Das empfehlen Lese-Expertinnen

Tipps, was Eltern beim Vorlesen beachten können

Beim Vorle­sen sind die span­nen­den Geschich­ten längst nicht alles, worum es geht. Bloss – wie sollen Eltern das Spiel mit Wort, Laut und Geschichte genau angehen? Hier finden Sie Tipps von zwei Lese-Exper­tin­nen.

Vorle­sen ist mehr als lesen. Es bringt in vieler­lei Hinsicht einen Mehr­wert mit sich: Wer Kindern vorliest, stärkt ihre Sprach­kom­pe­tenz sowie ihre Fähig­keit zu Empa­thie und Perspek­ti­ven­wech­sel. Auch schafft Vorle­sen Nähe und gemein­same Erleb­nisse und stärkt dadurch die Bezie­hung. Studien zeigen zudem: Kinder, denen regel­mäs­sig vorge­le­sen wird, lernen besser lesen, verbrin­gen mehr Zeit mit Büchern und haben mehr Spass am Lesen, als Kinder, denen nicht vorge­le­sen wird.

Lese- und Lite­ra­tur­päd­ago­gin Marion Arnold und Exper­tin in Lese­för­de­rung Gina Dome­ni­coni geben Tipps, die Sie als Eltern beim Vorle­sen beach­ten können. Damit Sie und Ihre Kinder genüss­lich vom gemein­sa­men Erleb­nis profi­tie­ren können.

Tipps für alle Kinder

  • Lesen Sie nur Kindern im glei­chen Alter gleich­zei­tig vor
    Je grösser der Alters­un­ter­schied, desto schwie­ri­ger ist es, das passende Buch zu finden. Entwe­der ist die Lektüre für die jünge­ren Geschwis­ter zu schwie­rig oder die grös­se­ren lang­wei­len sich. Es lohnt sich daher, auch Geschwis­tern separat vorzu­le­sen – damit die Geschichte für alle ein Spass ist.
  • Lesen Sie im eigenen Dialekt oder in Ihrer Mutter­spra­che vor
    Je dicker die Bücher, desto anspruchs­vol­ler ist es, das Vorzu­le­sende simul­tan von der Schrift­spra­che in Dialekt oder die eigene Mutter­spra­che zu über­set­zen. Abge­se­hen davon spricht aber nichts dafür, beim Vorle­sen ab einem bestimm­ten Alter auf Hoch­deutsch zu wech­seln. Wenn die Umstände für Sie nicht zu gross sind, bleibt es für Kinder aller Alters­grup­pen ein schönes Erleb­nis, einer Geschichte in der Mutter­spra­che hören zu dürfen.
  • Kein Kind zu klein
    Ganz kleine Kinder können zwar noch nicht so lange am Stück zuhören. Doch auch sie haben Spass daran, Stimmen zu lauschen, mit Worten zu spielen oder gar selbst mitzu­ma­chen bei einer Geschichte. Wichtig ist es, eine passende Lektüre auszu­wäh­len, dann kann so früh wie möglich damit begon­nen werden.
  • Hören Sie nicht auf mit dem Vorle­sen
    Hören Sie auch dann nicht auf, wenn das Kind in die Schule kommt. Denn Vorle­sen hat nichts mit schu­li­schem Lesen zu tun. Es bedeu­tet Zeit mit den Eltern alleine, Austausch über das Gele­sene und vieles mehr. Ausser­dem ist das Lesen­ler­nen für viele nicht einfach. Deshalb ist Vorle­sen gerade dann umso wich­ti­ger – damit Kinder wissen, warum es sich lohnt und worauf sie sich freuen können. Ausser­dem hören wir bis ins Erwach­se­nen­al­ter gerne zu bei Geschich­ten.

Wie klingt denn ein Bär?» - «Roaaaar!

Tipps für klei­nere Kinder

  • Stellen Sie W-Fragen – wer, was, warum, wie, wann, wo?
    So nimmt das Kind aktiv am Gesche­hen teil.
    «Wen haben wir denn hier?» – «Ja genau, den brum­mi­gen Bären.» – « Aber was hat der denn an?» …
  • Lassen Sie das Kind mitma­chen
    So macht das aktive Teil­neh­men umso mehr Spass.
    «Wie klingt denn ein Bär?» – «Roaaaar» – «Und wie bewegt er sich?» …
  • Lassen Sie das Kind mitre­den
    Es regt die Fanta­sie an und hilft bei der Verar­bei­tung. Gleich­zei­tig erhal­ten Sie Einblick in die Gedan­ken und Gefühle des Kindes und es entsteht Austausch.
    «Was würdest du wohl an seiner Stelle machen?» – «Wann hast du schon einmal etwas Ähnli­ches erlebt?» – «Was denkst du, wie es am Ende mit den beiden weiter­geht?»

Tipp für grös­sere Kinder

  • Bezie­hen Sie das Kind mit seinem Wissen und seinen Gedan­ken mit ein
    So tauchen beide in die Geschichte ein, gestal­ten das Erleb­nis gemein­sam und es entste­hen span­nende Gesprä­che. Etwa über unter­schied­li­che Sicht­wei­sen, Ideen usw.
    «Wo waren wir letztes Mal stehen­ge­blie­ben?» – «Wie stellst du dir die Haupt­fi­gur vor?» - «Was vermu­test du, wie es weiter­geht?» - «Was ist dir durch den Kopf gegan­gen bei dieser Szene?»

Weitere Tipps zum Vorle­sen beim Schwei­zer Vorle­se­tag

Marion Arnold, gelernte Buchhändlerin und Lese- und Literaturpädagogin.

Marion Arnold

Marion Arnold ist gelernte Buchhändlerin und Lese- und Literaturpädagogin. 2015 hat sie sich mit dem Projekt «Leseleiter» selbständig gemacht und ist damit in unterschiedlichen Funktionen im Bereich Leseförderung tätig. Daneben engagiert sie sich im Vorstand des «Zürcher Kinderbuchpreises» sowie in der Programmkommission der Literaturfestivals «Zürich liest» und «Abraxas».

Gina Domeniconi hat Germanistik studiert und arbeitet am Schweizerischen Institut für Kinder- und Jugendmedien (SIKJM).

Gina Dome­ni­coni

Gina Domeniconi hat Germanistik studiert und ist seit 2015 Mitarbeiterin am Schweizerischen Institut für Kinder- und Jugendmedien SIKJM im Bereich Literale Förderung. Dort leitet sie das Leseförderungsprojekt «Schenk mir eine Geschichte – Family Literacy» mit Fokus auf der Erstsprachenförderung.