Bei den Mütter- und Väterberaterinnen (MVB) unserer kjz können Sie die Themen besprechen, die Ihnen nach der Geburt Ihres Kindes am Herzen liegen.
Zum AngebotLernfeld Esstisch – was Kinder beim Essen alles lernen
Sauce da, Spaghetti dort, ein Teil im Bauch und der Rest feinsäuberlich im Gesicht verteilt: Die täglichen Mahlzeiten stellen die elterliche Geduld manchmal auf die Probe. Für Kinder hingegen würden sie Unmengen an Lernerfahrungen bergen, sagt kjz-Expertin Tanja Citherlet.
Tanja Citherlet, Sie sagen, beim Essen lernen Kinder ganz vieles. Worum geht es genau?
Bei Kleinkindern ist der Mund der empfindsamste Körperteil. Daher wandert in der sogenannt oralen Phase erstmal alles zum ausgiebigen Erkunden direkt in den Mund. Damit erfassen sie viele Eigenschaften; Grösse, Gewicht, Oberfläche, Geschmack usw.
Sobald sie greifen können, lernen Kinder beim Essen auch, wie sich Hand und Augen aufeinander abstimmen müssen: Wohin muss ich greifen und wie führe ich was am besten Richtung Mund? Auch ist das Essen wichtig für den Aufbau der Zungenmuskulatur – und damit für die ganze Sprachentwicklung. Darüber hinaus gibt es unzählige soziale Lernmomente rund ums Essen.
Was meinen Sie mit sozialen Lernmomenten?
Beim Essen ist die Kultur der Eltern sehr präsent, da gibt es ganz viel zu lernen. Sind die Regeln auswärts anders, etwa in der Kita oder am Mittagstisch, merken Kinder wiederum, dass es unterschiedliche Tischregeln und Esskulturen gibt. Auch kehrt bei Mahlzeiten oft ein Moment des Zusammenseins ein, eine Pause im Alltagstumult. Das schafft Bindung und lehrt beiläufig Dinge wie: Wie reden wir miteinander? Wie nehmen wir Rücksicht aufeinander? Zum Beispiel wenn ein Kind warten soll, bis seine Geschwister aufgegessen haben.
Manchmal fliegen einem die Bissen buchstäblich um die Ohren … sind das auch Lernmomente?
Gerade das Runterwerfen finde ich sehr spannend. Eltern ärgern sich oft darüber. Doch auch diese Wurfübungen beinhaltet viele Lernmomente. Kindern erwerben so etwa das Wissen um die Objektpermanenz. Also dass Dinge weiterhin existieren, auch wenn sie nicht mehr wahrnehmbar sind. Solche Konzepte müssen erst entdeckt werden, also gilt es sie zu erproben: Ist die Gurkenscheibe wirklich weg, ist sie einmal vom Teller geschafft?
Werfen gibt auch ein Gefühl für Distanz und Dimensionen: Wie lange dauert es, bis die Gurke unten ankommt? Aber auch für Selbstwirksamkeit: Ich kann etwas bewegen und bewirken. Selbstwirksamkeit lernen Kinder übrigens auch, wenn sie sich selbst Essen in den Mund führen oder auf den Teller schöpfen, oder wenn sie schreien am Tisch: Ich kann für Aufregung sorgen, ich erreiche, dass man auf mich achtet.
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Wie sollen Eltern mit dem Runterwerfen umgehen?
Wir gehen immer davon aus, dass jedes Verhalten einen Grund hat, auch beim Essen. Diesen gilt es, herauszufinden. Vielleicht hat das Kind keinen Hunger mehr, vielleicht ist es aufgekratzt, weil davor viel lief, vielleicht findet es toll, dass das Gegenüber darauf reagiert. Es gibt so viele Gründe! Wichtig ist, mit dem Kind im Austausch zu sein: «Ah, hast du Spass?» oder «Bist du fertig, zeigst du mir, dass du nicht mehr magst?» Eltern können Vermutungen zu den Gründen anstellen, diese benennen und vielleicht Alternativen aufzeigen.
Was wäre so eine Alternative?
Sucht das Kind damit zum Beispiel Kontakt, können wir zeigen, dass wir auch anders miteinander kommunizieren können. Etwa mit dem Blick, mit Händen oder Worten. Natürlich gibt es auch Momente, in denen so ein Austausch nicht klappt. Vielleicht ist das Kind zu müde oder in einer Phase, in der es gerade mit vielen anderen Entwicklungsschritten beschäftigt ist. Dann ist es manchmal besser, dem Kind Ruhe zu gönnen und daran zu denken, dass das Lernen am Tisch ganz schön anstrengend sein kann.
5 Tipps rund um den Esstisch
- Passen Sie die Umgebung dem Kind an
Zum Beispiel mit einem Tischtuch, auf dem Kleckern erlaubt ist, mit stabilem Geschirr, einem Teppichschoner oder einem griffbereiten Handstaubsauger - Lassen Sie das Kind so viel wie möglich selber machen und erkunden
Bereits den Kleinsten können wir etwas zum Mitmachen in die Hand geben, zum Beispiel ein gekochtes Rüebli oder später einen eigenen Löffel. Dabei sollten wir gerade die sinnlichen Erfahrungen auch zulassen, also Kinder zum Beispiel mit den Händen essen lassen. - Steuern Sie den Lauf der Dinge mit
Zum Beispiel mit zwei Löffeln im Einsatz; einer (aus Plastik) für das Kind zum Ausprobieren und einer, mit Sie das Kind füttern. Steuern können Sie auch, indem Sie nur kleine Portionen aufs Mal anbieten und den Rest vorläufig im eigenen Teller behalten. - Passen Sie Ihre Erwartungen an
Manchmal dürfen wir auch etwas nachlässig sein mit unseren Erwartungen. Ein gemeinsames Putzritual zur Grossreinigung am Ende ist meist effizienter, als das stete Bemühen um «schönes Essen» – und macht dabei erst noch mehr Spass. - Ein bisschen Aushalten gehört dazu
Je entspannter wir mit der Kleckerei umgehen, desto einfacher halten wir sie aus.
Und wenn die Geduld einmal aufgebraucht ist?
Nicht jeden Tag haben wir gleich viel Geduld. Wird es uns einmal zu viel, müssen wir dem Beachtung schenken. Schimpfen bringt allerdings nichts. Kinder in diesem Alter können das noch nicht einordnen. Besser ist, unsere Gefühle in Worte zu fassen und die Situation zu klären: «Schau, mich macht das heute hässig, wenn du den Löffel immer runterwirfst. Ich nehme ihn dir nun weg.» Aber mit ruhiger Stimme.
Setzen wir Grenzen, sollten wir übrigens auch jeweils erklären, welches Verhalten wir uns stattdessen wünschen. So können wir Aussagen mit «nein» und «nicht» umgehen. Denn es ist ja viel spannender, zu tun, was nicht getan werden sollte.
Eltern können sich mit ihren Fragen an die Mütter- und Väterberatung oder Erziehungsberatung in den kjz wenden. Wie läuft eine Beratung ab?
Grundsätzlich gehen wir immer davon aus, dass die Eltern die Experten und Expertinnen sind, denn sie kennen ihre Kinder am besten. Wir gehen daher gerne gemeinsam auf Lösungssuche. Zum Beispiel versuchen wir im Gespräch herauszufinden, was bereits gut klappt, und wie die Eltern diese Erfolge auf andere Situationen übertragen können, oder welche Bedürfnisse beim Kind dahinterstecken, wenn etwas noch nicht so rund läuft.
Essen ist ein stetiger Lernprozess und als Erwachsene lernen wir immer mit. Stecken wir einmal fest, helfen manchmal schon ganz kleine Anpassungen.
Von der Milch zur festen Nahrung – Mit Lust und Freude an den Familientisch
Impulsreferat rund um das Thema Brei und Essen. Ein kostenloses Angebot der Mütter- und Väterberatungen in Ihrer Region. Zurzeit beispielsweise in Dietikon, Pfäffikon und Uster.
Essen lernen mit Freude
Austausch mit fachlicher Begleitung rund um den Übergang zu Beikost und Essen am Familientisch. Ein kostenloser Kurs vom kjz Horgen.