kjz-Sprechstunde

«Wie viel Freiheit kann ich meinem Sohn (8) zutrauen?»

Mütter und Väter wissen am besten, was gut ist für ihr Kind. Doch ab und zu sind sie auch bei gröss­ter Eltern­liebe froh um ein biss­chen Unter­stüt­zung. Bei allen Fragen rund um Familie und Erzie­hung weiss das Exper­ten-Team unserer kjz-Sprech­stunde Rat. Kompe­tent, anonym und unkom­pli­ziert. Was immer Sie bewegt – wir sind für Sie da!


Liebes kjz-Team
Ich habe einen 8-jähri­gen Sohn und weiss nicht recht, wie viel Frei­heit ich ihm zutrauen soll. Kann ich ihn bereits mit einer Einkaufs­liste zum Super­markt schi­cken? Darf ich ihn an einem Abend alleine lassen, wenn ich mit meinem Mann zu einem Geschäfts­es­sen einge­la­den bin? Ich möchte meinen Sohn eigent­lich zu Selbst­stän­dig­keit erzie­hen, aber gleich­zei­tig keine Raben­mut­ter sein. Wie gelingt mir diese Grat­wan­de­rung?
Frau Ch.

Liebe Frau Ch.

Wir alle kennen die Geschichte von Kevin, der Weih­nach­ten alleine zuhause feiert, weil er verges­sen wurde. Im zweiten Teil sogar allein in New York. Ein schönes Märchen – mehr aber nicht. Denn ganz so viel Uner­schro­cken­heit ist wohl in der Reali­tät von Acht­jäh­ri­gen selten der Fall. Wo Gefah­ren drohen, sind wir als Erwach­sene gefor­dert. Schliess­lich sind Kinder nicht grund­los erst mit 18 Jahren mündig. Sie müssen geschützt werden, nicht selten auch vor sich selbst.

Grund­sätz­lich ist die Frei­heit der Kinder Ermes­sens­sa­che ihrer Eltern. Sie wissen am besten, was Ihr Kind kann und was nicht. Dabei dürfen Sie Ihrem Sohn so viel Auto­no­mie wie möglich zuge­ste­hen. Je mehr Kontrolle Sie abgeben, je mehr Sie ihm zutrauen, desto selbst­stän­di­ger wird er. Die erfah­rene Selbst­wirk­sam­keit führt zu einem höheren Selbst­wert und stärkt ihn damit in seiner Selbst­si­cher­heit.

Aller­dings gilt: Der Umgang mit Auto­no­mie muss zuvor erlernt werden. Daher stellen sich in Ihrem Fall folgende Fragen: Hatte Ihr Sohn genü­gend Gele­gen­heit zu üben? Durfte er unter Ihrer Aufsicht bereits einkau­fen und bezah­len im Super­markt? Dann ist gut vorstell­bar, dass Sie ihn mit einer Eink­auf­liste und genü­gend Geld zum Einkau­fen schi­cken.

Im Falle des abend­li­chen Geschäfts­es­sens stellen sich weitere Fragen: Wie oft war Ihr Sohn zuvor allein? Wie lange haben diese Sequen­zen gedau­ert? Wo findet das Essen statt? Im Nach­bar­haus? Im Nach­bar­dorf? Am anderen Ende der Stadt? Acht­jäh­rige Kinder sind schnell über­for­dert – erst recht, wenn sie ganz auf sich alleine gestellt sind. Auch wegen der vielen Monster, die im Dunkeln unver­mit­telt auftau­chen. In diesem Alter geht es darum, dass jemand verfüg­bar ist, falls etwas passiert. Gibt es jeman­den, der das über­neh­men könnte: Gross­el­tern, Baby­sit­ter, Nach­barn?

Spre­chen Sie zudem mit Ihrem Sohn. Will er abends tatsäch­lich alleine bleiben? Manch­mal sagen Kinder ja, ohne wirk­lich zu wollen. Zu verlo­ckend die Aussicht auf Gamen bis zum Umfal­len. Oder genau den Film zu schauen, den die Eltern nie erlau­ben würden. Aber wehe, wenn sie sich doch plötz­lich allein gelas­sen fühlen. Die Erfah­rung zeigt, dass sich bereits 15 Minuten sehr lange anfüh­len können.

Grund­sätz­lich gilt: Alles will geübt, gelernt und zuvor gut abge­spro­chen sein. Dann ist Kindern sehr viel zuzu­trauen.

Claude Ramme, Jasmin Gygi und das kjz-Team

Haben Sie eine Frage?

Haben Sie eine Frage zur Erzie­hung, zum Zusam­men­le­ben in der aktu­el­len Situa­tion oder ganz allge­mein zum Fami­li­en­le­ben? Das kjz-Team beant­wor­tet regel­mäs­sig Fragen in der «kjz-Sprech­stunde».