Das sagt die kjz-Expertin

Wie sagen wir den Kindern, dass wir uns trennen?

Wenn immer möglich, sollte eine Tren­nung den Kindern von beiden Eltern gemein­sam mitge­teilt werden, sagt Simone Gruen-Müller, kjz-Exper­tin und Kinder- und Jugend­psy­cho­the­ra­peu­tin. Sie erklärt, warum und was bei diesem anspruchs­vol­len Gespräch helfen kann.

In Kürze

  • Wenn die Tren­nung Kindern von beiden Eltern gemein­sam mitge­teilt wird, geraten sie weniger unter Druck, Partei zu ergrei­fen.
  • Wichtig ist, Kinder mit ihren Gefüh­len nicht alleine zu lassen.
  • Eltern müssen sich aber auch nicht in Erklä­rungs­not bringen lassen.

Kindern zu sagen, dass man sich als Eltern trennt, ist keine leichte Aufgabe. Frau Gruen-Müller, warum empfeh­len Sie, den Entscheid gemein­sam mitzu­tei­len?
Einfach ist das tatsäch­lich nicht. Umso weniger, wenn der Tren­nungs­wunsch nicht von beiden Eltern­tei­len kommt. Hinzu kommt, dass die Erwach­se­nen gerade ander­wei­tig stark gefor­dert sind, mit sich und der unge­wis­sen Zukunft beschäf­tigt. Solche Belas­tun­gen machen fein­füh­lige Gesprä­che nicht leich­ter. Schaf­fen es die Eltern aber, den Entscheid gemein­sam mitzu­tei­len, geraten Kinder weniger unter Druck, Partei zu ergrei­fen, und können die Verän­de­rung eher als eine gemein­same Hand­lung wahr­neh­men. Das kann sie stark entlas­ten.

Inwie­fern entlas­ten Eltern sie damit?
Kinder haben beide Eltern­teile gern. Meinen sie, sie müssten zum Schieds­rich­ter, zur Bünd­nis­part­ne­rin oder gar zur Vertrau­ens­per­son eines Eltern­teils werden, ist das eine völlige Über­for­de­rung. Viel­mehr sollten sie bei ihren kind­li­chen Bedürf­nis­sen bleiben dürfen und die Schuld­frage im Paar­kon­flikt nie beant­wor­ten müssen. Statt­des­sen müssen sie spüren: Der Konflikt findet zwischen meinen Eltern als Paar statt. Ich muss mich nicht darum kümmern und an der Bezie­hung zu mir ändert das nichts. Beide haben mich weiter­hin lieb und bleiben für immer meine Eltern.

Eine Sprechblase mit Text: Kinder müssen wissen: Wir sind glücklich, dass es euch gibt. Und wir bleiben für immer eure Eltern.

Kinder fragen oft nach dem Warum. Wie sollen Eltern darauf einge­hen?
Die Schwie­rig­keit bei der Warum-Frage ist, dass Eltern in dieser Situa­tion selten in der Lage sind, ruhig und ausge­gli­chen zu antwor­ten. Die Gefahr besteht, dass sie die Kinder mit ihren Erklä­run­gen über­for­dern. Kinder verste­hen Zusam­men­hänge in erwach­se­nen Bezie­hun­gen noch nicht. Das müssen sie auch nicht. In diesem Moment reicht es, als Erklä­rung zu sagen: «Wir haben beide gemerkt, dass es so für uns als Paar nicht geht.»

Dennoch wird der Tren­nungs­ent­scheid die Kinder traurig machen. Wie können Eltern damit umgehen?
Dass die Verän­de­rung erschüt­tert, ist unver­meid­lich. Wichtig ist, die Gefühle des Kindes ernst zu nehmen. Eltern können zum Beispiel sagen: «Wir wissen, dass das für euch schwie­rig ist, dass ihr das bestimmt nicht wollt und nicht gut findet. Aber für uns als Erwach­sene stimmt es so.» So fühlen sich Kinder ernst- und wahr­ge­nom­men, können aber die Verant­wor­tung da belas­sen, wo sie hinge­hört – bei den Eltern.

Und wenn die Situa­tion doch mehr Erklä­run­gen erfor­dert?
Wenn Kinder nach­fra­gen, dürfen sich Eltern ruhig Zeit lassen und sagen: «Da kann ich dir im Moment keine Antwort geben, viel­leicht kann ich das später.» Sich Zeit zu lassen ist wichtig, da die Eltern selbst aufge­wühlt sind. Da ist die Gefahr gross, unter Druck Schuld­zu­wei­sun­gen zu machen. Schuld­zu­wei­sun­gen belas­ten und über­for­dern die Kinder aber immer. Möchten die Eltern mehr erklä­ren, sollten sie sich ihre Ausfüh­run­gen vorher gut über­legt haben.

Wichtig ist es, die kind­li­chen Gefühle ernst zu nehmen.

Kinder wünschen sich oft nichts mehr, als dass die Eltern wieder zusam­men­kom­men. Wie sollen Eltern mit diesem Wunsch umgehen?
Kinder verar­bei­ten anders als Erwach­sene. Zudem äussern sie ihre Wünsche immer direkt, wenn sie ihnen durch den Kopf gehen. In diesen Momen­ten geht es darum, dass der Wunsch Platz und Berech­ti­gung hat, damit sie sich danach wieder anderem zuwen­den können: «Ja, das ist ein schöner Wunsch von dir. Das verstehe ich und ist in Ordnung. Aber für Mama und Papa geht das nicht, wir haben uns so entschie­den.» Dieses bedin­gungs­lose Verständ­nis braucht es jedes Mal – auch wenn der Wunsch wieder und wieder geäus­sert wird. Er ist Teil der Verar­bei­tung.

Wie ist es bei Jugend­li­chen, wie ausführ­lich sollen Eltern da erklä­ren?
Obwohl Kinder im Jugend­al­ter mehr verste­hen und reifer sind, sollten auch sie von Details verschont bleiben und nicht in Schuld­fra­gen verwi­ckelt werden. Oft laufen Jugend­li­che Gefahr, ihre Bedürf­nisse zurück­zu­stel­len. Sie meinen etwa, dass sie sich nun um die Eltern kümmern müssten. Das ist aber nie Aufgabe eines Kindes. Deshalb ist es wichtig, auch Jugend­li­chen klar zu verste­hen zu geben, dass die Verant­wor­tung für die Verän­de­rung bei den Eltern liegt. Ände­run­gen, die Jugend­li­che direkt betref­fen, sollen sie hinge­gen unbe­dingt mitent­wi­ckeln dürfen.

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Simone Gruen-Müller ist Erziehungsberaterin im kjz Affoltern. Sie ist Fachpsychologin SBAP in Kinder- und Jugendpsychologie, Kinder- und Jugendpsychotherapeutin SBAP und Spezialistin bei OHG-Befragungen.

Simone Gruen-Müller

Simone Gruen-Müller ist Erziehungsberaterin im kjz Affoltern. Sie ist Fachpsychologin SBAP in Kinder- und Jugendpsychologie, Kinder- und Jugendpsychotherapeutin SBAP und Spezialistin bei OHG-Befragungen. Während vieler Jahre war sie im schulpsychologischen Dienst, in der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie in der eigenen Praxis tätig.