Je nach Kanton müssen Eltern bei einer Trennung oder Scheidung unterschiedlich vorgehen. Auf der Website des Kantons Zürich finden Sie Informationen, Anlaufstellen und Unterstützung für alle anstehenden Schritte.
Zur Übersicht vom Kanton ZürichWas Kinder bei einer Trennung brauchen
Kindern tut es immer weh, wenn sich ihre Eltern trennen. Eine Trennung muss aber nicht zwingend langfristig negativ für sie sein. Was brauchen Kinder bei diesem Schritt? kjz-Expertin und Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Simone Gruen-Müller gibt Einblick in die Kindersicht.
In Kürze
- Kinder brauchen Eltern, die weiterhin verlässlich für sie da sind.
- Eltern helfen Kindern, wenn sie diese aus dem Paarkonflikt heraushalten.
- Kinder sollen ihr Leben weiterleben dürfen. Ohne Verantwortungsgefühle für die Eltern.
- Kleinere Kinder brauchen Regelmässigkeit und Sicherheit. Jugendliche sollen bei Themen, die sie betreffen, mitreden dürfen.
Simone Gruen-Müller, eine Trennung ist für alle schwer. Als Eltern möchte man seinen Kindern den Schmerz am liebsten ersparen. Geht das?
Ersparen kann man diese Gefühle leider nicht. Aber Eltern können Kinder in ihrem Schmerz begleiten.
Wie können sie das?
Indem sie über die Gefühle reden, die die Trennung in den Kindern auslöst. Und ihnen dabei zu spüren geben, dass alle ihre Gefühle verständlich und berechtigt sind. Gerade kleinere Kinder können mit schwierigen Gefühlen noch nicht gut alleine umgehen. Es hilft, wenn Eltern ihnen dafür Worte geben. Etwa «Es scheint mir, du vermisst gerade deinen Papa, und wie es früher war» oder «Du findest es gemein und denkst, Mama und Papa hätten das besser machen und Frieden schliessen müssen». Dabei ist wichtig, den Blick ganz beim Kind zu belassen und nicht mit der Perspektive der Erwachsenen zu vermischen.
Was sind typische Gefühle von Kindern bei einer Trennung ihrer Eltern?
Kinder verstehen nicht, sind traurig, erschüttert, wütend, hilflos oder befürchten, jemanden zu verlieren. Manchen fällt die Trennung sehr schwer, sie wünschen sich ganz fest, dass die Eltern wieder zusammenkommen. Auch dieser Wunsch muss auf Verständnis stossen und Platz haben. Oft sorgen sich Kinder auch fest um ihre Eltern oder meinen, Schuld zu sein oder sich um den Konflikt oder die Eltern kümmern zu müssen. Allgemein sind solche Veränderungen für Kinder meist Stress, verbunden mit vielen Ängsten. Es ist daher wichtig, ihnen Sicherheit zu vermitteln.
Eltern helfen Kindern, wenn sie ihnen Worte für ihre Gefühle geben.
Wie können Eltern diese Sicherheit geben?
Mit Konstanz und Regelmässigkeit. Indem zum Beispiel typische Unternehmungen oder Rituale weiterhin durchgeführt werden, etwa das übliche Abendessen, Gutenachtrituale oder gewohnte Spiele. Auch hilft es, vertraute Beziehungen wie üblich weiterzuführen. Sei es mit den Grosseltern, der Gotte und dem Götti oder mit Freunden. Wichtig ist auch, dass beide Elternteile zuverlässige Bezugspersonen des Kindes bleiben.
Sobald ein Elternteil auszieht, verändern sich die Umstände aber stark.
Ja, daher wird Verlässlichkeit umso wichtiger. Kinder müssen spüren: Auch wenn wir kein Paar mehr sind, bleiben wir deine Eltern und du kannst dich weiterhin auf uns beide verlassen. Zum Beispiel sollten sich beide wie bisher für seine Lebenswelt interessieren und Abmachungen zuverlässig einhalten. Auch sollten Kinder beide Elternteile weiterhin gleich liebhaben dürfen, ohne dadurch befürchten zu müssen, zwischen die Fronten zu geraten. Etwa indem sie weiterhin beiden erzählen können, was sie bewegt, oder dem ausgezogenen Elternteil abends Gutenacht sagen dürfen, wenn ihnen danach ist.
Was können Eltern beachten, um die Kinder möglichst aus dem Konflikt herauszuhalten?
Der Streit hat Auswirkungen auf die ganze Familie, er findet aber zwischen den Eltern als Paar statt. Kinder sollen daher weder das Gefühl haben, sich um den Konflikt kümmern zu müssen, noch darf er auf ihrem Rücken ausgetragen werden. Sätze wie «Deine Mutter hat genug Geld, um dir ein neues Velo zu kaufen» oder «Ich hätte ja das Wochenende abtauschen wollen, aber dein Vater hat es nicht erlaubt» bringen Kinder unter grossen Druck, in Gut und Böse einzuteilen und Partei zu ergreifen. Parteinahme ist aber immer eine Überforderung für ein Kind und nicht seine Aufgabe. Zudem sind sie das Kind beider Elternteile, sie fühlen sich immer mitgemeint, wenn ihre Eltern schlecht übereinander reden, je jünger desto stärker. Solche Themen sollen immer auf der Erwachsenenebene bleiben: «Das besprechen wir Eltern später zusammen, darum brauchst du dich nicht zu kümmern.»
Der Konflikt findet zwischen den Eltern als Paar statt. Kinder sollten sich nicht darum kümmern müssen.
Kinder spüren aber die Spannungen.
Kinder spüren alles, verneinen sollte man daher den Streit nicht. Sie müssen aber merken, dass es nichts mit ihnen zu tun hat. Etwa mit Worten wie «Ich habe mich gerade aufgeregt und bin laut geworden. Aber ich und Mama werden eine Lösung finden». Besonders wenn man sich frisch über den anderen ärgert, sind das heikle Momente. Die Gefahr ist gross, den anderen abzuwerten. An solchen Situationen können Eltern aber bewusst arbeiten. Etwa indem sie Raum schaffen, bevor sie sich wieder dem Kind zuwenden, kurz auf Toilette oder an die frische Luft gehen. Das sind alles grosse Herausforderungen. Deshalb dürfen sich Eltern auch Unterstützung holen, etwa in einer Beratung in einem Kinder- und Jugendhilfezentrum (kjz) im Kanton Zürich.
Unterstützung für Eltern in Trennung
Eine Trennung müssen Sie nicht alleine durchstehen. Im Kanton Zürich unterstützen Sie die Kinder- und Jugendhilfezentren (kjz) an dreizehn Standorten.
Sie sagen, Kinder sorgen sich auch oft um die Eltern.
Ja. Es beschäftigt sie beispielsweise, dass der ausgezogene Elternteil nun alleine ist, nicht wie früher am Tisch mitessen darf oder niemanden hat, der mit ihm redet. Oft sorgen sie sich auch fest um den Elternteil, den sie als schwächer oder traurig wahrnehmen. Sie meinen, sie müssten sich um ihn kümmern, schonen ihn, nehmen Rücksicht und versuchen angestrengt, vernünftig zu sein und ja keinen Anlass für weiteren Ärger oder Sorge zu geben. Manche denken auch, sie müssten immer in seiner Nähe bleiben. Manchmal meinen Kinder gar, sie müssten die fehlende Partnerrolle übernehmen. Sie versuchen dann bei Themen mitzudenken oder gar mitzuentscheiden, für die klar die Erwachsenen zuständig wären, und stecken dabei ihre eigenen Bedürfnisse zurück. Das kann sie in ihrem Unbeschwertsein und in ihrer Entwicklung stark einschränken.
Was hilft Kindern gegen diese Sorge um die Eltern?
Wenn die Eltern ihren Kindern klar zu spüren geben, dass sie die Verantwortung übernehmen und es nicht zu den Aufgaben eines Kindes gehört, sich um die erwachsenen Bedürfnisse zu kümmern. Etwa mit Worten wie «Ich merke, dass du dir viele Gedanken machst. Aber du musst dich nicht sorgen, ich kann das gut alleine meistern» oder «Es ist schön, dass du dir Gedanken um Papa oder Mama machst. Aber weisst du, Erwachsene kommen zurecht alleine und können auch mit anderen Erwachsenen abmachen». Das nimmt viel Druck. Auch wenn neue Verhaltensmuster aufkommen, Kinder beispielsweise nur noch gemeinsam im Bett schlafen möchten oder Jugendliche nicht mehr mit Freunden abmachen, ist es wichtig, ihnen zu spüren zu geben: «Es ist ok, ich komme klar. Du darfst machen, was dir selber guttut.»
Kinder müssen spüren, dass die Eltern die Verantwortung übernehmen.
Was ist bei kleinen Kindern besonders wichtig?
Im jungen Alter sind es vor allem die Regelmässigkeit und Sicherheit. Zum Beispiel fällt es Kindern in den ersten drei Lebensjahren oft schwer, auswärts zu übernachten. Dies birgt so viel Neues und braucht Zeit. Vielfach ist es daher mehr zu ihrem Wohl, wenn sie Zeit mit dem ausgezogenen Elternteil verbringen, zu Beginn aber zum Schlafen wieder nach Hause gehen. Die Treffen müssen auch nicht so lange wie möglich dauern. Entscheidend ist, dass sie regelmässig und verlässlich stattfinden und die neuen Übergänge zwischen den Eltern feinfühlig gestaltet werden.
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Und bei grösseren Kindern?
Kinder treibt oft noch lange die Schuldfrage um. Sie beziehen alles auf sich und meinen, sie seien Teil der Ursache. Hätten sie doch nur weniger oft gestritten, mehr zuhause mitgeholfen usw. Davon müssen Eltern sie entlasten. Auch haben sie oft Angst, dass sie nicht mehr beiden Eltern gerecht werden. Hier gibt es gute Methoden, um Kindern Druck zu nehmen. Zum Beispiel, indem sie ein Tagebuch für den anderen Elternteil schreiben, so dass sie nicht befürchten müssen, Dinge zu vergessen, die sie erzählen möchten. Oder indem sie von wichtigen Momenten Bilder zeichnen oder eine Postkarte oder ein Foto schicken.
Was ist bei Jugendlichen wichtig?
Jugendliche befinden sich in einer besonderen Phase. Einerseits sind sie im Prozess der Ablösung und werden zunehmend selbstständig. Bei Fragen und Regelungen, die sie betreffen, sollen sie daher ernst genommen werden und mitreden dürfen. Andererseits ist diese Phase besonders sensibel. Eine Trennung ihrer Eltern kann sie enorm erschüttern und den Ablösungsprozess bremsen. Es ist daher wichtig, auch Jugendliche genügend zu unterstützen.
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Worauf können Eltern bei einer Scheidung rund um die Kindesanhörung vor Gericht achten?
Die Kindesanhörung hat zum Ziel, die Bedürfnisse der beteiligten Kinder ernst zu nehmen. Die Idee dahinter ist wichtig und gut. Damit es gelingt, braucht ein Kind allerdings ein bisschen Übung im Mitreden. Ausserdem ist der Erfolg abhängig davon, wie geschult die anhörende Person ist. Stimmen die Rahmenbedingungen nicht, ist ein Kind schnell überfordert. Eltern können feinfühlig, aber offen über die Möglichkeiten der Beteiligung sprechen. Ganz wichtig ist, dem Kind aufzuzeigen, dass es seine Meinung frei sagen darf, ohne dass dies Einfluss darauf hat, wie lieb die Eltern das Kind haben, und dass die Verantwortung für den Entscheid klar bei den Eltern und beim Gericht liegt.
Mehr zur Kindesanhörung vor Gericht: Mitreden dürfen, wenn Eltern sich trennen
Lesen Sie hier alle unsere Beiträge zum Thema Trennung und Scheidung von Eltern.
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