Case Management Netz2

Der Weg zum Traumberuf war gepflastert von Hürden und Widerständen

Als Klara sich mit 14 Jahren daran machen sollte, eine Lehr­stelle zu suchen, stand sie bereits vor einem ganzen Berg von Proble­men. Sie hatte das Glück, zu Netz2 zu finden. Gemein­sam mit ihrer Case Mana­ge­rin schaffte sie es, allen Proble­men und Wider­stän­den zum Trotz ihren Lehr­ab­schluss als Fach­frau Betreu­ung zu machen. Das ist ihre Geschichte.

«Der Job macht mir so Spass. Die Babys lachen hören, von ihnen ange­strahlt werden – das ist für mich etwas vom Schöns­ten. Egal wie schlecht es mir viel­leicht sonst geht, in dem Moment, in dem ich einen Raum betrete und das Lachen eines Kindes sehe, ist alles andere wie wegge­bla­sen.» Klara* ist heute Anfang 20 und hat 2019 die Lehre als FaBe (Fach­frau Betreu­ung) abge­schlos­sen. Wenn sie erzählt und mit ihrer Stimme das, was sie in Worten ausdrückt, auch ausstrahlt, käme niemand auf die Idee, dass Klaras Weg zum Lehr­ab­schluss von unzäh­li­gen Hinder­nis­sen mehr gepflas­tert war, als bei den meisten Jugend­li­chen im Kanton Zürich.

Dass sie heute ihren Lehr­ab­schluss in der Tasche hat, verdankt sie – und auch das sagt sie aus voller Über­zeu­gung – ihrer Case Mana­ge­rin von Netz2. Ein Angebot des Kantons Zürich, das Jugend­li­che und junge Erwach­sene mit soge­nann­ten Mehr­fach­pro­ble­ma­ti­ken zu einem Sek-II-Abschluss beglei­tet.

Prekäre Fami­li­en­si­tua­tion und kein Selbst­wert­ge­fühl

Bei der damals 14-jähri­gen Klara war es die fami­liäre Situa­tion kombi­niert mit einem schwer ange­schla­ge­nen Selbst­wert­ge­fühl, das ihre Zukunft in Frage stellte. Die Eltern, beide stammen aus dem Ausland und der Vater ist wegen eines schwe­ren Unfalls arbeits­un­fä­hig, trenn­ten sich als Klara in der sechs­ten Klasse war. Ihre Welt brach zusam­men. Sie wurde in die Sek C einge­stuft, drohte zwischen den fami­liä­ren Span­nun­gen erdrückt zu werden, erhielt eine Beistän­din, besuchte eine Psycho­lo­gin.

Als es in der zweiten Sek daran ging, sich mit der Berufs­wahl und der Lehr­stel­len­su­che zu beschäf­ti­gen, drohte die Situa­tion zu eska­lie­ren. Klara hatte eine ziem­lich klare Vorstel­lung, was sie machen möchte: Mit Kindern arbei­ten. Ihre Familie, vor allem der Vater, war dagegen. Gleich­zei­tig nagten Selbst­zwei­fel an der 14-Jähri­gen, die an ihren Eltern hing und sich nicht traute, gegen deren Wider­stand anzu­kämp­fen. Die Beistän­din von Klara stellte darum den Kontakt zu Netz2 her.

Gegen die eigene Familie durch­ge­setzt

Isabel von Becke­rath hatte damals gerade als Case Mana­ge­rin bei Netz2 ange­fan­gen. Klara wurde ihr aller­ers­ter Fall. Sie erin­nert sich gut an den Anfang der Zusam­men­ar­beit: «Sie war eine ängst­li­che, verun­si­cherte Schü­le­rin, die keine allzu gute Meinung von sich selbst hatte. Dabei hatte sie einen sehr klaren Berufs­wunsch, der aber von ihrem Umfeld nicht akzep­tiert wurde.» Gemein­sam haben die Case Mana­ge­rin und ihre 14-jährige Klien­tin so manchen Streit mit der Familie ausge­foch­ten und sich schliess­lich durch­ge­setzt.

Dank gemein­sa­mer Anstren­gun­gen klappte es bald einmal mit einem ersten Prak­ti­kum in einer Kinder­krippe. Diesem folgte ein zweites und schliess­lich die Lehr­stelle als Fach­frau Betreu­ung. Während diese Entwick­lung den gewünsch­ten Weg nahm, began­nen sich an anderen Stellen weitere Probleme aufzu­tür­men. Der Weg zum Lehr­ab­schluss blieb für Klara weiter­hin steinig und von grossen Hürden geprägt.

Gesund­heit und Geld

Während ihr die Arbeit an sich und der Lehr­be­trieb sehr gut gefie­len, gab es mit Arbeits­kol­le­gin­nen oder der Chefin immer wieder Reibe­reien. Die Belas­tung von Arbeit, Schule und Familie brach­ten die junge Frau an ihre gesund­heit­li­chen Grenzen, zumal auch der Konflikt zuhause nicht plötz­lich aus der Welt geschafft war. Die verschie­de­nen Konflikt­herde schlu­gen Klara auf die Psyche, sie schrammte an einem Burnout vorbei, begann Medi­ka­mente zu schlu­cken, die ihr nicht nur gut taten.

Dazu kamen eine sich mehr­fach verän­dernde Wohn­si­tua­tion und schliess­lich finan­zi­elle Probleme. Die Kinder­rente wurde lange nicht ausbe­zahlt, es fehlte an Geld, Rech­nun­gen blieben unbe­zahlt, Mahnun­gen türmten sich auf. Schliess­lich flat­terte eine Betrei­bung ins Haus. Lange Zeit getraute sich Klara nicht, ihrer Case Mana­ge­rin davon zu erzäh­len. «Ich habe mich so fest geschämt deswe­gen», sagt sie rück­bli­ckend. Schliess­lich setzten sich Klara und ihre Case Mana­ge­rin zusam­men und brach­ten Ordnung in den am Ende beträcht­li­chen Stapel Briefe mit Rech­nun­gen und Mahnun­gen, und gingen auch zusam­men aufs Betrei­bungs­amt. «Ich war wirk­lich froh, als du mir davon erzählt hast. Aber du hast dich so geschämt, dass du es mir sehr lange nicht erzäh­len woll­test», erin­nert sich Isabel von Becke­rath.

Gemein­sam nahmen die beiden eine Hürde nach der anderen. Im Sommer 2019 schloss Klara ihre Lehre schliess­lich erfolg­reich ab. Seither arbei­tet sie weiter­hin in dersel­ben Krippe, in der sie schon Prak­ti­kum und Lehre gemacht hatte. Das Ziel der Netz2-Betreu­ung wurde damit erreicht, die Zusam­men­ar­beit der beiden Frauen beendet. Friede, Freude, Eier­ku­chen gilt für Klara aller­dings noch nicht.

Ein Weg ist zu Ende, der neue noch unklar

Zwar ist klar, dass Klara den rich­ti­gen Beruf gewählt und gelernt hat. Aber die wieder­keh­ren­den Reibe­reien am Arbeits­platz machen ihr zu schaf­fen. Und auch die Diskus­sio­nen in der Familie sind mit dem Lehr­ab­schluss nicht einfach vorbei. Wie es in den nächs­ten Jahren in ihrem Leben weiter­geht, davon kann sich Klara noch keine konkrete Vorstel­lung machen. Und anders als während ihrer sechs Jahre bei Netz2, steht Isabel von Becke­rath nicht mehr an ihrer Seite. Zum ersten Mal kann sie sich nicht auto­ma­tisch auf diese Hilfe und Moti­va­tion verlas­sen, ohne die sie ihren Lehr­ab­schluss nicht geschafft hätte, wie sie ohne Anflug eines Zögerns sagt.

Wobei, so ganz haben sich beide wohl auch ein Jahr nach dem Abschluss noch nicht daran gewöhnt, dass sie kein Team mehr bilden. «Du hast schon so vieles geschafft. Und in der ganzen Zeit waren Verän­de­run­gen immer wieder gut für dich. Jetzt hast du den Lehr­ab­schluss, verdienst dein eigenes Geld. Viel­leicht ist jetzt auch langsam der Zeit­punkt gekom­men, über den nächs­ten Schritt nach­zu­den­ken», sagt die Case Mana­ge­rin, und klingt dabei, als wäre sie wieder mitten in einem Bera­tungs­ge­spräch. «Klar, Verän­de­rung ist auch oft schwie­rig, aber manch­mal muss man zurück auf Start.» Und das würde heissen, Bewer­bun­gen zu schrei­ben. Damit würde sich für Klara ein Kreis schlies­sen und gleich­zei­tig wäre es ein Aufbruch auf eine neue Reise in ihrem Leben – ohne Netz2.

* Name geän­dert