Kinder erhof­fen sich vom Spiel, dass es ihnen Spass macht. Sie wissen aber auch, dass es unan­ge­nehme Wendun­gen geben kann. Und genau diese Erwar­tung von Spass, gemischt mit einer Prise Angst, treibt die Kinder im Spiel an. Sie nehmen das Risiko in Kauf, beim Würfel­spiel zu verlie­ren, beim Toben und Klet­tern zu fallen und sich das Knie aufzu­schram­men. 

Kinder vor Verlet­zun­gen zu schüt­zen, hat heute einen hohen Stel­len­wert. Doch eine stark behü­tete Kind­heit birgt eben­falls Risiken. Kinder, die nicht geübt darin sind, sich zu bewegen, sind ängst­li­cher und stürzen schwe­rer. Wer nie gelernt hat, mit einem Küchen­mes­ser umzu­ge­hen, dem bleiben nur Schnell­im­biss und Conve­ni­ence Food. 

Natür­lich über­schauen Kinder viele Gefah­ren im Stra­ßen­ver­kehr nicht und kleine Kinder können Wasser­flä­chen nicht einschät­zen. Aber wenn Kinder laufen und klet­tern, sprin­gen und raufen, entwi­ckeln sie ein gutes Gefühl für ihre Grenzen und erwei­tern sie in ihrem Tempo. 

Kinder brau­chen sichere Spiel­räume – inklu­sive Risiko

Erwach­sene müssen ihre Kinder nicht ständig animie­ren, unter­hal­ten und «bespie­len». Erwach­sene müssen sichere Spiel­räume zur Verfü­gung stellen, in denen Kinder ihre eigenen Erfah­run­gen machen können, Tränen, aufge­schrammte Knie und blaue Flecken zählen dazu. Diese Spiel­räume finden Kinder nicht in kommer­zi­el­len Vergnü­gungs­parks, sondern vor der Haustür: Auf dem Spiel­platz, im Wald, an einer Feuer­stelle, am Bach oder auf einer verkehrs­freien Strasse. 

Ohne Risiko gibt es kein Spiel und ohne Risi­ko­er­fah­rung kein entwick­lungs­ge­rech­tes Aufwach­sen. Kinder müssen lernen, mit Unbe­re­chen­ba­rem und Risiken umzu­ge­hen. Und dabei Lösun­gen finden für Probleme, die sie antref­fen. So erfah­ren sie Befrie­di­gung und Sinn. 

Martin Gessler

Martin Gessler arbeitet als Eltern- und Erwachsenenbildner bei der Geschäftsstelle Elternbildung im Amt für Jugend und Berufsberatung. Sein Arbeitsschwerpunkt ist die Entwicklung und Durchführung von Elternbildungskursen zu allgemeinen Erziehungsthemen und für Mütter und Väter in Trennung oder Scheidung.