Existenzielle Fragen von Kindern

Was junge Kinder an ihrer Herkunft und Zugehörigkeit interessiert

Kinder sind von Natur aus neugie­rig. Bereits in den ersten Lebens­jah­ren beschäf­ti­gen sie sich inten­siv mit ihrer Herkunft, ihrer Zuge­hö­rig­keit und der Entste­hung von Babys. Für Eltern eines Kindes, das mit Hilfe Dritter entstan­den ist, ist diese Situa­tion nicht immer einfach. Eltern können sich jedoch, unab­hän­gig von der Entste­hung ihres Kindes, darauf vorbe­rei­ten.

Kinder haben viele Fragen zu sich und zu ihrer näheren und weite­ren Umwelt. Gewisse Fragen sind typisch für ein bestimm­tes Alter. Andere sind höchst persön­lich. Zuerst sind das Denken und die Fragen sehr konkret und mit dem Alltag des Kindes verbun­den. Nach und nach werden sie detail­lier­ter und abstrak­ter.

  • Das Erleben von Zuge­hö­rig­keit ist für alle jungen Kinder ganz wichtig. Kinder unter­schei­den und akzep­tie­ren ihre nächs­ten und weiter entfern­ten Perso­nen als zuge­hö­rig. Am wich­tigs­ten sind für sie liebe­volle, vertraute Menschen, die in ihrem Alltag verläss­lich und verfüg­bar präsent sind.
  • Fehlen, Verlust und Tren­nung von wich­ti­gen Menschen sind ausge­spro­chen einschnei­dende Erfah­run­gen für junge Kinder. Sie müssen, wenn sie nicht vermeid­bar sind, unbe­dingt sorg­fäl­tig beglei­tet und ange­spro­chen werden.
  • Kinder ab circa drei Jahren begin­nen zu verglei­chen, suchen also nach Ähnlich­kei­ten und Unter­schie­den zwischen sich und anderen Menschen. Kinder sind dabei kreativ und lieben es, immer wieder sowohl bekannte wie auch neue Facet­ten im Ausse­hen, Verhal­ten und Empfin­den zu entde­cken.
  • Kinder im Alter von circa drei Jahren wollen wissen, wie Babys entste­hen und inter­es­sie­ren sich somit auch für ihre persön­li­che Entste­hung.
  • Auch Schwan­ger­schaft und Geburt begin­nen Kinder im selben Alter zu beschäf­ti­gen. Sie fragen sich, wie sie in den Bauch ihrer Mutter gekom­men sind und wie wieder hinaus. Und sie wollen wissen, was sie im Bauch getrun­ken und was sie geges­sen haben. In diesem Zusam­men­hang entde­cken sie den Bauch­na­bel.
  • Junge Kinder inter­es­sie­ren sich jedoch noch wenig für Details der Zeugung oder für die Sexua­li­tät der Eltern. Manch­mal sind ihnen diese Themen sogar lästig und unan­ge­nehm.
  • An der Befruch­tung, also am Verschmel­zen von Samen- und Eizelle ist für ein Kind von Bedeu­tung, dass es daraus ganz konkret entstan­den ist. Wenn Sie dafür medi­zi­ni­sche Unter­stüt­zung in Anspruch genom­men haben, bedeu­tet das für das Kind, dass jemand dabei gehol­fen hat.
  • Kinder inter­es­sie­ren sich für ihre Abstam­mung. Sie ist als Teil ihrer Herkunft und Zuge­hö­rig­keit bedeut­sam für Kinder.
  • Wenn Spen­der­per­so­nen zur Entste­hung Ihres Kindes beigetra­gen haben, ist die Abstam­mung betrof­fen. Die gene­ti­sche Verbin­dung mit Spen­der­per­so­nen beschäf­tigt Klein­kin­der jedoch noch nicht. Was sie später über allfäl­lige Spen­der­per­so­nen, die nicht zu ihrem Alltag gehören, erfah­ren möchten, ist unter­schied­lich. Kinder können jedoch in der Regel gut akzep­tie­ren, dass die verfüg­ba­ren Infor­ma­tio­nen beschränkt sind. Manche Kinder möchten die Spen­der­per­son, wenn über­haupt, einmal treffen. Manche wünschen sich gar keinen Kontakt.
  • Viele Kinder beschäf­ti­gen sich mit Geschwis­tern und ihrer Verbin­dung zu ihnen. Im Vorder­grund stehen gelebte Bezie­hun­gen mit Geschwis­tern, Halb­ge­schwis­tern, Patch­work-Geschwis­tern. Kinder möchten zudem wissen, mit wem sie welchen Teil ihrer Abstam­mung teilen und wer welche Eltern(teile) hat.
  • Kinder inter­es­sie­ren sich auch für Halb­ge­schwis­ter, mit denen sie die über Spen­der­per­so­nen verbun­den sind. Manch­mal entsteht im Laufe der Kind­heit der Wunsch, diese kennen zu lernen und Kontakte unter­ein­an­der zu pflegen.
  • Wenn Sie medi­zi­ni­sche Unter­stüt­zung in Anspruch genom­men haben, um Eltern zu werden, hat Ihr Kind even­tu­ell poten­ti­elle Geschwis­ter in Form konser­vier­ter Embryo­nen. Das Inter­esse daran ist für junge Kinder mit der allge­mei­nen Frage verbun­den, wo Babys herkom­men und wo sie «vorher» waren. Wird eines dieser poten­ti­el­len Geschwis­ter geboren, verbin­det die Kinder neben dem Fami­li­en­all­tag ein Teil ihrer Entste­hungs­ge­schichte und die Abstam­mung.
  • Kinder beschäf­ti­gen sich früh mit Fragen zu Leben und Tod. Wo war ich vor meiner Geburt? Wo ist ein verstor­be­ner naher Mensch? Was ist mit einem toten (Haus-)Tier passiert? Die Vorstel­lung, dass nicht immer «alle» schon da waren und sein werden, ist für ein junges Kind faszi­nie­rend und störend zugleich.

Dieser Beitrag wurde von Dr. Heidi Simoni und Giuli­etta von Salis verfasst. Beide sind Psycho­lo­gin­nen und arbei­ten am Marie Meier­ho­fer Insti­tut für das Kind, Heidi Simoni als Insti­tuts­lei­te­rin.