Wie Familien den Samichlaus-Brauch pflegen
Die Figur des Heiligen Nikolaus ist bis heute erlebbar. Auch wenn der christliche Bezug mittlerweile kaum noch eine Rolle spielt, hat der Brauch mit dem bärtigen alten Mann an Popularität nichts eingebüsst. Der Samichlaus ist um den ersten Advent herum bei den meisten Familien omnipräsent. Vier Väter und Mütter erzählen, wo und wie der Samichlaus ihrer Familie begegnet und welche Rolle er für die Kinder einnimmt.
Familie 1
«Wir achten darauf, dass unsere Kinder den Samichlaus als positive Figur erleben.»
Wie leben Sie den Samichlaus-Brauch mit Ihren Kindern?
Wir besuchen seit ein paar Jahren den Samichlaus und den Schmutzli im Käferbergwald in Zürich-Wipkingen. Anfang Dezember sind die beiden dort vor einem Holzhäuschen anzutreffen. Der Samichlaus sitzt dann jeweils in einem Sessel, begrüsst die Kinder und erzählt ihnen eine Geschichte. Danach gehen sie in kleinen Gruppen zu ihm und erhalten Mandarinen, Nüsse, Lebkuchen und Schokolade. Die Eltern können ihm vorgängig ein paar Hinweise zustecken, damit er genauer auf die einzelnen Kinder eingehen kann.
Wen verkörpert der Samichlaus für Ihre Kinder?
Wir achten als Eltern darauf, dass unsere Kinder den Samichlaus als positive Figur erleben, als jemanden, der sie lobt und motiviert – zum Beispiel, um im Haushalt mitzuhelfen. Früher stand das Erzieherische viel stärker im Fokus. Das wollen wir nicht. Solche Themen müssen wir in der Familie regeln und nicht mit Hilfe von Samichlaus und Schmutzli. Ronald (38)
Familie 2
«Wir stellen unsere Stiefel zusammen mit einem Glas Milch und einem selbstgebackenen Guetsli vor die Haustüre.»
Wie leben Sie den Samichlaus-Brauch mit Ihren Kindern?
Wir putzen am Vorabend des Samichlaustages unsere Stiefel und stellen sie zusammen mit einem Glas Milch und einem selbstgebackenen Guetsli vor die Haustüre. Über Nacht füllt dann der Samichlaus die Stiefel mit Schokolade, Mandarinen, getrockneten Früchten, Nüssen, Lebkuchen und einem kleinen Geschenk – in diesem Jahr Trainerhosen. Selbstverständlich isst der Samichlaus das bereitgestellte Guetsli und trinkt etwas Milch.
Wen verkörpert der Samichlaus für Ihre Kinder?
Wir erzählen den Kindern jedes Jahr das Buch «Wie Sankt Nikolaus einen Gehilfen fand». Im Buch wird der Schmutzli als liebevoller und liebenswerter Charakter dargestellt und der Samichlaus als empathischer Mann. Unsere Kinder haben uns schon gefragt, ob es denn auch einen bösen Samichlaus gäbe, was wir verneinten. Vor dem Samichlaus soll sich niemand fürchten müssen. Sarah (34)
Familie 3
«Der Samichlaus soll die Kinder nicht einschüchtern, sondern sie ermuntern und ermutigen.»
Wie leben Sie den Samichlaus-Brauch mit Ihren Kindern?
Am ersten Adventssonntag verlässt der Samichlaus den Wald und zieht in Begleitung zweier Schmutzlis, eines Esels und einer Schulklasse mit Fackeln in die Stadt ein. An diesem Anlass nehmen wir seit ein paar Jahren teil – ein überaus stimmungsvolles vorweihnächtliches Ereignis. Als die Kinder noch kleiner waren, haben wir den Samichlaus zu uns nach Hause bestellt. Zuerst erzählte er den Kindern eine Geschichte, danach ist er auf jedes Kind einzeln eingegangen.
Wen verkörpert der Samichlaus für Ihre Kinder?
Für uns als Eltern ist es wichtig, dass der Samichlaus die traditionelle Rolle des tadelnden, alten Mannes ablegt und stattdessen auf die Stärken und das Potenzial des einzelnen Kindes eingeht. Es sollte also nicht darum gehen, die Kinder einzuschüchtern, sondern sie zu ermuntern und ermutigen. So erleben sie ihn als gutmütige Figur. Roger (41)
Familie 4
«Wir gehen in den Wald und folgen dem Klang eines Glöckchens, bis wir den Samichlaus und den Schmutzli gefunden haben.»
Wie leben Sie den Samichlaus-Brauch mit Ihren Kindern?
Bereits ein paar Wochen vor dem Samichlaustag stimmen wir die Kinder mit zwei Tiergeschichten auf die Vorweihnachtszeit ein. Am Wochenende vor dem Samichlaustag laden wir Verwandte ein. Wir gehen zusammen in den Wald und folgen dem Klang eines Glöckchens, bis wir den Samichlaus und den Schmutzli, gespielt von zwei Verwandten, gefunden haben. Der Samichlaus hat ein grosses Buch dabei. Darin stehen Informationen über die Kinder, die Vögelchen dem Samichlaus und dem Schmutzli während des Jahres gezwitschert haben. Die Kinder können ein Sprüchli aufsagen, müssen aber nicht, und dann dürfen sie aus dem grossen Sack ein Chlaus-Säckchen herausnehmen.
Wen verkörpert der Samichlaus für Ihre Kinder?
Bei uns ist der Samichlaus aus dem christlichen Kontext genommen. Für die Kinder ist er der alte Mann, der mit dem Schmutzli und dem Esel im Wald wohnt. Unsere Kinder erleben ihn als positive Figur und als wohlwollende Respektsperson. Für den Jüngeren ist der Samichlaus das ganze Jahr präsent – immer dann, wenn er einen Mann mit grossem, weissem Bart sieht. Livia (35)
Mit dem Samichlaus telefonieren
Für Familien, die den Samichlaus nicht treffen können, richtet die Nikolausgesellschaft der Stadt Zürich ein kostenloses Chlaustelefon ein. Die Hotline steht vom 4. bis zum 7. Dezember jeweils zwischen 17.00 und 20.00 Uhr allen Kindern zur Verfügung.
Wer ist der Samichlaus?
Der Samichlaus ist die schweizerische Bezeichnung für die Figur des Heiligen Nikolaus. In dieser Figur sind zwei historische Personen verschmolzen: zum einen Nikolaus von Myra, Bischof im vierten Jahrhundert, und zum anderen Nikolaus von Sion, Abt und Bischof im sechsten Jahrhundert. Die Orte liegen in der heutigen Türkei. Die Leben und Legenden der beiden Männer fügten sich im Laufe der Zeit zusammen. So soll der eine als Schutzpatron der Kinder gewirkt und an seinem Geburtstag im Bischofsgewand mit seinem Esel Äpfel, Mandarinen, Nüsse und Honigkuchen verteilt haben. Vom anderen wurde überliefert, dass er Schülerinnen und Schüler nach ihren guten und schlechten Taten befragt und sie danach beschenkt habe. Nikolaus von Myra starb an einem 6. Dezember, weshalb an diesem Tag dem Heiligen Nikolaus gedacht wird und weltweit viele Nikolaus-Bräuche stattfinden.
Und wer ist eigentlich der Schmutzli?
Der Schmutzli (Deutschschweiz) ist keine historische Figur. Er ist der furchteinflössende Gehilfe des Samichlaus, der direkt der Hölle entstiegen ist. Bekannt ist er auch als Krampus (Österreich, Bayern, Südtirol) oder Knecht Ruprecht (nördlicher und mittlerer deutscher Sprachraum).
Während der Samichlaus die braven Kinder mit Mandarinen, Nüssen und Lebkuchen belohnt, droht der Schmutzli, die bösen Kinder in einen Sack zu stecken und mitzunehmen. Heute tritt der Schmutzli immer weniger bedrohlich auf und mutiert zum mürrischen Diener des Samichlaus, der auch den unartigen Kindern Nüssli und Mandarinen verteilt.